Milliarden-Investitionen

Nicht nur Fußball-WM: Saudi-Arabiens Aufstieg zur Sportmacht

9.12.2024, 10:45 Uhr
Saudische Fußballfans finden die Sport-Strategie des Königreichs um Kronprinz Mohammed bin Salman (auf dem rechten Plakat) gut.

© ---/AP/dpa Saudische Fußballfans finden die Sport-Strategie des Königreichs um Kronprinz Mohammed bin Salman (auf dem rechten Plakat) gut.

Für den Aufstieg zur neuen Sportmacht stellt Saudi-Arabien einen Staatsfonds mit etlichen Milliarden Euro bereit, doch Toni Kroos kann das Königreich damit nicht kaufen. Die Menschenrechtslage in dem Land sei "das eine, was mich von so einem Wechsel abhalten würde", sagte der Weltmeister von 2014 einmal vor dem Ende seiner Karriere. Wenn das Geld wichtiger als alles andere ist, "beginnt es schwierig zu werden für den Fußball, den wir alle kennen und lieben".

Kroos beendete im vergangenen Sommer lieber seine Laufbahn als Champions-League-Gewinner mit Real Madrid, statt in Saudi-Arabien nochmal richtig abzukassieren. Andere Fußballstars wie Cristiano Ronaldo oder Neymar folgten dagegen dem Lockruf des Geldes. Und nicht nur sie: Das wegen seiner Menschenrechtspolitik viel kritisierte Königreich ist durch immense Investitionen, weltweites Sponsoring und ein sportpolitisches Groß-Netzwerk längst ein Big Player im Sport. 

Die offizielle Vergabe der Fußball-WM 2034 an Saudi-Arabien beim FIFA-Kongress an diesem Mittwoch ist der vorläufige Höhepunkt dieses Aufstiegs - aber bei weitem noch nicht der Endpunkt. Saudi-Arabien träumt von Olympia, der rote Teppich wurde bereits ausgerollt.

Wirft das Scheinwerferlicht auf die saudische Fußballliga: Cristiano Ronaldo

Wirft das Scheinwerferlicht auf die saudische Fußballliga: Cristiano Ronaldo © Amr Nabil/AP/dpa

Sportswashing oder echtes Sportinteresse?

Das Internationale Olympische Komitee sicherte Saudi-Arabien die Austragung der olympischen E-Sport-Spiele ab 2025 zu. Geradezu bizarr mutet es an, dass in dem Land mit dem subtropischen Klima auch die Asien-Winterspiele 2029 stattfinden werden. In einer Region, in der es nur sehr selten schneit.

Doch viel Geld macht auch hier viel möglich. Oder wie Kronprinz Mohammed bin Salman es ausdrückt: Man wolle den "Bergtourismus für die Welt neu definieren".

Genau das ist - gemäß offizieller Sprachregelung - der Hauptgrund für die massiven Investitionen. Saudi-Arabien will seine Wirtschaft weniger abhängig vom Öl-Geschäft machen. Im Reformprogramm "Vision 2030", das 2016 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, spielen die Wirtschaftszweige Tourismus und Unterhaltung eine große Rolle. 

Doch dem Königreich wird auch vorgeworfen, mit dem Engagement von Verstößen gegen Menschenrechte abzulenken zu wollen. So oder so: Der Sport ist bei der Strategie ein wichtiges Mittel. 

Topstars und Topevents in Saudi-Arabien

Nach einer Studie der Initiative "Play the Game" des Dänischen Instituts für Sportstudien hat Saudi-Arabien im Weltsport mehr als 900 Sponsorenverträge abgeschlossen. Etwa ein Drittel der Deals seien aus dem saudischen Investmentfonds PIF bezahlt worden. Dieser wurde eigens zur Umsetzung der "Vision 2030" gegründet und umfasst schätzungsweise 650 Milliarden Euro. Und das zahlt sich aus.

Der mehrmalige Weltfußballer Ronaldo und andere Fußballstars setzen die heimische Liga ins Scheinwerferlicht. Spaniens und Italiens Top-Ligen tragen ihre Supercups in Saudi-Arabien aus. Und der englische Premier-League-Club Newcastle United gehört über den PIF faktisch dem saudischen Staat. 

Auf dem Jeddah Corniche Circuit in Dschidda drehen seit 2021 die Formel-1-Boliden ihre Runden. In Riad finden die wichtigsten Box-Kämpfe statt, so wie auch das zweite WM-Duell zwischen den Schwergewichtlern Oleksandr Usyk und Tyson Fury am 21. Dezember. Die LIV Golf Invitational Series macht der etablierten amerikanische PGA Tour mit teilweise hohen dreistelligen Millionenbeträgen Topstars wie Phil Mickelson streitig. 

Auch das zweite WM-Duell der Schwergewichtsboxer Oleksandr Ussyk und Tyson Fury findet in Riad statt

Auch das zweite WM-Duell der Schwergewichtsboxer Oleksandr Ussyk und Tyson Fury findet in Riad statt © Nick Potts/PA Wire/dpa

Schlägt Geld die Moral?

Im Tennis sorgte zuletzt das sportlich bedeutungslose Show-Turnier Six Kings Slam in Riad wegen der Antrittsprämie von je 1,5 Millionen US-Dollar für Aufsehen. In Saudi-Arabien fanden in diesem Jahr auch erstmals die WTA-Finals der acht besten Tennis-Spielerinnen statt.

Für die Ikonen Chris Evert und Martina Navratilova war das "unvereinbar mit dem Spirit und dem Auftrag des Damen-Tennis und der WTA". Auch der deutsche Verbandspräsident Dietloff von Arnim meint, "dass die Debatte um Menschenrechte und demokratische Werte bei der Turniervergabe zu wenig geführt wird".

Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien immer wieder scharf. Im jüngsten Bericht von Human Rights Watch mit dem Namen "Stirb zuerst, und ich bezahle Dich später" werden etwa Zwangsarbeit, Lohndiebstahl, Arbeit bei extremer Hitze und fehlender Rechtsschutz bei Arbeitsmigranten angeprangert.

WM als Katalysator für Veränderungen?

All das werde höchstwahrscheinlich dazu führen, dass auch die Fußball-WM 2034 "mit weitreichenden Rechtsverletzungen behaftet sein wird". Der Weltverband FIFA entgegnete in seinem Evaluationsbericht, dass die WM-Endrunde in zehn Jahren "als Katalysator für einige der laufenden und künftigen Reformen" dienen könne und dass sich Saudi-Arabien zur Einhaltung verschiedenster Standards in Menschenrechtsfragen verpflichtet habe.

Dass es mit der Meinungsfreiheit in Saudi-Arabien aber noch nicht gut bestellt ist, erfuhr Toni Kroos am eigenen Leib. Beim in Riad ausgetragenen Supercopa-Halbfinale 2024 gegen Stadtrivale Atlético wurde der damalige Real-Profi wegen seiner kritischen Äußerungen bei praktisch jedem Ballkontakt ausgepfiffen.

Toni Kroos hat seine Meinung zu Saudi-Arabien klar geäußert - und wurde dafür in dem Land ausgepfiffen.

Toni Kroos hat seine Meinung zu Saudi-Arabien klar geäußert - und wurde dafür in dem Land ausgepfiffen. © Marius Becker/dpa

Kritisiert die Vergabe der WTA-Finals nach Saudi-Arabien: Martina Navratilova

Kritisiert die Vergabe der WTA-Finals nach Saudi-Arabien: Martina Navratilova © Alberto Pezzali/AP/dpa