Erfolgsgeschichten aus dem Boxring
5.4.2018, 18:30 UhrEs ist eine Erfolgsgeschichte, die weit über die Erfolge im Ring hinaus geht. Wenn in der Hermann-Hedenus-Schule 40 junge Boxer herumtollen, Seilspringen oder kleine Hanteln in die Höhe stemmen, geht es auch darum, dass sie das alle zusammen machen: Kinder jeden Alters und jeder Nation. Die Trainingsgruppe von Igor Krotter ist ein hervorragendes Beispiel für erfolgreiche Integration. Nun gehört sie auch offiziell zum Turnverein.
Mitte März hat der TV 48 Erlangen offiziell mit der Sportart Boxen seine 21. Abteilung gegründet. "Für mich, für unsere Athleten ist das eine Riesenfreude", sagt Igor Krotter. Im April wird es zehn Jahre her sein, dass der 44-Jährige in Erlangen angefangen hat, Boxer zu trainieren. "In einem kleinen Keller der Sponselhalle, damals mit sechs, acht Leuten." Entstanden war die Sportgruppe Boxen bereits vier Jahre zuvor in Büchenbach.
Der Arbeitskreis für offene Jugendarbeit bot dort auffällig gewordenen Jugendlichen mit Migrationshintergrund ein Boxtraining an. Das Projekt "Integration durch Sport" und die Max-und-Justine-Elsner-Stiftung finanzierten die Sportgruppe ohne Vereinszugehörigkeit. Als Krotter 2008 dazustoß, begann das Team zu wachsen, die Gruppe tingelte durch die Erlanger Sporthallen. "Jetzt trainieren wir in der Hermann-Hedenus-Schule viermal pro Woche, wir haben perfekte Bedingungen, einen Ring und Boxsäcke."
76 Mitglieder
Die neue Box-Abteilung hat bereits 76 Mitglieder, mehr als die Hälfte davon sind Kinder und Jugendliche. Darunter auch der unbegleitete Flüchtling Obeidolah Mirzaie aus Afghanistan, über den diese Zeitung mehrfach berichtet hat. Der 17-Jährige wurde nach nur zwölf Boxkämpfen Deutscher Vizemeister seiner Altersklasse, ist mittlerweile amtierender Deutscher Meister. Als Flüchtling allerdings bangt Mirzaie um seine Aufenthaltserlaubnis, es ist nicht sicher, ob er in Deutschland bleiben darf. Nichtsdestotrotz sucht er aktuell nach einer Ausbildung.
Auch sportlich hat Mirzaie in diesem Jahr große Pläne, zuletzt gewann er in der Altersklasse U19 bis 56 Kilogramm auf der Bayerischen Meisterschaft Gold — erstmals für den TV 48 Erlangen. Denn nun gehören die Boxer ja auch offiziell zum Verein. Zudem gab es bei der Bayerischen Jugendmeisterschaft im Olympischen Boxen Bronze für Kristina Vozkanyan (U17 bis 57 Kilogramm), die erst seit einem halben Jahr trainiert, Dustin Hofmann (U17 bis 60 Kilogramm) und Bahar Rostami.
"Gut aufgestellt"
"Wir sind gut aufgestellt", sagt Igor Krotter. "Im vergangenen Jahr haben wir vier Deutsche Meistertitel geholt im Jugend- und Juniorenbereich, sowie Matthias Büchner bei der Deutschen Hochschulmeisterschaft."
Büchner boxt zudem in der Bundesliga. Im Mai wird Obeidolah Mirzaie 18 Jahre alt, in der neuen Saison möchte auch er in der Bundesliga antreten. "Er ist ein Kandidat, er ist fest eingeplant", sagt sein Trainer. Antreten wird er dann — anders als nun auf bayerischer Ebene — für den Boxclub Straubing, der ein Bundesliga-Team stellt. Die Athleten werden vom TV ausgeliehen, solange dieser nicht selbst auch eine Erfolgsgeschichte mit der Mannschaft geschrieben hat.
Dass die Erlanger Boxer erst jetzt eine Abteilung gegründet haben, liegt auch daran, dass der TVE nun bereit dafür war, Vorstand und Aufsichtsrat haben den Antrag zur Gründung der Abteilung genehmigt. "Mittlerweile ist die Gruppe so groß, dass es Zeit dafür wurde", sagt Günther Beierlorzer, der sportliche Leiter des Vereins. Die letzte Abteilungsgründung liegt 14 Jahre zurück — im Jahr 2004 Laufen und Walking. Man sieht also, es ist nicht so leicht, Teil des Turnvereins zu werden. "Viele Sportgruppen gründen sich und verschwinden dann wieder", sagt Beierlorzer. "Wenn wir eine Abteilung gründen, steht das auch in der Satzung. Wir vom Verein müssen sicher sein, dass es in der Abteilung weiter läuft."
Dazu gehört auch, dass Igor Krotter nicht alles selbst macht, mittlerweile gibt es weitere Trainer. Hinzu kommen Abteilungsleiter Max Lutze, sein Stellvertreter Michael Weigand, Kassenwart Dmitri Penner und Jugendwart Felix Ostermünchner.
"Sehr gutes Team"
"Wir haben ein gutes Team", sagt Igor Krotter. "Es geht um Leistungssport und Integration." Das gilt für jeden: Anfänger, auch die älteren, müssen erst einmal zum Grundlagen-Training. Dabei kann es vorkommen, dass sie sich beim Zirkeltraining inmitten herumwuselnder, kleiner Jungs wiederfinden. Im Kinder-Training sind auch ein paar Mädchen dabei, die allermeisten aber sind Jungs beziehungsweise junge Männer.
Erlangen bezeichnet Igor Krotter, der auch in Bad Windsheim und Neustadt trainiert, als "Stützpunkt". Hier soll die Gruppe auch noch weiter wachsen, sobald es die Möglichkeiten dafür gibt. Gerne würde der Coach jeweils Einheiten für Kinder, Erwachsene, Anfänger, Fortschritte sowie Leistungssportler und auch eine Fitness-Box-Gruppe anbieten. Dafür fehlen aber Hallenzeiten in der Stadt. "Ich habe viele Interessenten: Mädels, Kinder, Erwachsene, denen ich schon absagen musste." Es gibt mittlerweile sogar schon eine Warteliste, weil nicht mehr Sportler mittrainieren können. Die Erfolgsgeschichte hat nämlich gerade erst angefangen.
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