Rossow und der FCN: Die "Depp-Zeit" ist vorbei

9.10.2019, 05:46 Uhr
Rossow und der FCN: Die

© Michael Matejka

Der Titel gefällt Niels Rossow ausgesprochen gut: "Ka Depp". So heißt der Podcast von nordbayern.de über den 1. FC Nürnberg, in dieser Woche mit dem Kaufmännischen Vorstand. Dessen persönliche Vision, was er in nächster Zeit so vorhat, mit "Ka Depp" ebenfalls vorzüglich überschrieben wäre.

Russsisches Fernsehen und ein "emotionaler Höhepunkt"

Dass der Club hin und wieder mal einer war, kann Niels Rossow (43), gebürtiger Nürnberger, verheiratet, zwei Kinder und Fan natürlich bestätigen. Seit über einem Jahr ist er mitverantwortlich für den Zweitligisten, der so gerne ein Erstligist wäre und sich eigentlich auch so fühlt, nur eben sportlich nicht Schritt halten kann mit den eigenen Ansprüchen.

Zum Besuch im Pressehaus bringt der ehemalige Top-Manager von Adidas viel Zeit mit und noch mehr spannende Antworten. Vor zehn Jahren, erzählt Rossow, sei er mit seiner Frau "vogelfrei in die weite Welt hinaus", um eines Tages festzustellen, "dass Nürnberg nicht so ein schlechter Fleck ist. Wir fühlen uns hier pudelwohl." Seinen Club hat er früher sogar im russischen Fernsehen verfolgt, "das war immer ein Highlight". Selbst ohne Ton.

"Das Jahr in der Bundesliga hat uns gutgetan" 

Dafür wird am Sonntag auch seine zweite Rede auf einer Mitgliederversammlung des 1. FC Nürnberg klar und deutlich zu hören sein. "Mit Sicherheit ein emotionaler Höhepunkt" sei die Zusammenkunft in der Meistersingerhalle (Live-Blog auf nordbayern.de), nicht nur, aber auch, weil man dann endlich die Zahlen verkünden kann, "man hat ja lange genug darauf hingearbeitet.". Die Zahlen, die Rossow verkünden wird, dürften die Stimmung aufhellen; einen "signifikanten Gewinn" könne der Club diesmal ausweisen, "das Jahr in der Bundesliga hat uns gutgetan" – allerdings fast ausschließlich in wirtschaftlicher Hinsicht. Die Tendenz sei endlich wieder positiv, "wir haben ein paar Sondereffekte realisieren können, so dass der Club tatsächlich wieder auf gesunden Füßen steht". Die Fremdkapitalquote? Solide. Die Eigenkapitalquote? Ebenfalls - jedenfalls nach Meinung Rossows.

 

"Damit würden wir im gesicherten Mittelfeld der Bundesliga mitspielen", sagt er nicht ohne Stolz; den vielschichtigen Zyklus eines Geschäftsjahres hat er jetzt zum ersten Mal hinter sich und auch die ersten Dämpfer nach anfänglicher Begeisterung, von der nach wie vor sehr viel übrig zu sein scheint. Rossow hat sich der Aufgabe verschrieben, den Club fit zu machen für die Zukunft.

Ein Wertesystem für den (fast) wachen Riesen

"Ich hatte schon die eine oder andere Erwartung, aber natürlich ist man überrascht, wenn man aus der Industrie kommt und in das magische Fußballgeschäft einsteigt", sagt Rossow, "ganzheitlich unternehmerisch" tätig sein zu können, scheint ihn auszufüllen, ebenso das noch schlummernde Potenzial des zwar nicht mehr schlafenden, aber noch etwas träge wirkenden Riesen.

Gewöhnen musste sich Rossow erst an seine neue Popularität als Vorstand; viele Menschen, die wie er ein Herz für den 1. FC Nürnberg haben, erkennen ihn auf der Straße oder im Restaurant und möchten nicht selten auch über den gemeinsamen Lieblings-Club sprechen. "Man arrangiert sich damit", sagt Rossow. Ungleich schwerer ist das im Tagesgeschäft.

+++ Der jüngste Rossow-Coup: Die Sparkasse steigt beim Club ein +++

Die chronische Abhängigkeit von Spielergebnissen schüttelt auch ihn regelmäßig durch; "es ist schon besonders, dass man diese brutale Messbarkeit hat, man weiß genau, wo man steht, wenn man sich die Tabelle anschaut", sagt Rossow im Podcast, "allerdings nicht kaufmännisch". Getrieben fühlt er sich deshalb, die Unruhe nach enttäuschenden Resultaten und die Euphorie nach erfreulichen macht es auch für ihn nicht unbedingt leichter, über das Wochenende hinaus zu denken.

In anderen Vereinen, so Rossow, "ist die Philosophie größer als die handelnden Personen", ein ähnliches Wertesystem schwebt ihm auch für den 1. FC Nürnberg vor: "Wir müssen uns ganz klare Ziele setzen, dann sind wir auch vermittelbarer gegenüber Fans und potenziellen Sponsoren." Von denen wähnt er selbst in der Metropolregion einige, sogar richtig große, nur fehlten den meisten bislang einfach die Anreize für ein Investment. Also heißt es für Rossow und sein Team, den Club nach abgeschlossener Konsolidierungsphase aufzuhübschen. Zum Bilanzstichtag 30. Juni 2017 drückten noch über 21 Millionen Euro Verbindlichkeiten, zwei Jahre später sind es wohl weniger als zehn.

Stadion, Slowakei, "Bomben-Kader", Eliteklasse 

Seine kaufmännische Vernunft und auch der Aufsichtsrat stehen für Weitsicht. "Wir wollen nie wieder in so eine Situation kommen", sagt Rossow; dafür müsse man in den nächsten Jahren größer werden, wachsen, "denn das Umsatzvolumen eines gestandenen Erstligisten haben wir noch nicht erreicht." Hilfreich wäre unter anderem eine moderne Arena, "perspektiv-stragetisch muss sich der Standort Max-Morlock-Stadion entwickeln, aber wir wollen es gemeinschaftlich angehen", sagt Rossow, also mit der Stadt, mit strategischen Partnern. "Was Karlsruhe kann, kann der Club auch."

Neue Märkte möchte er in Tschechien und der Slowakei erschließen, "vor unserer Haustür", wie Rossow findet. Vorstellen kann er sich sogar, dort "mal eine Zweigstelle unseres Nachwuchsleistungszentrums aufzumachen". Wobei über all den Plänen die Bundesliga-Zugehörigkeit der Profis steht. Fachkundige Kollegen auch höherklassiger Vereine würden dem Club gerade einen "Bomben-Kader" bescheinigen. Vielleicht haben sie ja zuletzt doch einiges richtig gemacht; zumindest die "Depp-Zeit" ist für Rossow schon lange vorbei. 

 

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