Sensibler Bastard, geliebter Choleriker
31.12.2011, 14:12 UhrEr habe Gott zu danken für eine glückliche Kindheit, für die bis heute spürbare Wärme des Elternhauses, für ein Grundgerüst des Vertrauens, woraus Selbstbewusstsein erst wachse. Mit diesen Worten beginnt die Autobiographie von Sir Alex Ferguson („Managing My Life“), geschrieben zu einen Zeitpunkt, als er schon Legende war – 1999, nach dem Treble mit Manchester United: Meisterschaft, FA-Cup-Sieg und das legendäre Finale der Champions League gegen den FC Bayern München; danach schlug die Königin den Schotten zum Ritter.
Zwölf Jahre später ist Alex Ferguson, gelernter Werkzeugmacher, immer noch Teammanager des umsatzstärksten Vereins der Welt. Seit unglaublichen fünfundzwanzig Jahren trainiert Ferguson den Klub, und es ist wohl kein Tag vergangen, ohne dass man in Manchester Gott dafür dankte – oder Sir Alex zum Teufel wünschte. Oder beides.
„Der Haartrockner“ lautet einer seiner vielen Spitznamen, weil er Fußballer so anzubrüllen versteht, dass die sich den Fön sparen können. „Er kann die Haare eines ganzen Bataillons trocknen“, sagte Uniteds Rekordspieler Ryan Giggs einmal. David Beckham, den Ferguson bei United wie einen Sohn aufzog, kickte ein tobender Trainer einen Fußballstiefel ins Gesicht, als das Verhältnis zum Superstar zerrüttet war. Viel später erzählte Beckham, dass er wenige Menschen so bewundert habe wie seinen Ziehvater Ferguson. „Er liebt und beschützt uns, aber er verlangt Respekt vor dem Trikot von United“, sagte der Franzose Patrice Evra einmal über seinen Trainer.
Ferguson ist cholerisch, einfühlsam, streitbar, sensibel; er beherrscht die derbe Sprache des Glasgower Werftarbeiterviertels Govan, wo er in Sichtweite zum River Clyde zur Welt kam, genauso wie die feinen britischen Zwischentöne, wenn es gilt, unter Kollegen Streitigkeiten auszufechten – am liebsten tut er es mit Arsene Wenger, der seit fünfzehn Jahren den FC Arsenal trainiert. Manchester, der raue Norden, gegen die Kapitale London; es steckt viel Folklore in dieser geliebten Feindschaft.
Einen Bastard haben ihn Spieler genannt. Und einen Herzensmenschen. Real Clydesiders, hat er gesagt, seien die Fergusons immer geblieben. Im Internet kann man ein Video sehen, dass Alex Ferguson zeigt, als er den geliebten Kaugummi verliert. Er klaubt ihn etwas umständlich auf und kaut weiter – ein Ferguson gibt nichts ab. Und ein Draufgänger war Alex Ferguson immer. Als junger Stürmer stellte er mit 31 Saisontoren einen Vereinsrekord für Dunfirmline Athletic auf und wurde für die Rekordablöse von 65000 Pfund zu den Glasgow Rangers transferiert; noch als Profi stand er hinter dem Zapfhahn – im „Fergie’s“, seinem eigenen Pub. Als junger Trainer stürmte er mit dem kleinen FC Aberdeen in Europas Spitze – der Sieg über Real Madrid im Europacupfinale der Pokalsieger 1983 machte Ferguson über Nacht berühmt.
England lockte den überzeugten Schotten, der – nach dem Herztod von Jock Stein während des entscheidenden Qualifikationsspiels – zur WM 1986 vorübergehend die Nationalmannschaft seines Heimatlandes trainierte, ehe er dem Ruf von Manchester United folgte, dessen letzte Meisterschaft damals 19 Jahre zurücklag. Manchester, das Team der Busby-Babes, war mehr Vergangenheit als Zukunft – ein Abstiegskandidat. Die Geschichte der Tragödie von München 1958, als ein Flugzeugunglück das junge United-Team auslöschte, ehe Matt Busby die Mannschaft um die Überlebenden neu aufbaute, erreichte ihr Ende mit dem Europacupsieg der Landesmeister 1968. Nach 24 Jahren trat Sir Matt Busby ab – und erst unter Ferguson kehrte United in die europäische Spitze zurück.
Zwölf Meistertitel gewann Manchester mit Ferguson, zweimal die Champions League, fünfmal den FA-Pokal, einmal den europäischen Pokalsiegercup. Heute, an seinem 70. Geburtstag, wird Sir Alex Ferguson, Hobbygolfer und Rotweinkenner, im Old Trafford feiern; United empfängt in der Premier League die Blackburn Rovers. United, sagt er, sei viel wichtiger als sein Ehrentag. Und Loyalität sei – so lautet der letzte Satz in Alex Fergusons Biografie – der Anker seines Lebens. So habe er es in Govan gelernt.
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