Leere Tribünen? Veranstalter wollen Norisring retten

18.4.2020, 15:51 Uhr
Leere Tribünen? Veranstalter wollen Norisring retten

Jahr für Jahr pilgern Motorsportfans aus ganz Europa zu dem markanten Rundkurs zwischen Grundig-Kehre und Dutzendteich-Kurve, nirgendwo sonst gibt es dieses besondere Gefühl noch so hautnah zu erleben wie in Nürnberg. Mit auf dem Reißbrett geplanten und entsprechend nüchtern emotionslosen Strecken ist der einzige Stadtkurs in Deutschland nicht zu vergleichen.

Um den Norisring weht meist im Juli jeden Jahres ein Hauch von Benzin und Gummiabrieb. Hier stehen tausende Fans so dicht es die Sicherheitsbestimmungen nur zulassen an der Strecke und beobachten mit großen Augen, wie die Bremsen der Boliden am Schöller-S für Sekundenbruchteile glühend heiß laufen. Von bis zu 270 km/h geht es runter auf 50 km/h. "Die Wirkung der 100 Bar Bremsdruck ist ähnlich einer Beinpresse im Fitnessstudio, auf der 100 Kilogramm bewegt werden", hat dazu der fränkische DTM-Champion Marco Wittmann einmal gesagt.

Das fränkische Monaco lebt von seiner Atmosphäre, von der Tradition, von der Dichte der Emotionen – und doch könnte es in wenigen Wochen soweit sein, dass erstmals ohne Fans gefahren wird. Geisterrennen analog zu den angedachten und vielschichtig diskutierten Geisterspielen in der Bundesliga am Norisring. Undenkbar? Mitnichten. "Alles ist möglich, man muss tatsächlich über alles nachdenken in dieser Situation", erklärt Wolfgang Schlosser, der Chef des veranstaltenden MotorsportClubs Nürnberg. Was nicht heißt, dass Schlosser von der Idee restlos begeistert ist, die diesjährige Auflage unter Ausschluss der Öffentlichkeit abzuhalten und lediglich über TV-Verwerter Sat 1 Bilder der Rennen in die 140 angeschlossenen Länder zu übertragen.

Tradition contra Geldnot

Heiligt in diesem Fall womöglich der Zweck die Mittel? Nürnbergs recht rege Motorsportgemeinde wird gemeinhin von großem Enthusiasmus getragen, auch hier werden gerade Pro und Contra abgewogen. Auch hier geht es ums liebe Geld. Sollte der Norisring 2020 nicht stattfinden, bliebe der MCN auf seinen jährlich anfallenden Unterhaltskosten für die Lagerung des Streckenmaterials von etwa 140.000 Euro sitzen. Die Norisring GmbH wäre bei einer Streichung aus dem Kalender pleite.

Da wirkt die Vorstellung doch ganz charmant, dem dringenden Wunsch des DTM-Vermarkters ITR zu entsprechen, den Norisring wenn irgendwie möglich doch wie geplant Mitte Juli stattfinden zu lassen. Es wäre dann eine Saisonpremiere der besonderen Art. Keine Zuschauer, was dem MCN etwa die Hälfte der sonst anfallenden Kosten von etwa 1,5 Millionen Euro "ersparen" würde, dafür aber riesengroßes Interesse in aller Welt zu einer Zeit, in der keinerlei Sport im TV zu sehen ist. Nürnberg mit dem Norisring als erstem Höhepunkt des Corona-Jahres. Ein Fanal für einen ersten Schritt hin zu etwas, was wie Normalität anmutet und dennoch nicht sein kann.

Der MotorsportClub Nürnberg hat deswegen am Donnerstag bei der Stadt Nürnberg angefragt. Es geht um eine Betriebserlaubnis – nicht für die Sportstätte Norisring, wohl aber um den Teams zu ermöglichen, ihrer Arbeit nachgehen zu können. Eine juristische Grauzone – möglich, aber trotz des sich abzeichnenden Exits schwierig zu vertreten.

Auf Nürnbergs neuen Bürgermeister Marcus König kommen diffizile Gespräche zu. Der Nachfolger von Ulrich Maly war gestern wie das Presseamt telefonisch nicht zu erreichen. Sportamtsleiter Hans-Jörg Oehmke bestätigte aber, dass sich die Stadt hinter den Kulissen mit dem Thema beschäftigt. "Es bleibt unser Ziel, dass Speedweekend durchzuführen, sobald das unter gesundheitlichen und sicherheitstechnischen Gesichtspunkten möglich und vertretbar ist", geben sich die Norisring-Macher des MCN kämpferisch.

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