Mit leuchtenden Augen und Marek Mintal

25.1.2011, 07:30 Uhr
Mit leuchtenden Augen und Marek Mintal

© Günter Distler

Vor drei Jahren und elf Monaten begann eine Ahnung davon, was vielleicht möglich sein könnte; vielleicht viel mehr, so formulierte es damals Tomas Galasek, als man noch zu denken wage. In Nürnberg stand das Viertelfinale im DFB-Pokalwettbewerb an, der Gegner hieß Hannover 96 – und die Perspektive war tatsächlich ein wenig historisch.

Dem 1.FC Nürnberg bot sich an diesem 27. Februar 2007 die Chance, erstmals nach einem Vierteljahrhundert wieder ins Halbfinale des nationalen Pokalwettbewerbs einzuziehen – und tatsächlich wurden es knapp drei Stunden, in denen der Club Vereinsgeschichte schrieb. Nach torlosen 118 Minuten wechselte Trainer Hans Meyer den zweiten Torwart ein: Daniel Klewer parierte im Elfmeterschießen zweimal glänzend – und über Nacht war nur noch der Himmel die Grenze für dieses Nürnberg.

Es begannen die Wochen, in denen der Pokalwettbewerb die ganze Stadt ein bisschen elektrisierte.

„Besondere Momente“, wie Marek Mintal sagt, dem dann das Halbfinale gegen Eintracht Frankfurt jenen Augenblick bescherte, der für all seine Jahre beim 1.FC Nürnberg stehen könnte. Nürnberg führte 3:0, das Spiel war fast vorüber, als Meyer noch einmal wechselte. Als sich Marek Mintal die Trainingsjacke auszog, standen 47000 Zuschauer auf, wie auf ein geheimes Zeichen – und aus einem großen Fußballabend wurde die „magische Nacht“, wie damals nicht nur diese Zeitung schrieb. Nach monatelanger Verletzungspause kehrte der Slowake zurück auf den Platz, begleitet von einem Applaus, der ihn beinahe zu Tränen rührte – und nicht nur ihn.

„Pure Freude, riesiges Glück“

„Für diese drei Minuten“, sagt Mintal, „werde ich Hans Meyer immer dankbar sein“ – das kollektive Glück noch mit Marek Mintal zu teilen, war allen, insbesondere seinem Trainer, ein Bedürfnis; „überhaupt nicht logisch“ nannte Meyer diesen Wechsel, aber das gehört zum besonderen Reiz dieses Wettbewerbs: Er folgt nicht immer der Logik. „Der Pokal, das war ein ganz, ganz außergewöhnliches Erlebnis, wie ich es noch nie mitgemacht habe“, sagte der Defensivstratege Tomas Galasek später im Interview mit dieser Zeitung: „Große Freude, pure Freude, riesiges Glück.“

Das Finale von Berlin, das 3:2 über den VfB Stuttgart, sagte Galasek, Mintals Ausgleichstor, dieser erste Titel nach 39 Jahren, habe ihm die Größe dieses Vereins erst richtig bewusst gemacht, das, was der 1.FC Nürnberg für so viele Menschen bedeuten kann. Dieses auch im Sport seltene Gefühl, wie Tomas Galasek sagte: „Von dem, was wir tun, bleibt etwas.“

Vielleicht war es gar kein Zufall, dass Dieter Hecking das Pressegespräch gestern mit einer eigentlich nicht gerade drängenden Personalie begann. Marek Mintal, sagte Nürnbergs Trainer, wird dabei sein – heute, wenn der 1.FC Nürnberg beim FC Schalke 04 erstmals seit jenem 27. Februar 2007 wieder im Viertelfinale des Pokalwettbewerbs spielt.

Mintal war zuletzt zweimal nicht dabei, er prüfte in Philpadelphia ein Angebot aus der US-Profiliga. Er ist jetzt 33, am 30. Juni endet seine Zeit als aktiver Fußballer im FCN-Trikot – aber bis dahin, sagt Hecking, werde er „ein sehr wichtiger Bestandteil dieser Mannschaft bleiben, egal, wie viel Spielanteile er hat“. Es waren zuletzt so gut wie gar keine – Mini-Einsätze wie jener damals im Halbfinale, aber Mintal ist heute nicht verletzt. In den Planungen über die Saison hinaus spielt er, das sagt Hecking auch, keine Rolle mehr – und so ist es auch nicht unbedingt ein Gebot der Logik, Marek Mintal in den Kader für Gelsenkirchen zu nehmen, wo er, wie immer, zunächst auf der Reservistenbank sitzen wird.

Aber es ist Mintal, es ist ein Pokalspiel – „und wenn man gesehen hat, wie die Mannschaft Marek nach seiner Rückkehr aus den USA sofort wieder gesucht hat, wie sie ihm alle zugehört haben, dann“, sagt Hecking, „dann sieht man, wie wichtig ein Spieler mit so einer Erfahrung ist“. Einer, der „das alles kennt, der Drucksituationen erlebt hat“ (Hecking) – wahrscheinlich täuschte der Eindruck, aber es wirkte so, als wollte Hecking sehr bewusst an das Nürnberger Pokalmärchen von 2007 erinnern. Er war ja dabei. Damals, als Daniel Klewer zwei Elfmeter hielt, war Hecking der Trainer von Hannover 96.

Mit vier Pokalsiegern

Wirklich vernünftig wäre es natürlich auch nicht, Parallelen zu ziehen. Vor dem bisher letzten Viertelfinale hatte Nürnberg den FC Bayern mit 3:0 geschlagen und Stuttgart, den späteren Meister, mit 4:1. Die Mannschaft war in ihrer Entwicklung zwei Jahre weiter als Heckings junges Team von heute und stand in der Liga nach 23 Spieltagen mit 36 Punkten auf Rang fünf – beflügelt von der Ahnung, was vielleicht möglich sein würde.

Heute auf Schalke ist Nürnberg, dessen Alltag der Abstiegskampf ist, ein Außenseiter. Aber es ist ein Pokalspiel, ein „absolutes Highlight“, wie Hecking sagt, „eine Riesenwerbung für unsere junge Mannschaft“, die ihre Vorbilder noch dabei hat: die Pokalsieger Raphael Schäfer, Javier Pinola, Andreas Wolf – und Marek Mintal; eine Erinnerung daran, „wie viel jeder Spieler jetzt in jungen Jahren schon erreichen kann“, wie Hecking sagt: „Und die Erinnerung ist noch frisch, alle bekommen leuchtende Augen, wenn sie von damals erzählen.“ Es ist etwas geblieben.

Der Pokal soll jetzt seine Mannschaft beflügeln. Dieter Hecking erwartet ein intensives Fußballspiel – und dann, sagt er, sei es ein gutes Gefühl, dass Marek Mintal dabei ist.

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