Der Druck des Favoriten
Was für den HC Erlangen gegen den ASV Hamm die größte Aufgabe war
10.4.2023, 18:16 UhrZwei Spiele hat der ASV Hamm-Westfalen in dieser Saison erst für sich entscheiden können, dazu kam noch ein Unentschieden. An jedem der 26 Spieltage hatte der Aufsteiger bisher die Rolle des Außenseiters inne, meistens die des krassen Außenseiters. Die Strategie für die Mannschaft von Michael Lerscht ist deshalb immer die gleiche: nerven, möglichst lange mithalten, in den Kopf des Gegners kommen - und bei Auswärtsspielen: die Erwartungshaltung des Publikums zum eigenen Vorteil nutzen.
"Ich glaube, dass immer ein gewisser Druck da ist - gerade für die Heimmannschaft - gegen uns anzutreten, weil der Sieg vorprogrammiert wird", sagte Lerscht am Ostersonntag, nachdem der HC Erlangen den vorprogrammierten Sieg in der Arena Nürnberger Versicherung trotz des Drucks eingefahren hatte.
Bis zur 39. Minute im Kopf
Tatsächlich war es den Gästen gelungen, zu nerven, mitzuhalten, in die Köpfe der Erlanger zu kommen und auf der Tribüne für das ein oder andere Raunen zu sorgen. Zumindest bis zur 39. Minute. Die restlichen 21 nutzten die Gastgeber, um sich und den Fans einen am Ende doch sehr souverän aussehenden 37:27 (16:14)-Heimsieg ins Osternest zu legen.
Der HC Erlangen hat in der Handball-Bundesliga inzwischen nur noch selten die Rolle des Außenseiters inne, die des krassen Außenseiters noch seltener. "Das einfachste Spiel der Saison ist immer das gegen Kiel", sagte Nikolai Link vor der Partie. Am Samstag hatte der Verein verkündet, dass der dienstälteste Profi des HCE mindestens eine weitere Saison in Erlangen bleibt. Keiner kennt sich besser aus mit der hiesigen Erwartungshaltung. Gegen Kiel rechnet in Erlangen niemand mit einem Sieg, man kann nur gewinnen. Umgekehrt kann man gegen Hamm: eigentlich nur verlieren - sagte Link zwar nicht wörtlich, meinte es aber wohl genau so, ohne den nötigen Respekt vermissen zu lassen.
Am Sonntag sprach zunächst nicht viel für eine Überraschung. Als Link nach gut elf Minuten den Gästen den Ball klaute, ihn im Tor unterbrachte und Lerscht um eine Auszeit bat, leuchtete bereits ein 8:2 auf der Anzeigetafel. Hamm stellte um, nahm bei Ballbesitz den Torhüter vom Feld und kämpfte sich in Überzahl bis zur Halbzeitpause wieder heran. Nach dem Seitenwechsel glückte sogar der zwischenzeitliche Ausgleich zum 16:16, das Raunen auf den Rängen wurde lauter.
Alonso ist "sehr glücklich"
"Ich bin sehr glücklich, wie wir dieses phasenweise spannende Spiel überstanden haben", sagte Raul Alonso bei der Pressekonferenz, nachdem sein Kollege den Exkurs über vorprogrammierte Siege beendet hatte. Auch der Erlanger Trainer hat ja schon erlebt, dass seine Mannschaft nicht immer im Stande war, die Favoritenrolle auszufüllen.
Diesmal gelang das seinen Spielern. Weil sie sich nach der Pause besser auf das Sechs-gegen-Sieben eingestellt hatten. Weil sie in der Abwehr besser zupackten. Und weil sie konsequenter ausnutzten, dass das Tor des Gegners zuweilen verwaist war.
23:18 stand es nach 39 Minuten, die Gäste stellten wieder um auf Sechs-gegen-Sechs, aber ohne nachhaltigen Erfolg. Klemen Ferlin entschärfte in der Folge und unter den Augen des früheren (Fußball-)Welttorhüters Manuel Neuer jeden zweiten Ball, der auf sein Tor kam, als Justin Kurch den Endstand herstellte, hatten sich die 4159 Zuschauerinnen und Zuschauer erhoben - und war der Druck längst aus der Arena entwichen.
Erlangen: Obling, Ferlin; Steinert 11/8, Olsson 6, Firnhaber 3, Heiny 3, Metzner 3, Büdel 3, Bialowas 3, Jeppsson 2, Link 1, Zechel 1, Kurch 1, Sellin, Zehnder.
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