Rein mit der Murmel? Handwerker richtet's für den FCN
20.9.2020, 06:00 Uhr"Beim Tor kriege ich den Ball raus, ziehe nach innen und probiere es einfach mal aus". So schön, so gut. Dass das mit dem Einfach-mal-ausprobieren ziemlich hervorragend geklappt hat bei Tim Handwerker und beim Remis in Regensburg, ließ Nürnbergs Torschütze nach dem rot-schwarzen Unentschieden zum Liga-Auftakt als Erklärung so auch auf die clubeigene Website packen. Doch über was sprach der Blondschopf denn da genau?
Schwacher Fuß? Von wegen!
In der 43. Minute, kurz vor Ende einer intensiv geführten, aber ereignisarmen ersten Hälfte, verlagert Johannes Geis auf links. Im Halbfeld hat Handwerker dort den Ball zunächst an seinem starken linken Fuß. Nach einem durch einen flinken Haken vollzogenen Richtungswechsel, mit dem der 22-Jährige Regensburgs Vrenezi narrt, hat er ihn am rechten, seinem vermeintlich schwächeren.
Handwerker mit rechts jetzt hab ich alles gesehen
— Chris1900 (@1fcn_1900) September 18, 2020
Der Jahn schaut zu - und relativ teilnahmslos hinterher, als es Nürnbergs aufgerückter Außenverteidiger aus veritabler Entfernung einfach einmal ausprobiert. Mit rechts draufhält. Und den Ball mit einem trockenen Schuss und freundlicher Unterstützung des unglücklich aussehenden Alexander Meyer - seines Zeichens der Schlussmann des SSV - im linken Eck des Gastgeber-Kastens platziert.
Dass der Club kurz vor dem Kabinengang in der Oberpfalz führte, war mit Blick auf das Zustandekommen auch für seinen Coach eine erfreuliche Erkenntnis. "Ich weiß, dass er mit links einen sehr guten Torabschluss hat", sagte Robert Klauß nach der Partie und meinte Tim Handwerker. "Dass er dann mit rechts schießt, war auch für mich überraschend und wahrscheinlich für alle", gluckste der Trainer, der vergleichbare Aktionen seines Teams in Regensburg gerne öfter gesehen hätte.
Klauß' Murmel-Lehre
"Nicht klar genug in unseren Aktionen", "etwas überhastet, wenn wir den Ball flach am Fuß hatten", befand der neue Club-Coach - angesprochen auf Nürnbergs Offensiv-Manko in der Oberpfalz - wären seine Jungs beim Jahn gewesen. Etwas, was Klauß außerordentlich schade fand. "Die Räume, die wir uns ausgemalt hatten, gerade auf der ballfernen Seite und in den Halbräumen, waren da". Wenn Nürnberg in diese spielte, wurde es gefährlich. Weil Nürnberg mit Ausnahme der 43. Minute zu selten in diese spielte, fand dies auf der Anzeigetafel jedoch nur einmal Ausdruck.
Für seinen Club gelte es, die Balance zu finden, sagt Klauß. Auf der einen Seite, dem Gegner, wenn er das Leder hat, energisch zu begegnen. Auf der anderen Seite, "Ruhe und Coolness am Ball zu bewahren, wenn du die Murmel am Fuß hast", lautet sein in der Pressekonferenz festgehaltener Anspruch. Verstehen könne er schon, dass das in Regensburg häufig nicht so klappte. "Hoher Puls, Laktat, du willst schnell eine Entscheidung treffen". Aggressiv gegen den Ball und trotzdem cool mit der Murmel am Fuß", wiederholte der Club-Coach also das bereits zuvor formulierte, seinem Spielverständnis entsprechende Ziel, das Tim Handwerker vor der Pause perfekt umsetzte.
Getroffen hat der mit erheblichem Vorwärtsdrang ausgestattete U21-Nationalspieler, in Leverkusens Jugend einst auch nominell als Offensivkraft tätig, für den Club damit zum zweiten Mal im Pflichtspiel-Betrieb. In der fürchterlichen Vorsaison, in der Handwerker sich nach Anlaufschwierigkeiten gehörig steigerte und zu den besseren Nürnbergern gehörte, hatte der auf dem Weg nach vorne dynamische Bahnarbeiter schon einmal eingenetzt. Aus halblinker Position. Nach einem Querpass, aus ebenfalls über 20 Metern, im Hamburger Volkspark. Als es gegen dort ansässige Rothosen beim 1:4 nur kurzzeitig spannend wurde. Das war nach der Pause.
Geistesgegenwärtig mit dem Kopf
Vor der Pause in Regensburg wurde Handwerker übrigens noch einmal wertvoll für den FCN. Als er, ansonsten in der Abwehrarbeit mit einigen Problemen, kurz nach seinem Treffer dem Jahn auf der Torlinie die unmittelbare Antwort verwehrte. Mit dem Kopf klärte der 22-Jährige gut positioniert und geistesgegenwärtig. Warum die Regensburger danach aufgeregt ein Handspiel reklamierten, dürfte Robert Klauß und alle anderen, die es mit dem Club halten, ebenso überrascht haben wie der Rechtschuss des sich im Jahnstadion neu erfindenden Club-Torschützen.
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