Erst Gefängnis, dann Profifußball: Keita-Ruel erzählt seine Geschichte
16.1.2020, 12:40 UhrIn einem Verein, in dem die Mannschaft der Star sein soll, fällt Daniel Keita-Ruel definitiv auf. Kein anderer Spieler im Kader der Spielvereinigung Greuther Fürth erregt bundesweit mehr Aufsehen als der Stürmer mit den Tattoos und der Gefängnisvergangenheit. Und der 30-Jährige tut auch alles dafür, dass das so bleibt. Am heutigen Donnerstag erscheint seine Biografie "Zweite Chance – mein Weg aus dem Gefängnis in den Profifußball".
Das Buch erscheint aus einem simplen Grund: "Es hat damit zu tun, dass ich in Interviews immer dasselbe erzählt habe, immer nur oberflächlich. Denn es waren meistens die gleichen Fragen, man hätte die Antworten googeln können." Im Scherz fügt er hinzu:
"In Zukunft kann ich auf eine Interviewanfrage zu dem Thema sagen: Kauf dir mein Buch."
Nicht nur eine Abrechnung im Buch
Dem Rat sind tatsächlich schon einige Menschen gefolgt: Bereits vor einem Monat stand die Verkaufszahl laut Keita-Ruel bei 5000 Exemplaren. "Das ist ein Bestseller", sagt er selbstbewusst. Der Aufwand hat sich gelohnt. Zwei Monate lang hat der Autor Eren Güvercin aus Hamburg den Fußballer mehrmals die Woche interviewt, dazu Menschen, die ihn über seine Karriere hinweg begleitet haben: Gladbachs Manager Max Eberl, diverse Trainer sowie Fürths Sportgeschäftsführer Rachid Azzouzi.
"Fürth kommt sehr viel vor", sagt Keita-Ruel, "es fängt direkt mit dem ersten Meisterschaftsspiel an. Und Rachid erzählt gleich über mich." Das passt auch deshalb so gut, weil Azzouzi genau so einen Charakter in der Kabine haben wollte. "Er kennt die Schattenseiten des Lebens", sagte er bei der Verpflichtung vor eineinhalb Jahren dieser Zeitung.
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Das solle die Mitspieler erden und demütig machen in der Scheinwelt des Profifußballs. Die Gefahr abzuheben, sei groß – das weiß auch Keita-Ruel, der im Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) von Borussia Mönchengladbach war. "Das habe ich auch in meinem Buch gesagt: Die Jungs am NLZ können gar nichts dafür. Die bekommen alles in den Arsch gesteckt. Aber nur drei Prozent von denen werden Profis. Die anderen stellst du vor die Tür, und sie wissen nicht, wie man einen Brief versendet." Es ist nicht die einzige Abrechnung in diesem Buch. Er erinnert an einen Freund, der ihn einst vor Gericht verpfiffen hat. Keita-Ruel war an einem bewaffneten Raubüberfall beteiligt und hat einen Komplizen gedeckt.
Keita-Ruel ist kein reiner Sozialarbeiter in Fürth
Im Alter von 22 Jahren bekam er dafür fünfeinhalb Jahre Gefängnis aufgebrummt. Als Freigänger kämpfte er sich tatsächlich zurück in den Profifußball, spielte jedes Jahr eine Klasse höher – bis zur zweiten Liga in Fürth. Hier wirkt er als Torjäger – auch in dieser Hinrunde traf er bereits fünfmal – und als Korrektiv im Kader. Er beschreibt es in seiner Sprache so: "Es gibt andere Vereine, da zeigen dir 18-Jährige den Vogel, wenn du zu denen sagst: Trag mal die Bälle. Das ist das Gute hier: Wenn die Jungs hier ankommen, können die gar nicht auf arrogant machen, weil sonst kriegen die auf die Schnauze von uns."
Doch er ist kein reiner Sozialarbeiter geworden – auch an seinem eigenen Körper feilt er hart. Sein neuester Coup: Er isst seit dreieinhalb Monaten kein Fleisch mehr, "das tut mir nicht gut". Die Folge: zwei Kilo weniger auf der Waage, er wiegt jetzt 79 Kilo, verteilt auf 1,85 Meter. Das sieht man, er wirkt extrem drahtig, und beim Sprinten fühlt er sich spritziger.
In der Vorsaison Dauerbrenner, nun auf der Bank
Er musste wohl auch etwas verändern. In der Vorsaison noch Dauerbrenner, gab ihm Trainer Stefan Leitl zuletzt weniger Spielzeit, sprach teilweise tagelang nicht mit ihm, weil er mit der Trainingsleistung nicht einverstanden war. Keita-Ruel sagt: "Das war das erste Mal in meiner Karriere, dass ich auf der Bank war. Natürlich hat mich das angekotzt."
Doch anstatt zu schmollen, nimmt er sich vor: "Ich muss abliefern, dafür ist die Rückrunde da. Darauf liegt der ganze Fokus." Als das Interview vorbei ist, steht ein Hotelgast mit dem Handy vor ihm. Er fragt, ob er ein Selfie mit ihm machen dürfe. Mit dem Star der Spielvereinigung.
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