Neuer Kampfsporttrend

Slap Fighting - Gehirnschäden als Sportart? Wieso Watschn-Wettkämpfe lebensgefährlich sein können

Erik Thieme

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13.8.2024, 12:49 Uhr
In den USA kann man seit 2022 Menschen im Fernsehen dabei zusehen, die sich professionell ohrfeigen.

© IMAGO/Louis Grasse/PxImages//Icon Sportswire In den USA kann man seit 2022 Menschen im Fernsehen dabei zusehen, die sich professionell ohrfeigen.

Seit Anfang 2023 kann man erwachsene Menschen nun auch im Fernsehen dabei beobachten, wie sie sich gegenseitig ohrfeigen. Beim "Slap Fighting" geht es darum, dem Gegenüber möglichst stark und präzise mit der flachen Hand ins Gesicht zu schlagen. Best Case für den Angreifer: Der verteidigende "Kämpfer" kippt bewusstlos um.

Dabei sind Ohrfeigen-Wettkämpfe kein neuer Trend. Vor allem in Osteuropa erfreut sich der Sport schon länger großer Beliebtheit. Bereits 2018 gab es die erste "Ohrfeigen WM" - in Sibirien.

UFC-Präsident Dana White gründet Ohrfeigen-Liga

Auf die ganz große Bühne gelang der Trendsport durch einen der wichtigsten Männer im Kampfsport: Dana White. Der Präsident der Ultimate Fighting Championship (UFC), der größte Veranstalter für Mixed Martial Arts (MMA) Wettkämpfe, übernahm das damals kurz vor der Insolvenz stehende Unternehmen zu Beginn des Jahrtausends. Seitdem ist der Wert des Unternehmens enorm gewachsen, interessiert man sich heutzutage für MMA-Kämpfe, gibt es an der UFC kein Vorbeikommen.

White hatte bereits 2017 Interesse an Ohrfeigen auf Wettkampfebene, im Oktober 2022 gab es dann den entscheidenden Durchbruch: Die Sportkommission des US-Bundesstaates Nevada stimmte zu, Whites Ohrfeigen-Liga "Power Slap" zu beaufsichtigen und zu regulieren. Um Verletzungen entgegenzusteuern und einen fairen Ablauf sicherzustellen, mussten feste Regeln für den Wettkampf aufgestellt werden.

Sorgen die Regeln wirklich für mehr Sicherheit?

Sonderlich komplex ist das Regelwerk nicht geworden. Man darf sein Gegenüber nur auf eine Gesichtshälfte schlagen, Gesichtsöffnungen dürfen nicht getroffen werden. Der angreifende Sportler hat 30 Sekunden Zeit, seinen Schlag auszuführen. Dabei muss der Gegner vorher informiert werden, ob der Attackierende direkt bei der ersten Armbewegung zuschlägt oder ob zuvor ein oder zwei Mal ausgeholt und eine Übungsbewegung ohne Treffer ausgeführt wird.

Der Verteidiger darf auf den Schlag jedoch nicht verteidigend reagieren: Ausweichen und sogar Zusammenzucken ist tabu. Nach dem Schlag hat der defensive Kämpfer seinerseits 30 Sekunden Zeit sich zu erholen und darf anschließend selbst zuschlagen. Gewinner wird derjenige, der 10 Punkte erhält. Diese werden abhängig von Schaden und Effektivität auf der Angriffsseite und Reaktion und Erholung auf der verteidigenden Seite vergeben.

Verpflichtend für alle Athleten sind ein Mundschutz sowie Baumwolle in den Gehörgängen, um die Trommelfälle zu schützen. Mehr Vorgaben gibt es nicht.

Es hagelt Kritik

Der Sportkommission von Nevada mussten Dana White & Co versichern, dass sichergestellt sei, dass sich kein Sportler schwere Hirnverletzungen zuziehen oder gar sterben würde. Das sehen nicht alle als gesichert. Chris Nowinski, ehemaliger Wrestler in der WWE und einer der führenden Neurowissenschaftler der USA, zweifelt genau das an. Der Experte für Gehirnerschütterungen reagierte auf X, ehemals Twitter, auf einen Power Slap Kampf. Wobei Kampf etwas zu viel gesagt ist, der Athlet Chris Kennedy geht nach dem ersten Schlag sofort zu Boden.

Der Wissenschaftler weist auf die sogenannte Fechtreaktion von Kennedy hin, also die unnatürliche Position der Arme. Eine solche Reaktion deutet auf eine ernstzunehmende Gehirnverletzung hin. Er stellt sogar die Vermutung auf, auf Kennedy könne der Schlag (lebenslange) Auswirkungen haben. Kennedy litt nach dem Schlag unter kurzzeitigem Gedächtnisverlust und musste von seinem Teamarzt darüber aufgeklärt werden, dass er gerade bei einem Slap Event sei und soeben gekämpft hätte.

Gespaltene Reaktionen auf Social Media

Auch in sozialen Netzwerken hagelte es Kritik für die neue Liga. Kampfsportfans fürchten eine Verrohung der Szene, viele vermuten ein deutlich höheres Verletzungsrisiko als bei anderen Kampfsportarten. Vor allem die nicht erlaubte Verteidigung stößt vielen Fans übel auf. Doch gleichzeitig scheint das Geschäft zu laufen: Zusammengeschnittene Highlight Clips erreichen in kürzester Zeit Millionen Klicks. Die Sportart ist leicht zu verstehen, selbst ohne Regelkenntnis erkennt auch ein Laie, wer gewinnt oder verliert. Vor allem, wenn einer der Kämpfer nach einem Schlag zu Boden geht.

Der Arzt und YouTuber Brian Sutterer bezeichnet Slap Fighting in einem Video als "unnötig riskant" und erklärt die größte Gefahr dabei. Die Handgelenkknochen treffen bei einer Ohrfeige nämlich genauso das Gesicht des Gegners wie der Rest der Hand. Mit einer Watschn habe das für den Arzt nichts mehr zu tun, viel eher gleiche es einem Fausthieb.

White verteidigt seine Liga - und fordert die Zuschauer auf, abzuschalten

Dana White reagierte auf die Kritik. In seiner Liga müsse ein Athlet statt der beim Boxen üblichen 300 bis 400 Schläge nur drei bis fünf Schläge pro Veranstaltung einstecken. Offensichtlich Grund genug, auf jegliche Verteidigung verzichten zu können. Außerdem betonte er, dass die Verletzungsgefahr auch dadurch gesenkt würde, dass die Kämpfer nur gegen Athleten aus der gleichen Gewichtsklasse antreten würden. Für alle, die keinen Spaß an seinem Wettkampf haben, hat er ebenfalls einen Vorschlag: "Oh, es widert dich an? Dann schau dir "The Voice" an!"

Keine Veränderungen in Sicht

Dass sich in naher Zukunft etwas ändert, davon ist nicht auszugehen. Die auf dem hauseigenen YouTube-Kanal hochgeladenen Kämpfe werden nach wie vor gut geklickt, Aufrufzahlen im sechsstelligen Bereich und mehr sind an der Tagesordnung. Die dritte Saison ist bereits in vollem Gange und solange die Liga weiter Gewinne macht, wird sie wohl bestehen bleiben. Laut eigenen Angaben machte Power Slap bereits in der ersten Saison 10 Millionen US-Dollar Gewinn - und sicherte damit wohl den Fortbestand.