Made in Rothenburg: Franke Nzeocha spielt im Super Bowl
27.1.2020, 16:39 UhrDie Sporthalle an der Erlbacher Straße ist eigentlich gar keine mehr. An der Südseite zeugt ein kaputtes Fenster vom fortschreitenden Verfall des fast 90 Jahre alten Bauwerks. Von den Footballern der Franken Knights wird der etwa 20 auf 50 Meter messende Raum mittlerweile als Sammelumkleide genutzt.
Trotzdem ist am Samstagvormittag ordentlich Glanz in der grauen Hütte; etwas weiter hinten haben die Organisatoren der Pressekonferenz eine riesige Werbetafel mit Sponsorenlogos aufgebaut, um die Gunst der Stunde auch für eigene Zwecke zu nutzen. Mittelfristig, erklärt Klaus Sudler, strebe man wieder die Zweite Liga an, dafür müssten die Knights zwei Mal aufsteigen.
Dass ein Sohn ihrer Stadt und vor allem ihres Vereins am Sonntag in Miami am alljährlich größten Eintages- Event weltweit teilnehmen darf, erfüllt die Rothenburger mit mächtig Stolz. Zwölf war Mark Nzeocha, als er bei den Knights mit Flagfootball anfing, der überwiegend körperlosen Variante. Was danach passierte, können einige bis heute nicht fassen.
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"Das ist für uns natürlich ein großes Ding", sagt Teammanager Sudler, "Mark ist ja bei uns groß geworden." Und blieb immerhin noch fast zehn Jahre, bis ihm Rothenburg und die Knights zu klein werden sollten. Seine Mutter Antonie und sein Vater Chris, ein Nigerianer, hatten sich einst in Neumünster kennengelernt; über Aschaffenburg, wo Mark, der zweitälteste von vier Söhnen, auf die Welt kam, landete die Familie Anfang der 90er Jahre im westlichen Landkreis Ansbach.
Once in a lifetime
Schon früh zeichnete sich ab, dass Steve, Mark, Paul und Eric, geboren zwischen 1985 und 1993, schneller rennen und höher springen konnten als die meisten anderen in ihrem Alter. Basketball faszinierte sie zunächst, aber nur Paul blieb auch dabei; mit dem TSV Ansbach steht er vor dem Aufstieg in die Zweite Liga ProB, auch das wäre ein großes Ding, "eine Profi-Liga", wie Paul auf der Pressekonferenz schwärmt.
Am Wochenende müssen seine Ansbacher aber auf ihn verzichten. Nicht so schlimm, sagt Paul, "ich bin zurzeit eh verletzt"; er wäre aber wahrscheinlich auch nach Miami zum 54. Super Bowl geflogen, wenn er sich gerade bester Gesundheit erfreuen würde. So etwas wie im Hard Rock Stadium erlebt man vielleicht nur einmal, once in a lifetime. Dass der große Bruder am 2. Februar nach der Vince-Lombardi-Trophy greift, mit den San Francisco 49ers im Finale der National Football League gegen die Kansas City Chiefs.
Auch die Knights fühlen sich der Familie Nzeocha zugehörig, irgendwie. "A footballplayer made in Rothenburg" steht auf dem Titelblatt der neunseitigen Presseinfo, illustriert mit diversen Jugendbildern des Modellathleten und einer längeren Geschichte über den Ex-Verein. Seit 1983 gibt es die Knights nun schon und damit sieben Jahre länger als Mark Nzeocha.
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Dass der kräftige Abwehrspezialist der 49ers mit dem so genannten Special Teams nur eine Nebenrolle spielt unter all den Superstars wie Quarterback Jimmy Garoppolo oder Cornerback Richard Sherman, ist der Euphorie in Rothenburg ziemlich egal. Hauptsache dabei. Einer von ihnen im Super Bowl – es klingt wie ein modernes Märchen. "Es ist unglaublich", sagt Mutter Antonie, "dass er das erleben darf, dass wir das erleben dürfen." Links und rechts neben ihr sitzen ehemalige Trainer und Weggefährten ihres Sohnes, der vor der Saison einen neuen Dreijahres-Vertrag unterschreiben durfte mit einem Gehaltsvolumen von knapp fünf Millionen Dollar. Längst berichten nicht nur regionale Medienhäuser regelmäßig über Mark Nzeocha und seine Bilderbuchkarriere, deren Verlauf sich selbst in Rothenburg seinerzeit niemand zu prognostizieren wagte.
"Immer an seiner Seite"
Nach vier Jahren College-Football in Wyoming hatten ihn 2015 die Dallas Cowboys verpflichtet, 2017 holten ihn die 49ers an die Westküste, wo Mark Nzeocha prächtig zu gedeihen scheint. Hinter ihm liegt erneut eine ansprechende NFL-Runde mit zum Teil äußerst effektiven Kurzeinsätzen in jeder Partie. In Rothenburg werden sie das Endspiel natürlich zusammen verfolgen, wie sich das für einen anständigen Verein mit Super-Bowl-Teilnehmer gehört. "Immer an seiner Seite" seien sie schließlich gewesen seit Mark Nzeochas Sprung über den großen Teich, sagt Teammanager Klaus Sudler, während Philipp Kimmelmann, der Flag-Trainer der Knights, von Mark Nzeochas außergewöhnlichem Talent und Ehrgeiz schwärmt.
Fast eineinhalb Stunden dauert die Pressekonferenz in der Sporthalle an der Erlbacher Straße. Nebenan, auf den Stadionplätzen, trainieren gegen Mittag viele Kinder und Jugendliche der Knights, es ist einiges los. Nach ihrem Vorbild muss man wohl nicht fragen.
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