Michael A. Roth: Kaufmann, Club-Boss, Freund des FCN

28.2.2021, 12:45 Uhr
Bodenständig, auch auf sehr teuren Teppichen: Michael A. Roth zu Hause in seiner Villa in Rückersdorf.

© Foto: Hans Böller Bodenständig, auch auf sehr teuren Teppichen: Michael A. Roth zu Hause in seiner Villa in Rückersdorf.

Michael A. Roth hält jetzt Hühner. Zwölf sind es, sie fühlen sich wohl im großen Garten seiner Villa in Rückersdorf vor den Toren Nürnbergs, der eher ein Park ist. "Ich mag diese Tiere einfach", sagt Roth, manchmal bereitet er ihnen selbst das Futter zu. Wenn er ihnen dann zuschaut, weckt das Erinnerungen. "Ein Huhn, das einen schönen Bissen erwischt hat, muss den gegen die anderen verteidigen", so, sagt Roth, sei das früher, im Geschäft, auch immer gewesen. "So blöd sind Hühner nicht", sagt er.

Mit seiner Firma, der Aro Heimtextilien GmbH, war er der Konkurrenz oft um viele Schritte voraus, "aber die anderen haben nicht nachgelassen, uns hinterher zu rennen, das war ein ständiger Kampf". Roth war es gewohnt zu gewinnen, seine Vita ist die klassische des Selfmade-Multimillionärs, auch wenn er nicht als Tellerwäscher begann, sondern als Altmetallhändler auf dem westmittelfränkischen Land.

Sogar das Ende dieser Geschichte wäre filmreif, mit der Insolvenz der Aro GmbH, die in ihren Glanzzeiten 135 Filialen im ganzen Land unterhielt. Der Chef war eine Berühmtheit, als Unternehmer, aber vor allem als Präsident des 1. FC Nürnberg, eines Vereins, der oft ein großer Fußball-Hühnerstall war – und der ohne den Sanierer Roth wahrscheinlich nicht mehr existieren würde.

Es liegt jetzt alles schon länger zurück, Aro ist seit dem Herbst 2015 Vergangenheit, der 1. FC Nürnberg kämpft um seinen Platz in der zweiten Liga. Heute ist Roth Privatmann, als öffentliche Person gibt es ihn nicht mehr. Es ist ihm, sagt er, ganz recht so, manchmal denkt er darüber nach, "wie das alles überhaupt in ein Leben gepasst hat".

Harte Arbeit, das hält gesund

Michael Adolf Roth hat nach Rückerdorf eingeladen, er wartet unter der Tür auf den Besucher. Er ist 85 Jahre alt, sieht mindestens zehn Jahre jünger aus, eigentlich wie eh und je, vital und drahtig, und auf die Frage, wie es ihm geht, verweist er lächelnd auf die Gene. Harte Arbeit, das hält gesund, so habe man es in der Familie immer gehalten. Ob er glücklich ist? "Das kann man so sagen", aber, bitte, sagt er, machen wir es uns doch erst etwas bequem, er habe jetzt viel mehr Zeit als früher.

Roth war immer ein guter Unterhalter und schon authentisch, als dieses Wort noch gar nicht ständig verwendet wurde, als Menschen noch nicht auch aus Inszenierungen ihrer selbst bestanden. Darauf, wie er wirken könnte, nahm Roth ein Leben lang keine Rücksicht, "darauf hat man eh keinen Einfluss", sagt er, "auf die Schlagzeilen, auf das, was die Leute reden". In seiner Jugend auf dem Land hat er gelernt, "dass man nicht reden, sondern etwas tun muss, die Ärmel hochkrempeln".

Er erzählt die Geschichte von seiner Großmutter, die mit dem Handkarren übers Land gezogen ist, derweil der Großvater, ein leidenschaftlicher Hühnerhalter, sein Leben als braver Angestellter der Dampf-Rosshaarspinnerei Fehrer in Etwashausen bei Kitzingen verbrachte. So viel arbeiten für so wenig Geld, "der Handel bringt mehr", das, erzählt Roth, habe die Oma dem Opa gern gesagt. Es sollte seine Maxime werden, "den Kaufmann", sagt er, "habe ich im Blut".

"Der Vater war streng - und ein guter Kaufmann"

Geboren 1935 in Kitzingen, wuchs Roth mit zwei Brüdern in Neustadt an der Aisch auf, wo sein Vater im Auftrag der US-Militärregierung die Überreste des Krieges zu beseitigen half – Laster, Geschütze, in Oberdachstetten die Reste der Muna, der NS-Munitionsanstalt, von Schrotthändlern nach Tonnen bezahlt. Das konnte lebensgefährlich sein, "aber es war ein gutes Geschäft", sagt Roth, "der Vater war streng - und ein guter Kaufmann".

Es war der Vater, der ihn in den Betrieb holte, nach Volks- und zwei Jahren Oberschule. Den Sohn, der ein ordentlicher Schüler war, drängte es danach, die Ärmel hochzukrempeln, beim örtlichen Opel-Händler wollte er eine Ausbildung zum Automechaniker beginnen, "den blauen Anzug hatte ich schon" – aber der Vater erinnerte ihn an die Oma und ihren Handkarren: Der Handel bringt mehr.

Es sollte nicht lange dauern, bis der Sohn den Vater und die Brüder beschäftigte, im eigenen kleinen Betrieb. Der junge Michael A. Roth zog über die Dörfer, Demantsfürth, Eselsmühle, Gottesgab, Rohensaas, so heißen sie. "Ich war immer der erste, der auf den Beinen war", sagt er, "Morgenstund hat Gold im Mund" – oder eben Zink, Eisen, Zinn, sein Geschäft war der Handel mit unedlen Metallen. Er kaufte den Bauern ihr Altmetall ab, "Eimer, Töpfe – und dazu ein schönes Stück Kupferdraht".

Auf einem Empfang neben: Angela Merkel

Man bot ihm Blitzableiter und Kirchenglocken an, Diebesgut, von dem er die Finger ließ. Die Nachkriegsjahre "mit überall Ganoven unterwegs" waren, wie er sagt, eine gute Schule; als es den Leuten besser ging, fuhren die Stragula-Laster übers Land, im Angebot: Bodenbeläge, Linoleum-Imitationen aus Pappe.

Bodenbeläge, das sollte sein Geschäft werden, mit erst zwei, dann fünf Lastern waren die Roths unterwegs, im Winter war auch das ein Abenteuer, "da musstest du im Tiefschnee auf den schmalen Sträßchen ein guter Fahrer sein". Die stärkste Konkurrenz waren noch die örtlichen Sattler, "billiger sein als die und besser", das war Roths Maxime, und das sollte Aro werden – mit drei ersten Lager- und Verkaufshallen in Bamberg, Würzburg und Schweinfurt. "Geheizte Räume, das war ein Luxus", sagt er; als Luxus wieder in Mode kam, wuchs das Sortiment gewaltig. Zu maschinell hergestellten Teppichen kamen edle handgeknüpfte, "ein Riesengeschäft", nur: "Darüber, wie groß es werden würde, habe ich nicht nachgedacht."

Im Regal seines Arbeitszimmers stehen Miniaturmodelle eines Lear-Jets, er besaß vier davon, und seiner Yacht. Man muss danach fragen, zur Schau getragen hat er seinen Reichtum nie, "das war halt das Geschäft, harte Arbeit", sagt er und erzählt die Geschichte von einem Empfang beim Ministerpräsidenten, als er neben einer jungen Politikerin saß. "Ich muss ein komischer Nachbar gewesen sein", erinnert er sich, "ich wusste nie, wie und was ich bei solchen Anlässen mit den Leuten reden soll." Es fiel ihm alles erst wieder ein, als die junge Politikerin berühmt wurde. Es war Angela Merkel.

FCN sucht Retter und findet Roth

Man sah Roth selten auf Galas und Empfängen, vielleicht erklärt das seine Beliebtheit beim Volkssport Fußball. Als Präsident des 1. FC Nürnberg wurde er mit Mehrheiten gewählt, die es sonst nur bei Voten zur DDR-Volkskammer gab. Um Volksnähe musste er sich nicht bemühen, damit war er aufgewachsen, ihm lag nie daran, seinen fränkischen Dialekt abzulegen, man erlebte ihn bodenständig – auch als der Boden daheim längst aus teuersten handgewebten Orientteppichen bestand. Roth konnte zornig sein, unhöflich oder herablassend aber war er nie. Fußballer war er auch nie, sein auf den Lkw-Fahrten durchs winterliche Franken erworbenes Talent setzte er beim Motorsport ein, er fuhr, als Mitbegründer eines Klubs in Uehlfeld, Motorradrennen – bis zu einem schweren Unfall, "das war ein Warnsignal", sagt Roth, "darauf musst du hören". Er saß seither nie wieder auf einem Motorrad.


Ex-Präsident Roth: Lebenswerk, Teppiche und der Club


Tempo bestimmte sein Leben, ein Hasardeur war er nicht. "Wer sich Geld leiht, muss wissen, wie er es zurückbezahlt", sagt er. Beim Fußball sollte er es anders vorfinden; als der 1. FC Nürnberg wie so oft einen Retter suchte, einen mit Geld und Geschäftssinn, geriet Roth auf das zweite Spielfeld seines Lebens, erstmals 1979 für vier Jahre, dann 1994, als, bei einem mit über 20 Millionen D-Mark verschuldeten Verein, jede Vernunft dagegen sprach.

Er führte den Club wie sein 1972 nach Nürnberg gezogenes Unternehmen, vom FC Aro war bald die Rede, aber Roths Finanzspritzen und sein Verhandlungsgeschick retteten dem Verein damals die Existenz. Im Regal steht auch ein Miniaturmodell des 2007 unter seiner Regie gewonnenen goldenen DFB-Pokals, der einzigen Trophäe aus der Nürnberger Neuzeit. Eine schöne Erinnerung? Roth denkt länger nach, "den Club", sagt er, "den hätte ich gern vergoldet", bloß, "ein Verein, der gehört ja keinem".

Beim Fußball war das ein Alarmsignal

Es reden, für seinen Geschmack, zu viele Leute mit. Alleinherrscher, so nannten ihn Bewunderer, Kritiker und Spötter gleichermaßen, dass er sich in seinem unternehmerischen Elan oft ausgebremst fühlte, sagt er noch heute. "Vielleicht zu autoritär", meint Roth, sei er gewesen, andererseits, "die Kindergartenkinder, mit denen du es manchmal zu tun hast, die Neider, die dir mit jedem Erfolg dreinreden" – man hört noch jenen Roth, dessen ungeschminkte Rede die Turbulenzen dieses Vereins begleitete und die Leute begeisterte. Oder empörte. Im Sommer 2009 trat er zurück, durchaus im Zorn, aber man erlebte ihn mit feuchten Augen, als sie ihn zum Ehrenpräsidenten ernannten – "damit ich Ruhe gebe", wie er heute sagt. Er wirkt, spricht er über Fußball – und das tut er gerne –, noch immer hin und her gerissen, "es war ja eine schöne Zeit", sagt er – "trotz allem".

Welch emotionaler Mensch Roth ist, merkte und merkt man in fast jedem privaten Gespräch, manchmal glühen seine Wangen dann immer noch ein wenig. Beim Fußball war das ein Alarmsignal, beim Fußball durfte er Gefühle zeigen, im Geschäft nicht.

Das Ende von Aro stand damals, 2009, schon bevor; "wir haben nur noch schwer Gewinne gemacht, manchmal gar keine mehr". Teppiche waren kaum noch gefragt, "sogar verpönt", meint Roth, die konkurrierenden Baumarktketten wurden immer größer. Andere sagten, die Zeit der Kaufmänner alter Schule sei vorbei gewesen, die Zeit der Patriarchen. Aber dass Aro zu überhaupt retten gewesen wäre, glaubt Roth auch im Rückblick nicht. Der Versuch, sich gesundzuschrumpfen, scheiterte, nach 59 Jahren war es vorbei – "natürlich tut das sehr weh", sagt Roth, "ich habe bis zuletzt alles versucht und Freude daran gehabt".

Er führt heute eine Immobilien GmbH in Rückersdorf, unterstützt von seiner Frau Angelika und den beiden jüngsten seiner sieben Kinder. Ja, sagt er, er sei ruhiger geworden, "die Kinder machen das gut". Ein Frühaufsteher ist Michael A. Roth trotzdem geblieben. Er muss ja nach den Hühnern sehen.

Verwandte Themen


21 Kommentare