Frauen erobern den Männersport
23.10.2009, 00:00 Uhr
Dabei präsentiert sich das vermeintlich schwache Geschlecht sehr häufig als ungemein stark. Wäre es nach ihrer Mutter gegangen, wäre Dominique Feuchtinger beim Cheerleading geblieben. «Das ist nichts für Mädchen», hieß es, als die damals Neunjährige es ihrem älteren Bruder gleichtun und bei der SV Johannis 07 mit dem Ringen beginnen wollte. Jedoch bewies das junge Mädchen bereits im heimischen Clinch mit der Mutter dieselbe Durchsetzungskraft, die sie heute regelmäßig auf der Matte präsentieren darf. «Ich habe mich dann heimlich selbst angemeldet und bin zum Training gegangen», erzählt Dominique, die mittlerweile als ein großes Talent gilt und vergangenes Jahr Dritte bei den Bayerischen Jugendmeisterschaften wurde.
Die Männer trauten Saskia zunächst nichts zu
Bei ihrer Freundin Saskia Tröller, der diesjährigen Bayerischen Meisterin in der Frauenklasse, war der Gang auf die Matte sogar erwünscht. «Meine Mutter wollte, dass ich nicht so den typischen Mädchensport mache, um mich verteidigen zu können», verrät die 17-Jährige. Zusammen mit Dominique besucht sie an der Bertolt-Brecht-Schule eine Sportklasse. Durch die zusätzlichen Trainingseinheiten trainieren beide inzwischen sechs bis acht Mal pro Woche.
Als Saskia bei ihrem damaligen Heimatverein in Neumarkt mit dem Ringen begann, hatte sie es noch schwer: «Am Anfang wurde ich nicht respektiert. Da durfte ich nur das Aufwärmen mitmachen.» Verschenkte Zeit. Sie wechselte nach Nürnberg und erkämpfte sich in ihrem neuen Verein die Akzeptanz der männlichen Johannis-Ringer. «Hier wurde ich auch manchmal aufgezogen. Wie das halt so ist bei den Jungs. Es hat lange gedauert bis ich voll integriert war.»
Tina will an ihre Grenzen gehen
Auch bei Tina Stürmer gab es Bedenken. Doch bei ihr war es der Vater, der sein Töchterchen lieber Reiten oder Volleyball spielen als Boxen sehen wollte. «Er hat gesagt, dass es nicht unbedingt das ist, was er sich für mich wünscht. Aber ich wollte das unbedingt und deswegen mache ich es», sagt die 25-jährige Nürnbergerin selbstbewusst. Außerdem kenne sie die anderen Sportarten ja bereits. «Ich habe alles mal durchprobiert. Von Reiten bis Rock‘n‘Roll.» Zum Wettkampfboxen ist sie übers Fitnessboxen gekommen. «Ich wollte einfach eine Sportart machen bei der man sich so richtig auspowern kann und an seine Grenzen stößt.»
Im Hell‘s Kitchen-Studio in Nürnberg ist sie fündig geworden. Zweimal die Woche trainiert die junge Frau dort unter der Leitung von FCN-Boxcoach Metin Okcu. «Sie hat hier mit dem Fitnessboxen angefangen und ich habe gesehen, dass sie Talent hat und ehrgeizig ist. Daraufhin habe ich sie gefragt, ob sie nicht Lust hat, auch Wettkämpfe zu boxen», erinnert sich Okcu, der selber Jahre lang erfolgreich geboxt hat, an die erste Trainingseinheit mit seinem neuen Schützling. Und sie hatte Lust.
Auge in Auge mit der Gegnerin
Bis jetzt hat Tina Stürmer zwar nur trainiert und stand noch nicht richtig im Ring, aber sie freut sich schon sehr auf ihren ersten Kampf, Auge in Auge mit der Gegnerin: «Ich will in diesem Ring stehen und meine Grenzen überwinden. Und natürlich will ich mich mit anderen messen und besser sein.» Angst vor den Schlägen ihrer künftigen Kontrahentinnen hat die ehrgeizige Frau, die sich als Ziel den Gewinn der Deutschen Meisterschaft gesteckt hat, nicht. «Bevor ich eine kriege, teile ich lieber selber aus», kontert sie in echter Boxermanier.
Mit dem Boxen kennt sich auch Daniela Bartels aus. «Als ich das damals gemacht habe, haben mir meine Freunde nur gesagt, ich soll auf meine Nase aufpassen», erinnert sich die 38-jährige Pressefotografin. Mittlerweile hat sich die gebürtige Münchenerin jedoch anders orientiert. Kraftdreikampf heißt ihre neue Leidenschaft, der sie seit 2008 beim ASC Süd 07 nachgeht. Die Sportart umfasst die drei Kraftsportdisziplinen Kniebeugen, Bankdrücken und Kreuzheben.
Männersport schlechthin
«Dazu gekommen bin ich wie die Jungfrau zum Kind. Ich habe früher Volleyball gespielt, dann habe ich Ju-Jutsu gemacht und schließlich geboxt. Und beim Boxen gab es einen Kraftkeller. Da habe ich dann Blut geleckt», erinnert sich sie sich. Trotz ihrer erst kurzen Zeit als Kraftsportlerin kann sich ihre bisherige Erfolgsbilanz sehen lassen. Im vergangenen Jahr wurde sie Bayerische Meisterin im Kraftdreikampf sowie im Kreuzheben. Außerdem gewann sie bei den Deutschen Meisterschaften im Kreuzheben die Silbermedaille. Bei der Bayerischen Meisterschaft im Bankdrücken, die Anfang Oktober in Nürnberg ausgetragen wurde, stemmte Bartels, die in der Gewichtsklasse bis 70 Kilogramm an den Start ging, 85 Kilogramm und erreichte Platz zwei.
Gerade Kraftsport gilt allgemein immer noch als der Männersport schlechthin. Mit mangelnder Akzeptanz von Seiten ihrer männlichen Kollegen hatte Bartels, die eine von drei Frauen im Verein ist, allerdings nicht zu kämpfen. «Kraftdreikampf ist eine große Familie. Jeder hilft hier jedem. Man kennt und respektiert sich», sagt Bartels.
Kampf mit den Eltern
Und auch die im Kraftsport obligatorischen Dopingtests sind für Männer wie Frauen verbindlich. «Mir sind diese Kontrollen unglaublich wichtig. Ich bin absolut für einen sauberen Sport. Wenn ich das Geld hätte, würde ich jede einzelne Probe selbst bezahlen», unterstreicht die Sportlerin den Sinn der Maßnahmen.
Doping wird im Motorradsport als Frisieren bezeichnet. Aber so etwas käme für die dreifache deutsche Enduro-Vizemeisterin (2006, 2007, 2008) Martina Singer ebenso wenig in Frage wie für Daniela Bartels das Einnehmen kraftsteigernder Präparate. Und wie bei Ringerin Dominique Feuchtinger stand am Anfang von Singers Karriere ein Kampf mit den Eltern.
Martina kämpfte für ihren Traum
«Meine Mutter hat es strikt verboten, dass ich einen Motorradführerschein mache», erinnert sich die 37-jährige Programmiererin. Aber auch sie kämpfte für ihren Traum und setzte sich durch. «Nach der Lehre, da war ich zwanzig, habe ich mich heimlich in einer Fahrschule angemeldet», verrät sie. Aufgeflogen sei das ganze erst, als ihre Mutter, kurz vor der Prüfung, die Theoriebögen gefunden hat. Jedoch zu spät.
Mit dem ersten Geld kaufte sich Martina Singer ihre erste Maschine. «Ich bin dann nicht mehr Auto, sondern nur noch Motorrad gefahren. Auch im Winter», erinnert sich die Zirndorferin mit leuchtenden Augen. Über das Motorradfahren lernte sie auch ihren Mann Heinz kennen, der bis vor drei Jahren ebenfalls im Motorrad-Geländesport erfolgreich war.
Erfolg ist das Größte
Ihr erstes Enduro-Meisterschaftsrennen absolvierte Singer schließlich 2003. Etwas, dass ihr viele ihrer männlichen Freunde und Vereinskollegen - Singer war 2001 dem AMC Zirndorf beigetreten und ist seit 2006 für den MSC Aischgrund aktiv - niemals zugetraut hatten: «Die haben immer gesagt, dass geht nicht. Du bist zu klein und zu schwach. Und ich dachte mir, das muss gehen», sagt Singer und der Erfolg gibt ihr Recht.
Auch die Kosten für Verschleißteile und Benzin - diese können mehrere tausend Euro jährlich betragen - schrecken sie nicht ab: «Da geht zwar jeder Cent drauf, aber ich wollte nie etwas anderes machen. Es ist einfach das Größte, wenn man dann damit auch noch Erfolg hat», schwärmt Martina Singer.