Johannes Geis will dem Club ein richtiger Anführer sein

Wolfgang Laaß

NN-Sportredaktion

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16.1.2020, 11:36 Uhr

So stellt man sich gemeinhin wohl einen glücklichen, mit sich und der Welt zufriedenen Menschen vor. Johannes Geis sitzt am späten Vormittag entspannt in der Sonne, nebenan plätschert der Hotelpool vor sich hin, ansonsten ist es wohltuend ruhig im Mannschaftshotel des 1. FC Nürnberg. Geis mag das.

Ein paar Hundert Kilometer entfernt von Marbella hat er mal zehn Monate Fußballspielen dürfen, die Zeit allein mit seiner Freundin in Sevilla nennt er rückblickend "eines der schönsten Kapitel meiner Karriere". Der Spiegel hat ihn damals sogar interviewt vor dem Champions-League-Viertelfinale gegen den FC Bayern; im Estadio Ramon Sanchez Pizjuan saß er damals 90 Minuten auf der Bank, im Rückspiel zählte er nicht mal mehr zum Aufgebot. Als sich langsam abzeichnete, dass mit seinem Karriereverlauf irgendetwas nicht mehr stimmte.

Geis kannte es bis dahin anders, kannte lediglich eine Richtung. "Der Jungstar in der Kommandozentrale", titelte ebenfalls der Spiegel bereits im März 2014, als die Fußballrepublik noch staunte über den damals 20-Jährigen, dem beim 1. FSV Mainz selbst deutlich ältere Kollegen bedingungslos folgten, ihm und seinen außergewöhnlichen Fähigkeiten vertrauend. Binnen zweier Spielzeiten konnte Geis seinen Marktwert verzehnfachen – von einer Million auf zehn Millionen Euro.

Geis galt als der neue Schweinsteiger

Experten feierten ihn bereits als den neuen Schweinsteiger. Im Sommer 2019 war Geis vorübergehend arbeitslos. "Im Fußball", sagt Geis, "geht es nicht nur bergauf, sondern auch durch tiefe Täler."

Dass ihn niemand mehr haben wollte, sei so nicht ganz richtig, sagt Geis, "ich hatte schon Möglichkeiten, mich einem Verein anzuschließen", wegen seiner offenbar nicht nur positiven Erfahrungen auf Schalke wollte er aber einfach, "dass es perfekt ist". So wie seiner Meinung nach im Sommer in Nürnberg.

Weil der Herbst aber auch für ihn eher suboptimal verlief, hinterfragte Geis alles und jeden und sich zuerst. Zehn Scorerpunkte hatte er noch nie, seine Laufwerte konnten sich ebenfalls sehen lassen. Über zehn Kilometer ist Geis pro Partie durchschnittlich gerannt; trotzdem beschlich einen spätestens nach der Länderspielpause im Oktober hin und wieder das Gefühl, dass er eigentlich noch etwas mehr draufhaben müsste.

Unruhig rutscht Geis auf seinem Stuhl hin und her oder greift nach seiner Wasserflasche, als er erklärt, warum jetzt alles besser werden soll. Der Winterurlaub habe ihm sehr gutgetan, auch die Vorbereitung scheint anzuschlagen beim Unterfranken, nachdem er im Sommer ja keine hatte. Was nicht heißt, dass sich Geis nur faul im Schwimmbad fläzte. Nix da, sein Fitnesstrainer habe ihn ordentlich gescheucht, täglich eine Kraft- und eine Laufeinheit.


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Zweifelhafter Ruf dank Pizza-WG zu Kleeblatt-Zeiten?

So konnte er beim Club zunächst prima mithalten und sogar Akzente setzen, das anfangs hohe Niveau aber nicht halten. Angesichts der Vorgeschichte sei das für ihn "nicht verwunderlich" gewesen, sagt Geis, der in seiner Jugend als schlampiges Genie galt. Die berühmte Pizza-WG mit Felix Klaus zu Fürther Zeiten hat ihm zwischenzeitlich einen zweifelhaften Ruf eingebracht, von dem aber nicht mehr viel übrig zu sein scheint.

"So ein Schwachsinn", entgegnet Geis, der sich mittlerweile überwiegend vegan ernährt und auch sonst für seinen Sport lebt. Von wegen schlampiges Genie. Aber Moment, "vielleicht kommt es so rüber, weil ich auf dem Platz nicht so die Drecksau bin", sagt Geis, sondern mehr der elegante Ballverteiler, "eine Mischung aus Sechser und Achter", der Sportvorstand nennt ihn gar einen Sechseinhalber.

Einer muss dableiben, einer kann gehen

Was wiederum bedeuten würde, dass der 1. FC Nürnberg vor der Abwehr ein Problem hat. Auch Hanno Behrens ist ja mehr Antreiber als Abräumer, im von Trainer Jens Keller bevorzugten 4-2-3-1-System müsste trotzdem für beide Platz sein, falls die Position nicht noch mit einem Zugang besetzt wird. "Ich finde überhaupt nicht, dass sich Hanno und ich sehr ähnlich sind", sagt Geis, "wir müssen uns einfach noch besser einspielen." Und die Verhaltensregeln etwas ernster nehmen: Einer muss dableiben, einer kann gehen. Das sei doch, findet Geis, "nicht so schwer".

Neues Jahr, neues Glück, Geis hat sich jedenfalls viel vorgenommen. "Ich weiß, was ich noch im Repertoire habe", es klingt fast wie eine Drohung an alle, die ihn bereits abgeschrieben haben. Geis dagegen wähnt sich mit seinen 26 Jahren noch ein Stück entfernt vom Karriere-Zenit. Auch das tiefste Tal ist schließlich irgendwann durchschritten.

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