Hecking: "Ein sinkendes Schiff hätte ich nicht verlassen"

24.12.2012, 06:58 Uhr
Hecking:

© dapd

Herr Hecking, auf die Frage, wer denn gerade so um Sie werbe, haben Sie beim Mittagessen am Montag gesagt, ich solle sie stellen, wenn der Sportdirektor nicht dabei ist. Es war mehr als nur ein Spaß?

Dieter Hecking: Nein, am Montag wusste ich noch nichts, später habe ich gehört, dass ich in Wolfsburg einer von zwei Kandidaten sei. Als es dann hieß, Bernd Schuster würde Trainer beim VfL werden, dachte ich: Okay, das wird dann auch passen. Erst am Donnerstag wurde ich gefragt, ob ich mir einen Wechsel vorstellen könnte.


Dann haben Sie was getan?

Hecking: Ich habe zwei Tage mit mir gerungen, ich habe schlecht geschlafen, ich habe viel nachgedacht.



Und den Ausschlag für den VfL hat dann Ihr Ehrgeiz gegeben, auch einmal um Titel mitzuspielen? Oder war es die Nähe zur Familie in Bad Nenndorf?

Hecking: Ich weiß ja, was manche jetzt denken: Wenn Wolfsburg mit Geldscheinen wedelt… Aber Sie kennen mich lange und gut genug: Um wirtschaftliche Angelegenheiten geht es mir gar nicht, und die Nähe zur Familie war auch nicht ausschlaggebend, obwohl das im Gesamtpaket natürlich nicht gegen den VfL sprach. Ausschlaggebend waren sportliche Gründe. Klaus Allofs (Sportgeschäftsführer beim VfL, d. Red.) hat mir aufgezeigt, wohin der Verein will. Es ist ein reizvolles Ziel, dauerhaft um internationale Plätze zu spielen, ich glaube, dass ich gemeinsam mit Klaus Allofs viel bewegen kann – die Chemie zwischen uns hat sofort gestimmt, er ist ein ähnlicher Typ wie Martin Bader. Aber ich will da noch nicht ins Detail gehen, außerdem bin ich kein Mensch, der jetzt Sprüche raushaut, das wissen Sie – es geht um harte Arbeit.

Einem Bernd Schuster vorgezogen zu werden, ist natürlich auch eine Ehre, oder? Offenbar blickt die Branche doch nach Nürnberg.

Hecking: Wir haben hier gemeinsam einiges aufgebaut, das hat man schon wahrgenommen – Klaus Allofs hat mir meine Vorzüge genannt, aber das will ich jetzt nicht vertiefen.

Martin Baders Freude über den Wechsel hält sich genau deshalb natürlich in Grenzen …

Hecking: Martin war enttäuscht, natürlich, er hat alles versucht, um mich zu halten. Und ich weiß ja, was ich Nürnberg zu verdanken habe. Es war eine fantastische, emotionale Zeit bei einem großartigen Verein; Martin hat auch in kritischen Phasen immer fest zu mir gestanden – weil er wusste, wie ich arbeite. Natürlich fällt so ein Abschied sehr schwer.



Und man hätte sich nicht erst im Sommer, nach der Saison, trennen können?

Hecking: Die Angelegenheit wäre doch nicht unter der Decke geblieben. Nach drei, vier schlechten Spielen hätte es geheißen: Klar, der Trainer ist doch mit dem Kopf schon in Wolfsburg. Es hätte beiden Seiten nicht gut getan.

Der erste Gedanke war aber trotzdem tatsächlich: Jetzt wechseln, das tut Dieter Hecking nicht.

Hecking: Das verstehe ich – und es wird wohl auch nicht jeder begreifen, dass so eine Chance so vielleicht gar nicht wiederkommt. Mir ist wichtig, damit jetzt offen und ehrlich umzugehen, ich habe keine Sekunde daran gedacht, das Angebot des VfL zu irgendwelchen Verhandlungen zu nutzen. Und es war beiden Parteien klar, dass es die Möglichkeit gibt, aus dem Vertrag auszusteigen – sonst hätte ich es vielleicht gar nicht getan. Ich habe jetzt mit allen Menschen telefoniert, mit denen ich beim Club eng zusammengearbeitet habe, und ich hatte den Eindruck, dass sie alle traurig sind, aber mich auch verstehen können.

Haben Sie keine Bedenken, einen Verein zu hinterlassen, der jetzt eine beträchtliche sportliche Lücke füllen muss?

Hecking: Ein sinkendes Schiff hätte ich bestimmt nicht verlassen. Es ist natürlich hypothetisch, aber hätten wir jetzt nur 14, 15 Punkte, hätte sich die Situation ganz anders dargestellt. Die Mannschaft hat in den letzten Wochen die Kurve bekommen, ich bin sicher, dass sie in der Lage ist, ihre Ziele zu erreichen.

Aber es ist auch eine Hecking-Mannschaft. Oder überschätzt man das? Inwieweit sind Mannschaften auf den Trainer ausgerichtet, der sie aufgebaut hat?

Hecking: Das überschätzt man wirklich. Es ist eine stabile Mannschaft, die willig ist und einen sehr guten Charakter hat. Ein neuer Trainer kann jetzt ein Anreiz sein, es gehört immer zum Fußball, neue Impulse zu setzen, und ich kenne Martin Bader gut genug, um zu wissen, dass er eine gute, kreative Lösung finden wird.

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