Quelle Challenge: Brezen und Liebe
11.07.2009, 00:00 Uhr
4217 Mal Lächeln
Am Montag haben Marina Maueröder und Ivonne Kunze angefangen, die Beutel der Starter einzupacken. Eine Schwimmmütze, mehrere Startnummern, Programmheft, weitere Informationen, Energieriegel, Trinkflaschen, 4217 Mal. Seit Donnerstag stehen sie in einem Zelt auf dem Rother Festplatz, begrüßen die 4217 Starter aus 51 Ländern mit einem polyglotten Lächeln und teilen die Beutel aus. Man nennt sie «die Mädels von der Meldestelle«. Dass die meisten der 15 Frauen Urlaub nehmen, um von Montag bis Montag ehrenamtlich arbeiten zu dürfen, halten sie für normal. Sie machen es wegen «des internationalen Flairs«, «der tollen Abwechslung« oder um «endlich mal wieder Englisch zu sprechen«. Das allein vermag allerdings noch kaum zu erklären, warum all die anderen unbedingt dabei sein wollen, wenn am Sonntag über der Hilpoltsteiner Lände der Morgen zum längsten Tag des Jahres graut.
Wenn sich Marina Maueröder und Ivonne Kunze am Sonntagnachmittag nach einer Woche harter Arbeit den Einlauf der weltbesten Triathleten anschauen, stehen die meisten Helfer noch immer an der Strecke und reichen den Teilnehmern, die einfach nur ankommen wollen, Schwämme und Reiskuchen. Die Profis sind da bereits vergessen, zur Finish-Line-Party und dem Feuerwerk werden sie es nicht mehr schaffen, die Verpflegungsstelle muss schließlich auch noch gereinigt, Becher, Bananenschalen und Energiegels müssen eingesammelt werden. Fernab der sogenannten Stimmungsnester am Solarer Berg oder in Greding, wo der Applaus und die Bässe aus den Boxen die Radfahrer die Berge hinauftreiben, zwischen Weinsfeld und Eysölden zum Beispiel, wo bei vielen Jedermännern die Euphorie dem Schmerz weicht, versorgen die Helfer die Athleten mit so viel mehr als nur mit Kohlehydraten.
Lob von der Veteranin
Belinda Granger spürt «Liebe, überall auf der Strecke«. Sie darf das so pathetisch formulieren. Die Australierin hat an 31 Langdistanzrennen auf der ganzen Welt teilgenommen, am Sonntag will sie nach einem Trainingsunfall ihr 32. vor allem beenden – so wie viele andere auch. «Der Wert eines Rennens zeigt sich nicht daran, wie der Erste, sondern wie der Letzte behandelt wird«, sagt sie, die so oft als Erste an die Verpflegungsstationen kommt. «Und Roth ist da wirklich ganz besonders wertvoll.«
Für dieses Gefühl wird ein großer Aufwand betrieben. Ab März stellen die 21 Wettkampf-, ihre Abteilungs- und Gruppenleiter ihre Teams zusammen. 24 Vereine und 28 freiwillige Feuerwehren sind in die Organisation eingebunden. Aus Österreich, Berlin, Hamburg und auch aus den USA kommen Triathlon-Fans nach Roth, um mitzuhelfen. Selbst die Organisatoren-Familie Walchshöfer verliert da leicht den Überblick. Auf der Straße würde Alice Walchshöfer «vielleicht die Hälfte« der 4500 Helfer erkennen.
Seit 1984 dabei
Hans Enzingmüller kennt sie natürlich, Hans Enzingmüller kennen sie alle. Seit 1984 ist er mit dabei, damals, als Triathlon die Idee einer Trendsportart war und 90 Verrückte in den Kanal gesprungen sind; er hat beide Wechselzonen organisiert, seine Frau Marga hat den Schwimmern die Startnummern auf die Oberarme gemalt. Im Alter von 73 Jahren organisiert er immer noch das Fundbüro. Und warum? «Dieser Sport fasziniert mich einfach, ich glaube, vielen anderen geht es genauso«, sagt Hans Enzingmüller, der sich vor fünf Jahren selbst aufs Rennrad gesetzt hat, um sich als Staffelteilnehmer helfen zu lassen. Da hat er verstanden: Seit einem Vierteljahrhundert inspirieren sich Helfer und Sportler in Roth gegenseitig zu Höchstleistungen.
«Die Leute hier«, sagt Belinda Granger, «verstehen Triathlon, auch wenn sie selbst gar nicht sportlich sind.« Sie überlegt kurz, lächelt und sagt einen Satz, den keine Werbeagentur besser hätte formulieren können: «Vom Rennleiter bis zum Kind, das Flaschen ausspült, sie alle sind stolz auf den Challenge. Das macht Roth einzigartig.«