Ein Anführer! Kleeblatt-Ass Mavraj spricht über sich

Martin Schano

Fürther Nachrichten

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15.1.2020, 11:01 Uhr
Ein Anführer! Kleeblatt-Ass Mavraj spricht über sich

© Sportfoto Zink / WoZi

Der Himmel über der türkischen Riviera meint es nur einen halben Tag gut mit den Gästen aus Almanya, am Nachmittag öffnet er seine Schleusen. Zur Vormittagseinheit der Fürther Zweitliga-Fußballer herrschen frische elf Grad, die Spieler sind kurz vorm Auskühlen während der langen Erklärungen von Stefan Leitl. Er lässt den Spielaufbau üben, nur eine Stimme ist lauter über den ganzen Trainingsplatz zu hören als die des Trainers: Die von Mergim Mavraj, Kapitän Nummer drei.

Ein mündiger Profi bei der SpVgg Greuther Fürth 

Mavraj darf aufgrund seines Status' im Training ungeschoren Witze über die Gefängnis-Vergangenheit von Stürmer Daniel Keita-Ruel reißen, er weist im Testspiel gegen die Bayern-Amateure Ersatzkeeper Marius Funk zurecht, er fährt dem Gegner regelmäßig in die Parade, wenn die Partie zu kippen droht. Im Interview an der Hotelbar bei einem Glas türkischen Chai verkörpert er den Typ des mündigen Profis.

Fahrstuhl-Karriere: Mavrajs Auf- und Abstiege

Jeder zweite seiner Sätze könnte eine Überschrift über diesen Text sein. Mergim Mavraj, geboren als Sohn kosovarischer Eltern in Hanau, aufgewachsen in Seligenstadt bei Frankfurt, ist jetzt 33 Jahre alt und hat viel gesehen in seinem Fußballerleben. Mit Bochum im Uefa-Cup, Bundesligaauf- und -abstieg mit Fürth, EM-Teilnehmer mit Albanien, Bundesliga mit Köln, Abstieg mit dem HSV und Ingolstadt. Und doch sagte er im vergangenen Sommer: "Ich bin nicht hierhergekommen, um die Karriere ausklingen zu lassen." Sein Vertrag läuft noch eineinhalb Jahre. Auf die Frage, wie sich diese Zeitspanne anfühlt, antwortet er an der Hotelbar mit einem verlegenen Lachen: "zu wenig." Und Mergim Mavraj ist selten verlegen. 

"Du wirst geliebt, wenn du Leistung bringst" 

Vielleicht weil er weiß, dass er kein Publikumsliebling ist - als Kapitän der Erstligamannschaft 2012/13 hatte er sich mit einigen Fans angelegt. Doch er hat das Prinzip durchschaut: "Du wirst nur geliebt, wenn du Leistung bringst." Dieser Satz ist so etwas wie eine Überschrift über seine Karriere geworden. Die erste Erfahrung machte er bei einem Tauziehen um seine Person: Ausgestattet mit einem Pass der Uno, bemühte sich Albaniens Landesauswahl um das Talent, das beim SV Darmstadt gerade einen Profivertrag unterschrieben hatte. Kaum war das Dokument ausgestellt, holte ihn Trainer Dieter Eilts zur deutschen U21.

+++ Der Kleeblatt-Blog: Fürth feilt in der Türkei +++

"Die Albaner waren sauer, dass ich für Deutschland gespielt habe. Ich sollte den deutschen Behörden den albanischen Pass zurückgeben, doch die wollten ihn nicht annehmen." Nach Jahren im Rechtsstreit mit dem Land seiner Eltern ist er nun sogar Kapitän der albanischen Nationalmannschaft. Ist also alles verziehen? "Ja, wenn die Leistung stimmt, ist alles andere eine Randerscheinung."

Als Spieler habe er sich daran gewöhnt, "für mich persönlich aber ist es sehr traurig. Denn wenn du gut spielst, bringen dir die Leute sehr viel Liebe entgegen. Dabei merken sie gar nicht, dass das eine bedingte Liebe ist. Es ist eine Win-win-Situation, nicht mehr."

"Ich bin der Seligenstädter Heimscheißer" 

Man habe im Leben viele Anker: Geburtsort, Nationalität, Fußballverein. "Das sind Sachen, mit denen du dich identifizierbar machst. Aber das bist nicht du. Für mich ist Paolo Maldini nicht AC Mailand, nur weil er da sein ganzes Leben gespielt hat." Für ihn sei Maldini ein Vorbild aufgrund seines Verhaltens auf und neben dem Platz. "Ich bin auch nicht der, der lange bei der Spielvereinigung gespielt hat", sagt Mavraj: "Ich definiere mich nicht über solche Sachen. Ich bin der Seligenstädter Heimscheißer, der seine Mama sehen will."

Der Sehnsuchtsort Mekka

Ist seine Liste an Vereinen deshalb so lang? Weil nicht das Wappen auf dem Trikot zählt, sondern das, was man darin macht? Viele dachten, er sei zurückgekommen in die alte Heimat Fürth. "Heimkommen definiert sich über Menschen", findet Mergim Mavraj. Regelmäßig fährt er etwa noch nach Seligenstadt, um dort seine Mutter und die Schwestern zu besuchen. "Ich weiß nicht, was Heimat ist. Ist es Seligenstadt, der Kosovo oder ist es Mekka wegen meiner Religion?"

Trotz seines emotionalen Abstands zu seinen Vereinen sei es nie der Plan gewesen, die Liste der Arbeitgeber so lang werden zu lassen: Sieben sind es, von Darmstadt über Bochum, Fürth, Köln, HSV, Aris Saloniki, Ingolstadt und wieder Fürth. "Ab dem Wechsel von Köln nach Hamburg brauchte jeder Verein, der mich geholt hat, einen Anführer. Ich bin Terminal eins, sage ich immer dazu. Immer auf Abruf: Gate eins, Gate zwei, Gate 13 . . ."

Doch der Reisende will nicht mehr ständig Koffer packen. Außer, es geht nach Mekka. Der streng gläubige Moslem war bereits dreimal dort, "und ich möchte noch hundert Mal dorthin, denn ich habe den Inhalt dieser Sache immer noch nicht ganz verstanden. Verstehen kriegt nur den Trostpreis, man muss die Sache erlebt haben." Wieder so eine Überschrift über das Leben des Mergim Mavraj.

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