Handballstars im Wohnzimmer: Auch Weinhold schaut vorbei
2.5.2021, 10:40 UhrSie lassen sich wirklich etwas einfallen, doch das müssen sie auch, denn die Lage ist ernst: Die HG Zirndorf bietet für ihre kleinsten Handballspielerinnen und -spieler seit Februar jeden Mittwoch ein Online-Training an. Doch von den 40 Sechs- bis Achtjährigen, die noch vor dem Lockdown ins Training kamen, schalten nur noch rund 15 ihren Computer ein, um die Übungen mitzumachen. Darunter auch E- und D-Junioren. Es ist eben einfach nicht dasselbe wie richtiges Training.
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Damit wenigstens sie am Ball bleiben, erscheinen echte Hochkaräter auf dem Bildschirm: Von Europameister Steffen Weinhold bis Weltmeister Sebastian Preiß geben aktive und ehemalige Handballprofis den HGZ-Minis Tipps, machen Übungen vor und beantworten anschließend die Fragen der Kinder. "Die häufigsten Fragen sind: Was isst du am liebsten, warst du früher auch schon mal Einlaufkind in der Bundesliga, willst du mal Trainer werden und wie viele Tore hast du geworfen?", berichtet Volker Berdich.
Er bildet mit Burcin und Maximilian Persch, Kyra Pöppl und Svenja Pfrengle das Trainerteam der HGZ-Minis. Das Konzept für eine Trainingsstunde am Mitwochnachmittag ersonnen sie im Januar. Nach zwei Einheiten kam die Idee mit den "Studiogästen" hinzu. Denn die Historie der HG und des Vorläufers TSV Zirndorf ist reich an großen Handballern. So machte Steffen Weinhold den Anfang, denn der Oberasbacher begann seine Laufbahn in Altenberg und Zirndorf, ehe er beim HC Erlangen durchstartete.
Zur Faschingszeit verkleidete sich der Nationalspieler als Löwe, die Kinder machten ihm als Tiere, Iron- und Spiderman die Übungen vor, die sie bislang im Online-Training gelernt hatten. Weinhold konterte mit Koordinationsübungen und Sprüngen um die eigene Achse und endete mit Dehnübungen. Nico Büdel, Profi beim HC Erlangen, berichtete, dass er sich überwiegend vegetarisch ernähre.
Sebastian Preiß gibt Tipps für die Karriere
Viel gelacht wurde auch zuletzt bei Sebastian Preiß, ebenfalls Jugendspieler beim TSV Zirndorf. Auch er schaffte es über den HC Erlangen in den Welthandball, wurde 2007 Weltmeister. Er verriet den Kindern, dass er am liebsten Fußball zum Aufwärmen spielte und mit einer 20-Kilo-Hantelscheibe trainierte. Ihn löcherten die Kinder fast eine halbe Stunde mit Fragen. Seine Botschaft: Weil er sich immer gegen robustere Jugendliche bei Trainingseinheiten mit dem älteren Jahrgang durchsetzen musste, rät er das jedem jungen Handballer, der sich verbessern möchte.
Und so geben sich von Handballtrainer Stefan Mittag bis zur Bundesligaspielerin Teresa von Prittwitz die Handball-Promis die Klinke in die Hand, meistens Leute mit fränkischer Vergangenheit, aber nicht nur. "Es hat sich herumgesprochen", sagt Volker Berdich ein wenig stolz. Die nächsten Gäste, darunter etwa ein Zweitliga-Schiedsrichter, kämen mittlerweile nach Empfehlungen auf die Zirndorfer zu. Kyra Pöppl hat bei Weltmeister Dominik Klein, einem Unterfranken, angefragt, bei einigen bemüht Berdich alte Verbindungen - Nico Büdel kontaktierte er über Instagram mit der Frage: "Kennst du mich noch?"
Und Berdich kennen viele. Denn der 42-Jährige trainierte mit Unterbrechung 20 Jahre lang Mannschaften. Die Grundschule in Katzwang, in der er Lehrer ist, ist dank ihm Partnerschule des HC Erlangen. Er spielte selbst für den TSV Altenberg, TSV und HG Zirndorf, mit Sebastian Preiß in der Bayerischen Oberliga und in der Bayernauswahl. Da Verletzungen eine Karriere verhinderten, machte er sich als Funktionär nützlich, war zwischenzeitlich Referent für Kinderhandball in Mittelfranken. "Daher kenne ich viele."
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Als Trainer war eine Spielerin die heutige Frau von Steffen Weinhold, sie ist wiederum die Schwester von Trainerin Svenja Pfrengle. In Zirndorf wird die große Handballwelt zum Dorf, in dem jeder jeden kennt. Und das versucht die HGZ zu nutzen. "Der Gedanke dahinter ist: Wir wollen mit den Kindern den Kontakt zu der Sportart halten, damit das nicht wegrutscht."
Juniorennationalspielerinnen turnen perfekt vor
Es gehe darum, ein bisschen mehr zu bieten, "damit das Interesse erhalten bleibt". Man könnte schließlich auch einfach Videos von großen Handball- oder Basketballmannschaften verlinken "und sagen: viel Spaß damit". Doch an dem Live-Format finden anscheinend auch die Gäste selbst Gefallen. Juniorennationalspielerinnen etwa "turnen sehr gut vor und dabei passt auch noch die Kameraeinstellung perfekt", während der 34-jährige Weinhold immer mal wieder kurz aus dem Bild verschwand. Die Devise war: "Je jünger desto professioneller wirkte das."
Doch im Prinzip ist es nur wichtig, dass überhaupt etwas passiert. Berdich sieht den Vereinsnamen "Handballgemeinschaft Zirndorf" in diesen Tagen nicht nur als Worthülse: "Es ist momentan wirklich eine Gemeinschaft, das kommt bei dieser Aktion zum Tragen. Das Netzwerk hält zusammen und versucht, aus dieser krisenhaften Situation das Beste herauszuholen."
Obwohl alle den Kopf in den Sand steckten, komme mit dem Online-Training etwas Sinnvolles dabei heraus. Seit Februar ziehen sie das in Zirndorf jetzt durch. Wie lange? "Solange bis wir sinnvoll rausgehen können. Die Fünf-Kinder-Geschichte bringt uns nichts", sagt Volker Berdich, der mit fünf Kindern kein sinnvolles Handballtraining abhalten kann und will.
Wer neugierig geworden ist und mittwochs um 16.30 Uhr am Onlinetraining der HGZ teilnehmen will, kontaktiert den Verein über die Facebookseite oder die Website.
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