Elfmeter-Skandal

Hitzige Debatte um EM-Aus: Hat eine Schiedsrichterentscheidung Deutschland das Halbfinale gekostet?

Georgios Tsakiridis

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6.7.2024, 10:34 Uhr
Spaniens Marc Cucurella stoppt einen Schuss von Jamal Musiala im eigenen Strafraum mit der Hand.

© Tom Weller/dpa Spaniens Marc Cucurella stoppt einen Schuss von Jamal Musiala im eigenen Strafraum mit der Hand.

Unbestreitbar war das Viertelfinal-Duell zwischen Spanien und Gastgeber Deutschland an Spannung kaum zu überbieten. Den Führungstreffer der Südeuropäer glich die deutsche Elf in buchstäblich letzter Minute der regulären Spielzeit aus. Dass auch Spanien späte Tore erzielen kann, bewiesen die Favoriten dann in der 119. Minute - kurz vor Ende der Verlängerung und dem schon greifbaren Elfmeterschießen. Was folgt, sind Tränen der bitteren Enttäuschung und absolute Leere nach dem tragischen EM-Aus für Deutschland. Der große Traum ist geplatzt, die aufopfernd kämpfenden DFB-Profis trotz mehr als formidabler Leistung am Boden. Doch es hätte es so weit kommen dürfen? Hat eine Schiedsrichterentscheidung die Partie mit entschieden?

An einer wichtigen Szene im Spiel entzünden sich darüber heftige Diskussionen: Der Spanier Marc Cucurella hatte in Minute 106 einen Schuss von Jamal Musiala im Strafraum an den Arm bekommen. Der englische Schiedsrichter Anthony Taylor entschied aber nicht auf Strafstoß, auch der VAR griff nicht ein. Für einige Experten eine unerklärliche Fehlentscheidung. "Ein klareres Handspiel gibt es nicht im Fußball", sagte der verärgerte Michael Ballack beim Streamingdienst MagentaTV. Auch Ex-Schiri Manuel Gräfe, der im "ZDF"-Studio zu Gast war, konnte die Entscheidung nicht nachvollziehen. Cucurella habe mit seinem Arm ganz klar die Körperfläche vergrößert und den gefährlichen Schuss geblockt - ein klarer Elfmeter. Auch, dass weder der VAR eingriff, noch sich Taylor die Szene nochmal ansah, bezeichnete der ehemalige Weltklasse-Referee als unverständlich. "ARD"-Experte Bastian Schweinsteiger erklärte zudem: "Neun von zehn Mal wird da Elfmeter gepfiffen."

Experten sind unterschiedlicher Meinung

Die frühere Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus-Webb versuchte zu klären. "Der Schuss kommt aus einer kurzen Distanz, ist wahnsinnig scharf geschossen. Ist es eine unnatürliche Vergrößerung der Körperfläche – ja oder nein? Der Schiedsrichter hat sich dafür entschieden, dass es eine relativ natürliche Bewegung ist." Der Videoassistent könne nicht unterstützen, "weil es keine glasklare Fehlentscheidung ist". Sie könne es "nachvollziehen, glaube aber, dass eine andere Entscheidung auch möglich gewesen wäre", so Steinhaus-Webb. Der Schuss von Musiala wäre aufs Tor gegangen, "wahrscheinlich sogar ins Tor und es gibt keinen Elfmeter, das kann ich nicht nachvollziehen", monierte Nagelsmann die Regelauslegung von Schiedsrichter Taylor - und ging sogar einen Schritt weiter.

Nagelsmann plädierte laut "dpa" für eine Regelanpassung, die die Flugbahn des Balles berücksichtigt. "Wenn Jamal den Ball in die Stuttgarter Innenstadt schießt und Cucurella den Ball mit der Hand berührt, will ich dafür keinen Elfmeter haben, wenn der Ball aber aufs Tor kommt und der Spieler stoppt ihn mit der Hand, dann muss es eine andere Bewertungsgrundlage sein", sagte der 36-Jährige. Der Bundestrainer sprach sich demnach für den Einsatz neuer Technik aus. "Es gibt 50 Roboter, die uns Kaffee bringen, dann gibt es auch KI, die berechnet, wo die Flanke runterkommt", so Nagelsmann.

Reaktionen nach der Niederlage

Entsprechend enttäuscht fielen die Reaktionen der Beteiligten auf den Last-Minute-K.o. gegen Spanien aus. "Ich kämpfe mit den Tränen. Die Jungs haben in den letzten sechs Wochen echt viel reingeschmissen. Heute haben sie unverdient verloren. Wir haben in einem Land, was zu viel in Tristesse versinkt, etwas geweckt", sagte der Bundestrainer.

Auch Toni Kroos, der mit diesem Spiel seinen Abschied vom aktiven Fußball erlebt, tat sich schwer, die richtigen Worte zu finden: "Jetzt im Moment überwiegt das Turnier-Aus, das steht jetzt im Vordergrund, weil wir alle gemeinsam ein großes Ziel hatten. Dieser Traum ist jetzt geplatzt." Joshua Kimmich ergänzte: "Es fühlt sich sehr ungerecht an. Wir haben eigentlich noch einen Handelfmeter vor dem 2:1, da ist schon sehr viel gegen uns gelaufen leider. So eine Heim-EM kommt nur einmal im Leben." Sturmkante Niclas Füllkrug gab zu Protokoll, dass es gerade keinen Ausweg gebe, seinen Gefühlen aus dem Weg zu gehen.

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