Kommentar: Wer Dietmar Hopp schützt, muss alle schützen

Sebastian Böhm

Sportredaktion

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1.3.2020, 15:41 Uhr

Am Samstag um kurz nach 17 Uhr hat der vermeintlich abgehobene Fußball ein Zeichen gesetzt, auf das viele Menschen lange gewartet hatten. Im Stadion von Sinsheim hatten sich Profis und Funktionäre solidarisiert – mit einem derbe Beleidigten, gegen Hetze und Hass. Schulter an Schulter standen sie aber nicht mit einem schwarzen Fußballer, mit einer Frau, einem Schiedsrichter, sondern mit Dietmar Hopp.

An jedem Spieltag werden in jedem Stadion einzelne und Gruppen beleidigt, persönlich, rassistisch und sexistisch, selten subtil, meistens niveaulos. Seit diesem 29. Februar 2020 muss das nun dazu führen, dass der Drei-Stufen-Plan der Fifa in voller Konsequenz und bei jeder Verfehlung angewendet wird: Wenn sich der Berliner Jordan Torunarigha Affenlaute anhören muss; wenn Timo Werner aus hunderten Kehlen als Hurensohn bezeichnet wird; wenn die Hoffenheimer Fans ihr "Fotzen Freiburg"-Banner aufhängen; wenn Fans des FC St. Pauli die Opfer des Bombardements von Dresden verhöhnen; wenn Fans von Dynamo Dresden die Fans des FC St. Pauli samt deren Freundinnen und Freunden geschmacklos beleidigen.


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Symbolfigur: Es geht lange nicht mehr um Dietmar Hopp

Das ist nur eine kleine Auswahl mittlerweile weithin als normal angesehener Grenzüberschreitungen, die sich in Bundesliga-Stadien zugetragen haben, zum Teil lange nachdem der Deutsche Fußballbund beschlossen hat, der energischen Linie der Fifa zu folgen. Umgesetzt aber wurde diese Linie nicht, bis der FC Bayern bei der TSG Hoffenheim und Dietmar Hopp zu Gast war. In der Eskalation des mittlerweile zwölf Jahre alten Konflikts zwischen Fans von Borussia Dortmund und sich solidarisierender Ultras anderer Klubs auf der einen und dem Hoffenheimer Mäzen und dem DFB auf der anderen Seite geht es lange nicht mehr um die Symbolfigur Dietmar Hopp. Das System Profifußball aber wird sich messen lassen müssen an der Solidarität mit Hopp. Wer ihn schützt, muss alle schützen – auch wenn dann kaum ein Spiel mehr 90 Minuten lang dauern dürfte.

So lange das aber ausbleibt, darf man dem FC Bayern unterstellen, dass er die Gelegenheit genutzt hat, eine Mehrheit gegen unbequeme Ultras in der eigenen Kurve zu mobilisieren, die zwar für ihr projüdisches Engagement ausgezeichnet werden, die es aber zugleich wagen, den Klub für seine Kumpanei mit Katar zu kritisieren. So lange muss sich der weltgrößte Sportverband vorwerfen lassen, dass er Fans angelogen hat und bewusst missverstehen will. Und so lange werden sich Fans vorwerfen lassen müssen, dass sie nur dann politisch sind, wenn das nicht gegen diejenigen unter ihnen geht, die Frauen, Homosexuelle und viele andere diffamieren. Wenn also ausbleibt, dass ab sofort immer gegen Hass und Hetze vorgegangen wird, auch wenn es nicht um Dietmar Hopp geht, dann haben sich in Sinsheim nur Millionäre mit einem Milliardär solidarisiert.

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