Letzte Ausfahrt nach Berlin

Rivalität und Partystimmung: Niederlande oder England - wer ist Favorit im zweiten EM-Halbfinale?

Georgios Tsakiridis

E-Mail zur Autorenseite

10.7.2024, 18:23 Uhr
Die Trainer Gareth Southgate (l) von England und Ronald Koeman von den Niederlanden begrüßen sich vor dem Spiel. Am Mittwoch sehen sich beide im EM-Halbfinale wieder.

© Martin Meissner/Martin Meissner/AP/dpa Die Trainer Gareth Southgate (l) von England und Ronald Koeman von den Niederlanden begrüßen sich vor dem Spiel. Am Mittwoch sehen sich beide im EM-Halbfinale wieder.

Als wäre das Aus gegen Spanien nicht schlimm genug, müssen (oder dürfen) sich die deutschen Fans als Nächstes ansehen, wie unsere zwei größten Erzrivalen im Fußball das letzte Ticket nach Berlin unter sich ausmachen. Zu den Niederlanden pflegen wir eine eher humorvolle Halb-Freundschaft, zu England eine echte - teils ungesunde - Rivalität. Die Fans von der Insel lassen auch fast 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs selten eine Gelegenheit verstreichen, uns an den Ausgang jenes von Deutschland begonnenen Frevels an der Menschheit zu erinnern. Nicht umsonst hat die Polizei im Vorfeld der EM die englischen Fans gebeten, das Singen von Liedern wie "ten german bombers" zu unterlassen - mit wenig Erfolg. Aber nun geht es um Fußball.

In der Weltrangliste stehen beide Mannschaften eng beieinander, beim Marktwert liegen allerdings Welten zwischen unseren Nachbarn und den Stars vom Eiland. Beinahe doppelt so hoch taxiert das Portal "transfermarkt" den Wert der englischen Mannschaft. Dass das nicht viel zu sagen haben muss in Bezug auf das Endergebnis, haben am Dienstag die Spanier gegen die "wertvolleren" Franzosen bewiesen. Die Engländer standen schon vor drei Jahren im Endspiel, verloren aber ausgerechnet in Wembley gegen Italien. Getragen von ihren euphorischen Fans träumt die "Elftal" dagegen vom ersten EM-Endspiel seit 20 Jahren.

England bei Buchmachern vorne

Auf dem Papier der Buchmacher liegen die Briten trotz der bisher wenig ansprechenden Leistungen vorne. Doch über die "Three Lions" ergoss sich während des gesamten Turniers medial und vom eigenen Anhang ob des Spielstils reichlich Kritik. Einige englische "Anhänger" warfen sogar Bierbecher nach Nationaltrainer Gareth Southgate.

Die Niederländer haben sich bei Turnieren in jüngerer Vergangenheit allerdings auch nicht mit Ruhm bekleckert. Sie fehlten bei der EM 2016 und auch zur WM 2018 fuhr der Teilnehmerzug ohne Holland. Aber nun flammt die Fußball-Liebe im Land wieder auf. Edgar Davids, Clarence Seedorf, Arjen Robben, Robin van Persie oder Ruud van Nistelrooy: Die großen Namen von früher fehlen. Dafür ist das Kollektiv die neue Stärke. Vier Stammspieler der aktuellen Generation sind zudem in der Premier League beschäftigt, also eigentlich England-Experten.

Englische Presse schießt gegen Schiedsrichter

Für das mit Brisanz geladene Halbfinale ist der deutsche Schiedsrichter Felix Zwayer angesetzt. Der englische Boulevard zittert deshalb schon und titelt von einem "Schiri-Albtraum". Damit spielen die englischen Medien auf Zwayers Vergangenheit an. Der Referee war 2005 in den Manipulationsskandal um Robert Hoyzer verwickelt. Von den Niederländern sind diesbezüglich keine Misstöne zu vernehmen. Der Fokus auf das Wesentliche als Erfolgsrezept? - das hat für unsere Nachbarn schon einmal funktioniert.

Bei der EM 1988 in Deutschland belohnte sich das Legenden-Ensemble mit dem bislang einzigen großen Titel für die Niederlande. Der jetzige Nationaltrainer Ronald Koeman war beim Triumph damals Abwehrchef. Gut möglich, dass "Oranje" sich das Beste für die Schlusswoche aufgehoben hat. Ein vermeintliches Omen: Bei Turnieren in Deutschland (WM 1974 und EM 1988) hat Oranje bislang jedes Halbfinale überstanden. Im Fall eines Sieges wäre es das dritte Mal, dass die Niederlande hier ein Endspiel bestreiten.

Verwandte Themen


Keine Kommentare