Erlangen: Schwimmunterricht für Geflüchtete

Christoph Benesch

Erlangen

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17.1.2020, 15:00 Uhr
Erlangen: Schwimmunterricht für Geflüchtete

© SV Erlangen

Susanne Semmler musste nicht lange überlegen. Sie wusste nur eines: dass sie helfen will. "Es war die Zeit, als ständig so schlimme Nachrichten über Fernsehen und Radio liefen", sagt die 28-Jährige. Da waren die Menschen, die auf der Flucht vor Krieg und Vertreibung ertranken. Und die Familien, die es zwar übers Meer bis zu uns schafften – aber im vermeintlichen Glück in Badeseen starben, weil ihre Kinder nie gelernt hatten zu schwimmen und die Gefahren unterschätzten. "Ich dachte mir: Wir sind der Schwimmverein. Da können wir doch helfen", sagt Semmler.

Der Sommer 2015 war heiß und trocken, die Menschen strömten in Freibäder und an Badeseen – es musste schnell gehen. Und so nutzte die Berufsschullehrerin die Sommerferien, um einen ersten Kurs für Nichtschwimmer zu organisieren. Mit Helfern der SSG 81 Erlangen, ihres Vereins, telefonierte sie die Flüchtlingsunterkünfte ab, rief in den Helfergruppen im Röthelheimpark, an der Wirtschaftsschule, an der Dechsendorfer Brücke, an den Wohnwagensiedlungen am Albert-Schweitzer-Gymnasium an. "Alle, die wir angesprochen haben, sagten sofort zu und waren begeistert", sagt Susanne Semmler.

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Also fuhr sie eines Tages mit acht weiteren Schwimmlehrern ins Röthelheimbad und wartete. "Ich hatte keine Ahnung, wie viele Menschen wirklich kommen würden." Die Resonanz war überwältigend: Rund 40 Geflüchtete von drei bis 30 Jahren hatten sich getraut. Badehosen, Badeanzüge und Handtücher hatten sie von ihren Helferkreisen erhalten, auch der Schwimmverein hatte nicht mehr benötigte Schwimmsachen eingesammelt und verschenkt.

Erlangen: Schwimmunterricht für Geflüchtete

© SV Erlangen

Die anfängliche Zurückhaltung wich bald der Neugier, die Angst vor dem Wasser der Freude am Plantschen. Wer anfangs noch zaghaft durchs Nichtschwimmerbecken watete, sprang nach wenigen Tagen bereits voller Freude vom Startblock.

"Es war toll zu sehen, wie viel wir den Kindern, aber auch den Eltern mit diesem Schwimmkurs geben konnten", erinnert sich Susanne Semmler. Und auch, welch gutes Gefühl sich in den Schwimmlehrern breit machte, weil sie unbürokratisch helfen konnten. Nur eines war schade: Dass die eine Woche Ferienkurs, finanziell unterstützt durch die Stadtwerke, bald vorbei war. "Wir haben gesehen, dass der Bedarf riesig ist – aber die Kapazitäten nicht vorhanden sind, um regelmäßig einen Kurs anzubieten. Schon vom Verein aus ist es schwer, Wasserzeit zum Training zu bekommen", sagt Anna Semmler, die in der Vorstandschaft aktiv ist.

Also fragten sie im Verein nach, ob die Mitglieder bereit waren, für dieses Hilfsprojekt einen Teil ihrer kostbaren Wasserzeiten zu teilen. "Alle haben sofort zugestimmt und stehen bis heute voll dahinter", freut sich Anna Semmler. Aus dieser spontanen Hilfsbereitschaft ist schnell eine regelmäßige, offene Schwimmstunde unter Leitung von Heike Nolden geworden. Bis zu 50 Kinder und Jugendliche kommen bis heute jeden Freitag zum Schwimmen. Einige konnten ihre Eltern motivieren, sich auch mal ins Wasser zu trauen: Frauen wie Männer unterschiedlichster Herkunft und Glaubensrichtungen nehmen seitdem bei der vereinseigenen Aquagymnastik teil, schließen Kontakte, lernen die fremde Sprache und schließen Freundschaften.

"Nicht nur viele Kinder haben bei uns Schwimmen gelernt", freut sich Susanne Semmler. Einige sind dabei geblieben und gingen sogar schon für die SSG 81 bei Wettkämpfen ins Wasser. Was aber noch viel wichtiger ist, vergisst man schnell: Wie viele Menschen ohne das selbstlose Engagement des Schwimmvereins vielleicht auch ertrunken wären.

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