"Manchmal nervt er"

Nach Traumtor: Bellingham wird gefeiert - und erntet Kritik für obszöne Geste

Sara Denndorf

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1.7.2024, 11:57 Uhr
Jude Bellingham traf per Fallrückzieher gegen die Slowakei.

© IMAGO/Sebastian Frej/IMAGO/Sebastian Frej Jude Bellingham traf per Fallrückzieher gegen die Slowakei.

Ein nicht nur sehenswertes, sondern vor allem auch unglaublich wichtiges Tor erzielte Jude Bellingham beim 2:1-Achtelfinal-Krimi gegen die Slowakei: Die englische Nationalmannschaft war nach einer abermals enttäuschenden Leistung und einem 0:1-Rückstand so gut wie ausgeschieden, da setzte der Shootingstar von Real Madrid in der Nachspielzeit zum Fallrückzieher an. Tor für England, Verlängerung - und wenig später dann der Siegtreffer für die "Three Lions". Ja, Bellingham bewahrte seine Mannschaft vor dem Aus und avancierte dank seines Treffers abermals zum Matchwinner. Im Nachgang erntet er jedoch auch heftige Kritik, die sind insbesondere auf seinen Jubel bezieht.

Denn: Nach dem umjubelten Ausgleich griff der 21-Jährige mit der rechten Hand und gespreizten Fingern in Richtung seines Genitalbereichs und führte eine Art Schaukelbewegung durch. Die Geste, so der Vorwurf, habe der Slowakei-Bank gelten sollen. Kurz nach Schlusspfiff stellte der englische Hoffnungsträger auf Twitter-Nachfolger "X" klar: "Das war eine Insider-Witz-Geste gegenüber einigen engen Freunden, die beim Spiel waren. Nichts als Respekt dafür, wie das slowakische Team heute Abend gespielt hat." Außerdem schrieb der Ex-Dortmunder: "Du bist 30 Sekunden davon entfernt, nach Hause zu fahren und das Gefühl zu haben, eine ganze Nation im Stich gelassen zu haben. Und in 30 Sekunden und mit einem Schuss kann sich alles ändern."

Doch nicht nur aufgrund der vermeintlich obszönen Jubelgeste zog der englische Matchwinner den Unmut einiger Fußball-Fans auf sich. Der Champions-League-Sieger von Real Madrid soll bereits während des Spiels negativ aufgefallen sein: Einem Bericht von "t-online.de" zufolge soll Bellingham mehreren am Boden liegenden Gegenspielern abfällige Kommentare zugeworfen haben.

"Manchmal nervt der mich", konstatierte demnach ZDF-Experte Christoph Kramer. Der deutsche Weltmeister von 2014 schoss sich in seiner Analyse regelrecht auf den Engländer und dessen mitunter abfälliges Verhalten gegen Gegner und auch Teamkollegen ein: "Worauf man wirklich aufpassen muss, ist wenn er in seinem Alter bei Mitspielern abwinkt. Wenn man in dem Alter Messi oder Ronaldo gesehen hat, mit 20, das war mal was anderes. Er kommt zwar von einer Welle nach einer tollen Saison. Aber er muss jetzt aufpassen, dass das nicht blöd weitergeht bei ihm." Zwar hält Kramer den Ex-Dortmunder für einen "herausragenden Spieler", er müsse aber "aufpassen, dass er nicht anfängt, Allüren zu bekommen in dem ganz jungen Alter". Angesichts dieser Entwicklung hofft der ZDF-Experte, dass sich Bellingham nach dem Turnier "so ein bisschen reflektiert".

Abgesehen von sämtlicher Kritik ist die sportliche Qualität des offensiven Mittelfeldspielers kaum zu bestreiten: Obwohl der 21-Jährige bei Weitem keine überragende Performance gegen die Slowakei geboten hat, genügte sein Geniestreich, um den Weg der abermals enttäuschenden Engländer ins Viertelfinale zu ebnen.

"Three Lions"-Kapitän Harry Kane, der zu Beginn der Verlängerung der Siegtor erzielte, lobte seinen Mannschaftskameraden: "Das war eines der besten Tore in der Geschichte unseres Landes. Was für ein Spieler er ist, er hat uns bei dieser EM am Leben gehalten. Er arbeitet so hart für das Team und in den großen Momenten liefert er." Auch Gareth Southgate, dessen Ära als englischer Nationaltrainer zwischenzeitlich vor dem Ende stand, hob Bellingham hervor: "Er hat einen unglaublichen Einfluss, obwohl er noch ein junger Mann ist. Er wird Sachen sagen und reagieren, wie das ein junger Mann macht, aber er kann große Spiele entscheiden und das ist das, was er gemacht hat."

Denn, zur Wahrheit gehört auch, dass Jude Bellingham in seinem zarten Alter von 21 Jahren bereits zum absoluten Hoffnungsträger der Engländer zählt und demzufolge auch reichlich Druck auf dem Mittelfeldspieler lastet. Dass er etwa bei seinem Torjubel "Who else?" schrie, begründete er wie folgt: "Ich glaube, das Adrenalin macht einen verrückt. Aber es ist eine Kombination aus vielen Dingen. Für England zu spielen ist ein schönes Gefühl, aber es bedeutet auch viel Druck, und man hört, dass die Leute viel Unsinn reden."

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