Rückkehr aus Südtirol: Der Gute-Laune-Club lässt hoffen

17.7.2017, 05:57 Uhr
Der Spaßfaktor kam trotz kraftintensiver Trainingseinheiten bei den Club-Spielern nicht zu kurz.

© Foto: Sportfoto Zink Der Spaßfaktor kam trotz kraftintensiver Trainingseinheiten bei den Club-Spielern nicht zu kurz.

Wenn nach einem Trainingslager Bilanz gezogen werden muss, klingt das selten negativ. "Ich habe zwei Tage überlegt, aber ich finde einfach nichts zum Meckern", befand denn auch Michael Köllner nach den neun Tagen von Natz. Hotel, Wetter, Trainingsmöglichkeiten – "alles top", schwärmte der Coach des 1. FC Nürnberg. Vor allem aber durfte Köllner am Sonntag die Heimreise mit dem guten Gefühl antreten, bei der Entwicklung einer Mannschaft, die seine Handschrift trägt, einen großen Schritt weitergekommen zu sein.

Auch vielen neutralen Beobachtern vermittelte der Aufenthalt in Südtirol die leise Ahnung, dass da gerade wirklich etwas entstehen könnte beim 1. FCN. Dabei macht es Köllner der Mannschaft mit seiner dominanten und mitunter etwas kauzigen Art keineswegs immer leicht. So organisierte der gläubige Christ etwa einen Klosterbesuch, lud einen Pfarrer zu einer Gesprächsrunde ein oder ließ darüber aufklären, wie wichtig das Tragen von Socken für die Regeneration ist. Nach einer Trainingseinheit versammelte er seine Schützlinge um sich, um ihnen auf dem Platz eine Geschichte über Visionen vorzulesen, was den einen oder anderen Profi doch etwas genervt mit den Augen rollen ließ.

Intensiv, komplex und geistig fordernd

Köllner weiß selbst, dass er mit seinen unkonventionellen Methoden und dem Faible für spirituelle Betrachtungsweisen nicht immer auf kollektive Begeisterung stößt. "Es ist ja immer die Frage, was man den Spielern zumuten kann." Dennoch ist er überzeugt von seinem ganzheitlichen Ansatz, "nicht nur den Spieler zu sehen, sondern auch den Menschen". Letztlich gehe es immer darum, "wie man der Mannschaft weiterhelfen kann".

Das gilt auch für die Arbeit auf dem Platz. Köllners Training ist extrem abwechslungsreich, intensiv, mitunter komplex und dadurch nicht nur körperlich, sondern auch geistig fordernd. Immer wieder unterbrach der Coach Übungen, um lautstark Laufwege oder taktische Details zu erklären. Der Spaßfaktor war dennoch hoch, Einlagen wie ein Standard-Wettbewerb, nach dem die Verlierer den Siegern das Mittagessen servieren mussten, ließen die mitgereisten Fans in Südtirol einen Gute-Laune-Club erleben.


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Von den spielerischen Fortschritten durfte man sich in den Testspielen gegen den VfR Garching (5:2) und Inter Mailand (2:1) überzeugen. Zumindest phasenweise überzeugte der Club da durch schnelles Umschaltspiel, konsequentes Pressing und Gegenpressing sowie temporeichen Kombinationsfußball. Ob der letztlich auch zweitligatauglich ist, darauf ist Köllner selbst am meisten gespannt.

Definitiv gestiegen ist die Leistungsdichte im Kader, fast jeder Spieler darf sich berechtigte Hoffnungen auf einen Einsatz machen. Stammplätze gibt es beim Club eh nicht mehr, Köllner will seine Personalauswahl von Woche zu Woche neu überdenken und ganz simpel die jeweils "aktuell beste Elf" aufs Feld schicken. Für den Auftakt gegen den 1. FC Kaiserslautern seien bislang allenfalls drei Plätze fest vergeben.

Ein Neuer für die Innenverteidigung?

Gute Karten dürfte das neue Außenverteidigerpärchen Enrico Valentini und Tim Leibold besitzen, das mit seiner Dynamik das Spiel von hinten heraus ankurbeln soll. Im Abwehrzentrum sollte Georg Margreitter gesetzt sein, vorausgesetzt, er ist richtig fit. In Natz musste der Österreicher erneut ein paar Tage wegen Rückenproblemen pausieren. Mit dem derzeit starken Ondrej Petrak und Allrounder Eduard Löwen sowie Patrick Kammerbauer hat Köllner reizvolle Alternativen in der Hinterhand. Und dann soll da ja auch noch ein gewisser Ewerton im Anflug sein. Der 28-jährige Brasilianer, der in der vergangenen Saison als Leihspieler in Kaiserslautern die Liga beeindruckte, hat das Trainingslager von Sporting Lissabon bereits verlassen und dürfte am Valznerweiher bald als siebter Neuzugang präsentiert werden – für rund eine Million Euro Ablöse.

Im Mittelfeld führt zunächst wohl kein Weg an Hanno Behrens, Kevin Möhwald, Sebastian Kerk und Löwen vorbei, auch Edgar Salli wirkt wesentlich besser integriert als in der vergangenen Saison. Völlig offen scheint der Konkurrenzkampf in der Sturmspitze. Mikael Ishak und Rurik Gislason haben durch ihre Tore gegen Mailand auf sich aufmerksam gemacht, lassen aber noch Konstanz vermissen. Neuzugang Adam Zrelak braucht wohl noch ein bisschen Zeit zur Eingewöhnung, Hoffnungsträger Cedric Teuchert bremsen immer wieder Probleme mit der Patellasehne aus – sehr zum Unmut des Trainers. "Wenn er nicht richtig trainieren kann, ist er auch nicht wichtig für uns", mahnt Köllner das manchmal an ein "rohes Ei" erinnernde Sturmtalent.

Köllner bleibt entspannt

Noch offen ist auch die Torhüterposition. Gegen Inter durfte sich Herausforderer Fabian Bredlow beweisen, bei der Generalprobe am
kommenden Sonntag gegen Borussia Mönchengladbach erhält dann Thorsten Kirschbaum noch einmal die Gelegenheit, Eigenwerbung zu betreiben. Entschieden sein dürfte bis dahin auch die Kapitänsfrage, die nach Köllners Einschätzung die Öffentlichkeit mehr beschäftige als die Mannschaft selbst. Die Verantwortung soll nach Vorstellung des Trainers sowieso auf mehrere Schultern verteilt werden.

Die Sorge vieler Fans, dass der Club bis zum Ende der Transferperiode noch begehrte Spieler wie Möhwald, Leibold oder Teuchert, deren Verträge 2018 auslaufen, an die Bundesliga verlieren könnte, wischt Köllner entschieden beiseite. "Wir haben nicht mehr diesen Transferdruck", betont der 47-Jährige, nur bei einem "astronomischen Angebot" würde man ins Grübeln kommen. "Aber ich habe nicht das Gefühl, dass irgendein Spieler unbedingt weg will." Schon gar nicht nach diesem Mut machenden Trainingslager.

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