Kickboxen: Ein Mathestudent schlägt zu
11.06.2013, 15:06 Uhr
Mit schmerzverzerrtem Gesicht krümmt sich Kickboxer Burak Altintas am Boden. Sein Gegner Moritz Zitzmann hat ihn gerade im Unterleib getroffen. Doch Altintas will weiterkämpfen. Der Ringrichter wendet eine Spezialmedizin an: Er schüttet dem getroffenen Kämpfer ein wenig Wasser in die Boxhose. Dann treibt er ihn an, weiterzumachen.
Altintas macht weiter. Insgesamt dreimal während des Kampfes geht er zu Boden, steht aber jedes Mal wieder auf. Die Niederlage kann er damit nicht verhindern: Alle drei Kampfrichter sprechen dem Nürnberger Moritz Zitzmann anschließend den Sieg zu.
Für die Zuschauer ist das wenig überraschend, denn Zitzmann hat seinen Kontrahenten von Beginn an stark unter Druck gesetzt, immer wieder attackiert und nur wenige Gegenschläge zugelassen. Ein souveräner Erfolg
Insgesamt acht Duelle stehen an diesem Abend in der Fürther Stadthalle auf dem Programm. Für Zitzmann ist es der dritte Kampf seiner noch jungen Laufbahn. Einen hat er zuvor nach K.o. gewonnen, einen nach Punkten verloren. „Ich bin zufrieden“, sagt der Kampfsportler anschließend in der Kabine. „Die Schmerzen spüre ich erst morgen, weil ich noch voller Adrenalin bin. Im Kampf nehmen einem die Schläge, die man abbekommt, nur die Luft weg.“
Boxen ist die große Leidenschaft des Nürnbergers. Er versucht, sie mit seinem Studium der Wirtschaftsmathematik unter einen Hut zu bekommen. „So lala“ funktioniere das, sagt Zitzmann. Das heißt: Mal steht das Boxen im Vordergrund, mal das Büffeln. Denn wenn ein Kampf bevorsteht, trainiert der junge Mann etwa vier Stunden pro Tag. In Prüfungszeiten könnte das schwierig sein. Deswegen will Zitzmann erst im Oktober wieder in den Ring steigen. Vorher genießt erst mal die Uni Priorität.
Ein paar Tage vor seinem Kampf sitzt Moritz Zitzmann in der Leder-Sitzecke im Fitnessstudio seines Trainers, die Arme vor der Brust verschränkt. Er hat sich eine Lederjacke angezogen, man merkt bald, es ist ihm ein wenig unangenehm mit dem Presserummel, auch wenn nur ein Journalist gekommen ist.
Zitzmann ist eher der Antityp des Boxers. Bevor er antwortet, überlegt er lange, die Sätze sind dann nicht einfach und schon gar nicht voll mit peinlichem Selbstbewusstsein. Er wirkt eher nachdenklich.
„Reine Logik“
Moritz Zitzmann erzählt von seiner Kindheit an der Holzgartenschule, dem einzigen Ort, an dem er überhaupt so etwas erlebt hat, das sich jetzt irgendwie in ein Boxer-Klischee zwängen lässt. „Dort war es ein wenig ruppig, ansonsten war meine Kindheit sehr behütet“, sagt er. Die Romantik von Muhammad Ali, von Boxern, die sich aus der untersten Gesellschaftsschicht zu Weltruhm kämpften, gebe es nicht mehr: „Das findet man nur noch in dem Willen, sich immer wieder durchzukämpfen.“
Den habe er auch, im Studium und beim Sport, wenn er boxt oder Schach spielt. „Ich habe einen starken Willen, eine reine Logik“, sagt Zitzmann. Das sei seine Stärke.
Er selbst findet das mit dem Studium neben dem Kickboxen nicht kurios. „Ich habe festgestellt: Man ist immer am erfolgreichsten, wenn man beide Wege geht. Wenn man später einen verlässt, ist das dann nicht schlimm. Man hat auch dort etwas fürs Leben gelernt.“ Zitzmann geht derzeit noch einen dritten Weg, er arbeitet als Werksstudent für eine Ingenieursfirma.
Kampfsport hat ihn schon immer fasziniert, in der Holzgartenschule wie zur Abiturzeit an der Peter-Vischer-Schule. Neun Jahre lang machte er Judo, war deutscher Vizemeister der Jugend. „Ich wollte eigentlich immer etwas mit Schlagen machen. Aber meine Eltern wollten das nicht.“
Auch heute noch finden sie Kickboxen „sehr idiotisch“, jetzt aber können sie nichts mehr sagen, ihr Sohn ist erwachsen. „Ich weiß aber, dass sie heimlich meine Kämpfe im Internet ansehen“, sagt er. Viel wichtiger sei ihnen eben, dass er auf seine Uni geht.
Auch zu seinem Kampf sind sie nicht in die Fürther Stadthalle gekommen. „Ich denke, meine Mutter wird sich das danach wieder im Internet anschauen. Aber erst, wenn sie weiß, dass es für mich gut ausgegangen ist.“
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