Enttäuschung in Eishockey-Deutschland
Ein Faustschlag und viel Frust: Fünf Gründe für das schwache Abschneiden des DEB-Teams bei Olympia
16.02.2022, 12:20 UhrWolf durfte deshalb eineinhalb Minuten früher in die Kabine, die Aufstellung nach dem ernüchternden 0:4 (0:1, 0:2, 0:1) gegen die Slowakei blieb ihm erspart. Wenn es für acht Nationen ab Mittwoch im Viertelfinale um die Medaillen geht, geht es für Deutschland nach Hause. Für das unerwartet schwache Abschneiden gibt es Gründe.
SELBSTEINSCHÄTZUNG: Man darf bezweifeln, ob das Team in Peking sofort realisiert hat, was da in den letzten fünf Tagen passiert ist. Die Spieler Dominik Kahun und Tom Kühnhackl wollten gar nicht erst mit Journalisten reden, Sportdirektor Christian Künast wollte nicht über den auslaufenden Vertrag des Bundestrainers Toni Söderholm sprechen. "Falsche Frage zum falschen Zeitpunkt", sagte Künast, statt die berechtigte Frage zu beantworten. Vor dem Turnier hatten sie noch gerne mit Journalisten geredet, da waren die Fragen richtig. "Die Erwartungshaltung außerhalb ist auf jeden Fall ein Sieg", sagte Moritz Müller, der selbstbewusste Kapitän vor dem Auftakt gegen Kanada. "Das ist auch die Erwartungshaltung von uns." Nach zehn Minuten führte Kanada 3:0 und für Deutschland war das Turnier vorbei.
Bieder statt begeisternd
VORBEREITUNG: Deutschland schien auf dieses Spiel nicht vorbereitet zu sein – weder auf die Härte der auf Revanche für die Halbfinalniederlage 2018 sinnenden Kanadier, noch auf die schmalere Eisfläche. In Schwenningen gibt es eine Eisfläche mit ähnlichen Ausmaßen, die Mannschaft aber bereitete sich in Mannheim vor. Es ist müßig, ob es an den ungewohnten Perspektiven lag, dass Marco Nowak schon in der fünften Minute hart vom Kanadier Eric O’Dell erwischt wurde. Der Check hätte geahndet werden müssen, die Schiedsrichter pfiffen nicht, dafür traf Kanada zum 1:0. Nowak wurde danach von niemandem geholfen, O’Dell nicht konfrontiert, auch nicht von David Wolf.
EINSTELLUNG: Genau so ging es weiter. Deutschland wehrte sich nicht gegen Kanada, zitterte sich zu einem 3:2 gegen China, war zufrieden damit, die USA beim 2:3 gebremst zu haben. Die deutschen Mannschaften gerne zugeschriebene Tugend, sich in Turniere hineinsteigern zu können, war nicht zu erkennen. Spielerisch blieb Deutschland bieder, trotz selbst ernannter Mentalitätsspieler wie Müller, Korbinian Holzer und Wolf fand das Team nie zu seinem aufwändigen, oft begeisterndem Stil.
"Ich weiß es nicht"
PERSONAL: Über einzelne Positionen hätte man vortrefflich streiten können. Generell schickte Söderholm aber die bestmögliche Auswahl aufs Eis; ein Team, das im Angriff und im Tor tiefer besetzt zu sein schien als 2018. Die Stürmer Noebels, Tiffels und Plachta, in der DEL herausragend, aber blieben blass. Kahun bekam keine Unterstützung. Ohne die in Pyeongchang noch so wichtigen Christian Ehrhoff, mittlerweile nur noch Fernsehexperte, und Yannick Seidenberg hatte Söderholm keinen einzigen Verteidiger, der den Puck unfallfrei ins Spiel bringen konnte.
DER TRAINER: Toni Söderholm verfolgte regungs- und emotionslos, wie die Slowakei ein wenig glücklich in Führung ging, dominierte, zweimal nachlegte, kontrollierte, ins leere Tor traf. Wie seine Mannschaft schien sich der Finne ergeben zu haben. Bleibt er dennoch Bundestrainer? "Ich weiß es nicht."
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