Mit den Tischtennis-Weltstars auf Tuchfühlung
20.05.2012, 18:25 Uhr
Als seine Mutter an diesem Frühsommertag ins Balletttraining fährt und sich von ihrem Sohn verabschiedet, feixen seine Schwestern lauthals: „Der ‚Juli‘, der ist auch im Ballettverein!“ Damit haben sie sogar Recht. Doch der sportliche Gymnasiast macht nicht nur Ballett, sondern spielt auch noch Handball und vor allem: Tischtennis.
Und darauf kann er mächtig stolz sein: Julius Waßmann, der für den TV 1881 Altdorf spielt, ist amtierender bayerischer Tischtennismeister in seiner Altersklasse. Dieser Erfolg des Nürnbergers blieb auch über die Grenzen Bayerns hinaus nicht verborgen: Vom Deutschen Tischtennisbund (DTTB) wurde er schon zu mehreren Sichtungslehrgängen eingeladen, darunter zum Treffen der bundesweit Besten in Düsseldorf.
Dort schnupperte er die Luft der großen Tischtennis-Welt: Kurz zuvor hatte hier die Weltmeisterschaft stattgefunden, und nun durfte sich Julius an den Platten der internationalen Stars austoben. Er tat es mit Erfolg, am Ende erreichte der zehnjährige Nürnberger einen respektablen fünften Platz.
Unweigerlich fragt man sich, ob hier ein neuer Timo Boll heranwächst. „Nö“, erwidert Julius mit fester Stimme, „mein großes Vorbild ist Kenji Matsudaira.“ Seine leuchtenden Augen verraten, dass der japanische Weltklassespieler mehr ist als ein Vorbild, das man als Zuschauer aus großer Distanz bewundert. „Ich habe sogar schon gegen ihn gespielt“, verrät Julius stolz. „Nach dem Gewinn der bayerischen Meisterschaft war das sozusagen seine Belohnung“, erklärt Vater Michael Waßmann.
Die Familie ist auch angesteckt
Die Begeisterung für Tischtennis hat mittlerweile große Teile der Familie erfasst: Julius’ 14-jährige Schwester Helena spielt ebenfalls aktiv im Verein, Michael Waßmann übte den Sport schon in seiner Jugend aus, und Mutter Katja ist allein schon vom Zuschauen schlichtweg von dem schnellen Sport begeistert.
Der Keller des Reihenhäuschens in Nürnberg-Rehhof wurde deshalb extra umgebaut, um Platz für eine Tischtennisplatte zu schaffen. Bei im Sommer angenehm kühlen Temperaturen übt Vater Michael dort mit seinem Sohn mehrmals in der Woche. Poster von erfolgreichen Profispielern schmücken die Wände – irgendwann will Julius mal in die Fußstapfen der ganz Großen treten. Der Ehrgeiz hat Vater und Sohn gepackt. Beim gemeinsamen Üben von Lauf- und Schlagtechniken spürt man, welch große Leidenschaft beide für den schnellsten Ballsport der Welt empfinden.
Das muss auch so sein, denn der Sport fordert einigen Einsatz; Training und Wettkämpfe nehmen viel Zeit und zahlreiche Fahrtkilometer in Anspruch. „Ein Tag am Wochenende geht immer für Tischtennis drauf, mindestens“, sagt Katja Waßmann.
Bei den vielen Reisen zu Wettkämpfen oder Sichtungslehrgängen haben sich mit der Zeit Freundschaften gebildet. Zum einen unter den Eltern, aber auch unter den Tischtennistalenten. „Es gibt vier Spieler aus Bayern, die treffe ich eigentlich sehr oft“, erzählt Julius. Konkurrenzkampf und Neid? Fehlanzeige. Stattdessen verbringen die vier Jungs jede freie Minute auf Lehrgängen zusammen. „Ich möchte nicht wissen, was die da auf ihren Zimmern immer so treiben“, sagt Katja Waßmann und lacht.

Zu Hause in Rehhof hat Julius auch zahlreiche Freunde, seine „Gang“, wie er es nennt. Tischtennis spielen dort die wenigsten. Die meisten bevorzugen andere Sportarten: im Sommer vor allem Fußball, im Winter Eishockey.
Julius selbst ist aber auch keiner, der sich bevorzugt daheim im Tischtennis-Keller aufhält. Er geht zusätzlich regelmäßig zum Ballett, und auch als Handballer schlummert in ihm Talent, so dass er wohl auch hier weit nach oben kommen könnte.
Über seine Zukunft macht sich Julius derzeit aber noch keine großen Gedanken. Ob er später wegen besserer Förderung sogar in ein Internat umziehen und seine „Gang“ vor der Haustür verlassen würde? „Ich weiß nicht“, antwortet er leise. Bislang schafft er es, seine Leidenschaft für den Sport mit der Schule in Einklang zu bringen. „Wir haben jeden Tag nur bis 13 Uhr Unterricht, und Hausaufgaben haben wir oft gar keine auf.“
Klingt nach einem traumhaften Leben für einen unbeschwert wirkenden Zehnjährigen. Da kann Julius es locker nehmen, wenn er von seinen drei Schwestern ab und zu auf die Schippe genommen wird.
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