Patrick Schneider nimmt langen Anlauf für Olympia

3.11.2020, 15:56 Uhr
Patrick Schneider nimmt langen Anlauf für Olympia

© Foto: Theo Kiefner

Die neuen Orte im Leben des Patrick Schneider heißen Wattenscheid und Chemnitz. Wattenscheid deshalb, weil der dortige TV den 400-Meter-Läufer vom LAC Quelle Fürth gelockt hat. "Ich starte für den Verein, weil die mich gut unterstützen können in einem professionellen Umfeld, wie ich es mir wünsche", erzählt Schneider.

Außerdem habe er dort wieder die Möglichkeit, in der Staffel zu laufen, was in der stark geschrumpften Trainingsgruppe des LAC Quelle nicht mehr der Fall war. "Wattenscheid und Leverkusen sind in der Leichtathletik in Deutschland wie Bayern München im Fußball", erklärt er es für Laien. Was nicht heißt, dass er dort als Profi so viel verdient, dass seine Kinder nicht mehr arbeiten müssen.

"Es reicht nicht zum Leben, dazu habe ich zwei Wohnungen und muss am Ende des Tages schauen, wo ich bleibe." Und es ist deutlich mehr, als ihm der LAC-Vorstand noch geboten hat, um ihn zu halten. "Julia Hiller hat mir auch zu verstehen gegeben, dass sie die Entscheidung versteht", berichtet Schneider über seinen Abschied aus Fürth.


Olympische Spiele sollen 2021 auch mit Corona stattfinden


Und schon jetzt steht fest, dass er wiederkommen will – zum Hallo-sagen in der Halle und vielleicht sogar für ein Engagement nach der Athletenkarriere. Denn Lebensmittelpunkt bleibt die Wohnung mit der Freundin in Nürnberg, wo er seine Erholungspausen suchen wird. Arbeitgeber ist weiterhin Puma in Herzogenaurach, für den er als Kaufmann schon vor der Pandemie im Homeoffice arbeiten durfte.

Nein, es geht dem 27-Jährigen ja weiß Gott nicht ums Geld. Es geht um Ziele: "Ich will die Weichen für Olympia in Tokio stellen." Auf Juli 2021 sind die Sommerspiele verschoben worden. Der Sprinter hatte sich auf Tokio 2020 mit einer Trainingsgruppe im englischen Birmingham vorbereitet. Der Kopf hing nach der Verschiebung tief, doch Schneider ist ein Kämpfer. "Ich habe erst mal gebraucht, um zu verstehen, was das bedeutet. Aber ich bin ganz gut im Abhaken."

Als dann auch noch die EM abgesagt wurde, rief er im Internet zu einem Rennen auf – jeder sollte die 400 Meter laufen und seine Zeit zum Vergleich schicken: 35 Athleten aus der ganzen Welt schlossen sich an. Der Sommer 2020 war eine einzige Wettkampfsimulation, mehr nicht. Schließlich nutzte er den Spätsommer nur noch, um sich die Weisheitszähne ziehen zu lassen und den Umzug vorzubereiten – Neustart in Chemnitz.

Mit seinem Kumpel, dem 400-Meter-Läufer Marc Koch, gründet er dort eine WG. Birmingham war ihm wegen des laxeren Umgangs der Briten mit Corona zu unsicher. Ein ständig drohender Lockdown oder die Quarantäne nach den regelmäßigen Heimatbesuchen hätten den Weg nach Tokio steinig werden lassen.

Chemnitz hingegen bietet "die schnellste Trainingsgruppe Deutschlands", schreibt die Freie Presse. Der erst 37-jährige Trainer Jörg Möckel hat die Sprinterin Rebekka Haase in die Weltspitze gehievt. Einen ähnlichen Effekt erhofft sich nun Schneider, der in der Trainingsgruppe nicht nur auf Haase trifft, sondern auch auf die derzeit schnellste Deutsche über 100 Meter, Gina Lückenkemper, den deutschen 400-Meter-Meister Marvin Schlegel und 400-Meter-Meisterin Corinna Schwab. Das Trainerteam ergänzen Christopher Montague und mit Melle Kreuder eines der größten deutschen Ex-Nachwuchstalente im American Football.

An der Seite von Gina Lückenkemper

Fast entschuldigend ergänzt Schneider auf Nachfrage: "Ich war nie unzufrieden in Fürth und bin allen beim LAC mega dankbar. Aber ich will aus dem alten Muster ausbrechen, weil ich glaube, dass ich mein Potenzial noch nicht ausgeschöpft habe." In Chemnitz herrsche "ein ganz anderer Spirit als zuletzt in Fürth, die haben alle die olympischen Spiele als Ziel".

In Wattenscheid sei die Staffel das große Plus – wenn es als Einzelstarter nicht klappt, dann ist auch das eine Möglichkeit, sich für Tokio zu qualifizieren. In den nächsten Wochen wird der Wechsel formell über die Bühne gehen. Schneider wird in den Bochumer Stadtteil reisen, sich die Anlage anschauen und den zum 1. Januar gültigen Vertrag unterschreiben. Einen Fehlstart beim Anlauf für das Ticket nach Tokio sollte vermieden werden. In der Hallensaison und bei der Staffel-WM in Polen wird es zur Sache gehen. Schneider gibt sich kämpferisch: "Wir haben wenig Zeit und müssen schon im Mai schnell rennen. Ich habe vor, mich zu zeigen. Die Leute sollen sehen: ,Patrick Schneider ist zurück’."

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