Nadja Pries zwischen Olympia, Corona und Gelassenheit
22.10.2020, 10:13 UhrAn Fernreisen war fast das ganze Jahr über nicht zu denken, selbst in Europa konnte man nicht jederzeit überall hin. Zur Zeit sollte man lieber nicht in eine andere Stadt fahren, ohne vorab zu schauen, wie sich die Corona-Zahlen dort entwickeln. Würde alles normal laufen, Nadja Pries wäre überall unterwegs gewesen. Weltweit, in Europa, und natürlich auch in Deutschland. Doch auch sie kann nicht reisen. Und das ist ein Problem.
Nadja Pries ist zum zwölften Mal Deutsche Meisterin
Gerade Sportler, die nicht omnipräsent im Fernsehen auftreten, haben nur alle vier Jahre eine wirklich große Bühne. Sportler wie Nadja Pries. Die Erlangerin ist BMX-Fahrerin, 2016 hat sie es als erste deutsche Frau in ihrer Disziplin "Race" zu den Olympischen Spielen geschafft. Dabei starten acht Fahrer gleichzeitig auf ihren 20-Zoll-Laufrädern auf einer hügeligen Bahn, in den Kurven entbrennt der Kampf um die beste Position. National kann das keine Frau besser als Nadja Pries.
Ihre Konkurrentinnen sind verteilt auf der ganzen Welt. "Viele von uns wissen erst nach den Weltmeisterschaften im Frühjahr, ob sie bei den Olympischen Spiele im Sommer teilnehmen können", sagt Pries. In diesem Jahr aber gab es keine WM. Und auch keine normale Qualifikation. Die Wettkämpfe in Tokio sind auf 2021 verschoben. Zwischenzeitlich waren zwar wieder BMX-Rennen angesetzt, Pries aber entschied sich gegen eine Teilnahme an der Côte d‘Azur. "Das war damals Risikogebiet." Um sich und ihre Familie zu schützen, sagte die Erlangerin ab — obwohl es ihr bei der Olympia-Quali hätte schaden können. Kurz vorher wurde der Wettbewerb dann auch offiziell abgesagt.
Seither gab es überhaupt keine internationalen Rennen mehr, bei denen die 26-Jährige Weltcup-Punkte hätte sammeln können. Diese aber wird sie brauchen, wenn sie bei Olympia dabei sein will. "Es gibt keine Antworten auf die Frage, wie man sich nun qualifizieren soll." Den Winter über jedenfalls passiert nichts, wetterbedingt sind BMX-Rennen erst wieder ab März möglich. "Niemand kann absehen, wie dann die Lage ist." Nadja Pries hat deshalb Verständnis für das Zögern ihres Verbands, den Bund Deutscher Radfahrer.
Mit der Ungewissheit kann sie im Moment gut leben. Denn so sehr sie ihren waghalsigen Sport liebt, so sehr war ihr immer bewusst, dass das nicht alles sein kann im Leben. "Ich habe meinen Fokus nie zu 100 Prozent auf den Sport gelegt, schon während der Schule nicht." Pries ist Leistungssportlerin, doch Profi ist sie nicht. Aktuell schreibt sie ihre Bachelor-Arbeit in Psychologie.
"Gerade bin ich in meinem normalen Trainingsrhythmus und kann mich mehr um mein Studium kümmern. Daher fällt es mir leichter, mit der Ungewissheit umzugehen." Selbst ohne Olympische Spiele "würde für mich nicht die komplette Welt aus den Fugen geraten". So sehr sie weiterhin davon träumt, in Tokio das Finale zu erreichen, so sehr lässt sie sich davon nicht das ganze Leben diktieren. "Ich stehe nicht jeden Tag nur für die Spiele auf", sagt Pries, "es ist wichtig, kleinere Zwischenziele zu haben". Diese liegen momentan nicht nur im sportlichen Bereich. Ein Glück, denn sonst hätte die zwölffache Deutsche Meisterin mehr mit der Situation zu kämpfen.
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