Spitzenspiel in der Fußball-Bayernliga
Entfesselter ASV Neumarkt schlägt auch Ammerthal
4.9.2021, 19:10 UhrEmotionaler hätte der Nachmittag kaum beginnen können. Als sich die späten Gäste unter den 600 Zuschauern gerade ihren Platz im Stadion suchten und nach der Durchsage der Mannschaftsaufstellungen eine kleine akustische Pause bis zur Einlauf-Melodie entstand, wurde es in der Kabine der Hausherren richtig laut. "Egal, ob etwas zwickt, jemand müde ist oder wie heiß es draußen ist: Ich will mich nicht blamieren, dafür sind wir zu gut. Unser Haus", drangen die eindringlichen Worte von Trainer Jürgen Schmid durch das gekippte Fenster hinaus auf den Parkplatz.
So tickt der Fußball-Mäzen des ASV Neumarkt
Vor dem Hintergrund einer Serie von elf Siegen gegenüber einer einzigen Niederlage aus dreizehn Pflichtspielen unter der Leitung des im normalen Zwiegespräch stets besonnenen 39-jährigen Ex-Profis, war der flammende Appell freilich kein Ausdruck von Unzufriedenheit. "Das kam nach dem Aufwärmen einfach spontan aus mir heraus und hatte mit der speziellen Tabellenkonstellation zu tun. Ständig kannst du so etwas nicht machen", erklärte sich Schmid hinterher.
Tatsächlich ging der Weckruf erst einmal nach hinten los. Ammerthal drängte den ASV Neumarkt vom Anpfiff weg tief in die eigene Hälfte. Einen von Jungspund Henrik Brüggen am eigenen Strafraum verursachten Freistoß konnte Torwart Niclas Herzig nur nach vorne abwehren, ehe der gedankenschnellere Martin Popp den Abpraller nach 180 Sekunden zur Gästeführung verwertete. "Wir haben mit extrem aggressivem Pressing gerechnet, aber hatten am Anfang unsere Probleme damit. Die Jungs haben sich danach reingefunden und hinten wenig zugelassen", kommentierte Jürgen Schmid den Auftakt für eine furiose erste Hälfte. Denn der Trainer sah seine Schützlinge bald immer besser in die Zweikämpfe kommen und die kombinationsfreudigen Ammerthaler ihrerseits defensiv in etliche Verlegenheiten stürzen.
In individuell herausragender Manier leistete Daniel Haubner, der sich im Mittelfeld in der Drehung am Ball behauptete und Kollege Christian Schrödl mit Übersicht in Szene setzte, die Vorarbeit zum Ausgleich. Die geschickte Ballmitnahme im Tempolauf und der überlegte flache Abschluss ins rechte Eck ließen komplett vergessen, dass die Neumarkter mit Leon Gümpelein ja kürzlich einen torgefährlichen Angreifer abgeben mussten. Nicht minder sehenswert war die einstudierte Eckenvariante, mit der der ASV die Partie drehte. Schrödl servierte flach an die Strafraumgrenze, Kapitän Alexander Braun traf entschlossen per Direktabnahme in die Maschen und riss sich bei seinem Jubel beinahe das Trikot vom Oberkörper. "Yeah, let's go", schrie er ins Publikum.
Bis zur Pause hatte ASV-Torwart Herzig fast nichts mehr zu tun. Einmal lenkte er einen Versuch von Popp am kurzen Pfosten aus kurzer Distanz noch an die Latte, einmal stand er auf dem Posten, als ein überraschender Abschluss von der Außenlinie auf dem oberen Tornetz landete. Auf der gegenüberliegenden Seite drängten die wie entfesselt aufspielenden Hausherren auf den dritten Treffer. Fast jede Aktion lief über rechten Flügel von Selim Mjaki, doch der 23-Jährige Wirbelwind wurde zweimal vor dem Abschluss geblockt und scheiterte zweimal schräg vor dem Tor mit einem unpräzisen Abschluss am Ammerthaler Schlussmann. Kurz nach dem Wechsel trieb Mjaki den Chancenwucher auf die Spitze, in dem er seinen Verteidiger an der Mittellinie tunnelte und nach einem 60-Meter-Solo allein vor dem Tor wieder Nerven zeigte. Während das Spielgerät neben den Pfosten kullerte, ging ein Raunen über die Tribüne.
"Wir hätten es einfacher haben können"
"Wir haben es unnötig spannend gemacht. Schlimmer fände ich es allerdings, wenn Selim überhaupt keine Chancen hat. Außerdem hat er wertvoll mit nach hinten gearbeitet", nahm Coach Schmid seine vorzeitig ausgewechselte Nummer dreizehn in Schutz. Auch der in den Schlussminuten als Turm in der Defensive gefragte Abwehrchef Leon Schön wollte seinen Offensiv-Kollegen nicht böse sein. "Wir hätten es einfacher haben können, trotzdem haben wir es zusammen ordentlich wegverteidigt. Wir sind inzwischen so selbstbewusst, dass uns ein Rückstand nicht verunsichert."
Für vorübergehende Beruhigung sorgte zuvor der verwandelte Strafstoß zum 3:1 von Jonas Marx, der die Aktion mit einem gefühlvollen Heber auf Daniel Haubner selbst eingeleitet hatte. Haubner umkurvte noch den Keeper, kam dabei jedoch ins Straucheln. Mit fortschreitender Spieldauer büßte der ASV an Spritzigkeit ein, so erzielte Lukas Dotzler aus einiger Entfernung den 2:3-Anschluss, weil er nicht energisch genug attackiert wurde. In den letzten zehn Minuten plus Nachspielzeit musste an der Seitenlinie Trainer Jürgen Schmid mehrfach durchpusten und auf seine Uhr blicken.
Symbolisch für die Verschleißerscheinungen der Neumarkter: Bei Alexander Braun löste sich der Haarzopf und legte eine wallende Mähne frei. Die einzige nennenswerte Gefahr bei einem Kopfball nach Freistoß entschärfte Torwart Nicolas Herzig schließlich reaktionsstark auf der Linie. Mit dem Abpfiff machte sich Erleichterung breit. "Wir kommen gar nicht dazu, uns auf unseren Lorbeeren auszuruhen. Eigentlich ist zu erwarten, dass die Jungs mal körperlich nachlassen. Aber sie sind mental so fokussiert, dass sie in der Erfolgsspur bleiben", sagte Jürgen Schmid. Am Dienstag (17.30 Uhr) kommt Regionalligist SpVgg Bayreuth zum Pokal-Achtelfinale. Es könnte emotional werden.
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