Sponsoren fehlen: Fränkische Vereine häufig in Geldnot
7.3.2020, 12:49 UhrAls sich Jochen Scharf das erste Mal mit eigenen Augen das neueste Projekt anschaute, in das er da sein Geld steckt, war er einigermaßen schockiert. Scharf war mit Mütze und Schal gekommen, er wollte unerkannt bleiben. Nun stand er relativ verloren in der Halle über dem Schwabacher Schwimmbad, die den Charme versprüht von: einer Halle über einem Schwimmbad.
Die wenigen Zuschauer, die gekommen waren, saßen auf Holzbänken, wie sie Scharf noch aus dem Schulunterricht kannte, das Spielfeld war das Gegenteil von gut ausgeleuchtet und die Decke eigentlich viel zu niedrig, um hier seriös Basketball zu spielen. "Dürfen die das überhaupt?" Diese Frage stellte sich der besondere Gast.
Inzwischen baut Jochen Scharf bei den Heimspielen von Schwabachs Zweitliga-Basketballerinnen manchmal selbst die Holzbänke auf. Es ist sein "Herzensprojekt" geworden, wie er sagt. Als die Mannschaft gerade dabei war, in die vierte Liga abzusteigen, sprach ihn der damalige Trainer an. "Ob er nicht vielleicht . . .?" Scharf sagte "Ja". Vielleicht auch weil er "so schlecht Nein sagen kann", wie er selbst festgestellt hat.
Seitdem tragen die Kia Metropol Baskets den Namen seiner Autohauskette und weil sich in der Nische Frauen-Basketball auch schon kleine und mittelgroße Summen bemerkbar machen, konnte der Verein nicht nur den Abstieg verhindern, sondern auch bald einen Aufstieg feiern. "Bundesligastadt Schwabach" – das Motto hat Scharf ausgegeben. In dieser Saison haben sich die Baskets in der oberen Hälfte der 2. Bundesliga Süd etabliert.
Diese hübsche Erfolgsgeschichte vor den Toren Nürnbergs steht, das muss man im März 2020 so nüchtern feststellen, im krassen Gegensatz zu vielen anderen Entwicklungen in der regionalen Sportlandschaft.
Kommentar: Warum von Sport-Sponsoring alle profitieren
Der 1. FC Nürnberg, der populärste Verein in der Region? Konnte nach dem Aufstieg in die 1. Bundesliga die Mannschaft auch aufgrund der Altlasten kaum verstärken und stieg direkt wieder ab. Die Ice Tigers starten kommende Woche in die Playoffs der Deutschen Eishockey-Liga, müssen das Feld allerdings von hinten aufrollen; so komfortabel wie noch vor zwei, drei Jahren ist die Ausgangslage nicht mehr. Thomas Sabo, seit 2009 Namenspate des Vereins, beendet zum Ende der Saison sein Engagement. Sich wieder nach oben zu kämpfen, wird dadurch nicht einfacher.
Die Handballer des HC Erlangen, die sich bei den Heimspielen mit den Ice Tigers die Arena Nürnberger Versicherung teilen, schienen sich nach dem Aufstieg 2016 bereits in der 1. Bundesliga etabliert zu haben. Statt um einen Platz in einem europäischen Wettbewerb geht es im letzten Saisondrittel aber nur noch darum, die Klasse zu halten.
Die Basketballer der Nürnberg Falcons schafften vor einem Jahr sportlich den Sprung in die 1. Bundesliga, bekamen aber keine Lizenz erteilt, weil die passende Spielstätte fehlte und die Liga dem Verein die Finanzkraft nicht zutraute, um nach Bamberg oder Regensburg auszuweichen. Das Tennisturnier am Valznerweiher, das zwischen 2013 und 2019 Spielerinnen aus aller Welt nach Nürnberg lockte? Ist Geschichte, weil die Veranstalterin nach dem Ausstieg der Nürnberger Versicherung keinen neuen Hauptsponsor auftreiben konnte.
Und mehrere Gehaltsklassen darunter, dort, wo Amateure einen Sport (semi-)professionell betreiben, sieht es nicht viel besser aus. Die Volleyballer des SV Schwaig zählen seit Jahren zur Zweitligaspitze, könnten sich einen Aufstieg aber gar nicht leisten. Die Ringer der Johannis Grizzlys verpassen regelmäßig die spannendste Zeit des Jahres, weil andere Vereine die besseren Kämpfer aus dem Ausland finanzieren können. Die Badmintonspieler des TSV Freystadt gaben vor wenigen Wochen ihren Rückzug aus der 1. Bundesliga bekannt, die Begründung: "Trotz steigender Zuschauerzahlen konnten wir keinen Hauptsponsor gewinnen, um den Kader zu halten und die Reisekosten zu decken." Die Anforderungen der Liga waren zunehmend überfordernd.
"Diese Nachricht ist symptomatisch für das, was hier in der Sportszene schief läuft", sagt Thomas Lappe. "Sponsoring ist ein riesiges Problem." Lappe kümmert sich beim SV Schwaig um die Pressearbeit, vor allem hat er aber vor zwei Jahren das "Sportbündnis Bundesliga" mit ins Leben gerufen. 14 Vereine aus dem Großraum Nürnberg, die in der 1. und 2. Bundesliga spielen, ringen, segeln oder tanzen, haben sich dort organisiert, demnächst werden es nur noch 13 sein. Freystadt zieht sich in die Regionalliga zurück.
Natürlich gibt es viele Gründe, warum sich die sportlichen Erfolgsgeschichten in der Region zuletzt rar gemacht haben, vor allem gibt es viele verschiedene Gründe: falsche Entscheidungen im Management, zu wenig Qualität vor und hinter der Seitenlinie oder eben die Tatsache, dass Badminton selbst unter den Randsportarten noch Randsportart ist. Immer wieder fehlt aber schlichtweg die Unterstützung aus der Wirtschaft, um dauerhaft oben mitzuspielen, vielleicht sogar mal um einen Titel.
Thomas Lappe weiß, wie es sich anfühlt, oft erfolglos Klinken zu putzen, wie er es nennt; ein etwas aus der Zeit gefallenes Sprachbild, aber für die Vereine aus den kleineren Sportarten trifft es ja immer noch zu. Er tut das seit 20 Jahren und stellt fest, dass es zunehmend schwieriger wird, wenn man nicht als Abgesandter von einem der großen Fußballklubs kommt. "Wenn da in der Geschäftsführung nicht jemand sitzt, der eine Affinität zu der Sportart hat, hat man eigentlich keine Chance", sagt Lappe. Als Vorwurf an den 1. FC Nürnberg oder die Spielvereinigung Greuther Fürth will er das explizit nicht verstanden wissen, aber natürlich würde er sich als Volleyballer wünschen, dass der Großraum so breit aufgestellt bleibt, wie er aktuell ist. "Während manche Sponsoren bei den Großen nur eine kleine Nummer sind, wären sie bei uns der King", sagt Lappe über die Mitglieder des Sportbündnisses Bundesliga. Auch kleine Summen können hier Großes bewirken.
So wie in Schwabach, wo Jochen Scharf der "King" ist, auch wenn er sich selbst nie so nennen würde. Im Gegensatz zu manch anderem Sponsor, versucht er sich nicht mehr einzumischen als es der normale Fan tun würde, hat er zuletzt bei den "Sitzplatz-Ultras", dem Sport-Podcast dieser Zeitung, erzählt: "Ich bin nicht derjenige, der das alles aufgebaut hat."
Er unterstützt vor allem Sportlerinnen und Sportler, die hohen Aufwand betreiben, aber nicht davon leben können. Basketball, Ringen, demnächst vielleicht auch American Football – Scharf hilft mit Geld und seinem Netzwerk. Es geht um Aufmerksamkeit für sein Unternehmen, sagt er über seine Motivation, aber auch um den Zusammenhalt vor Ort.
Und immer mehr um den "War of talents", wie Niels Rossow festgestellt hat: den Kampf um die besten Mitarbeiter. Oft dienen die Vereine und ihre Events als Projektionsfläche, "immer häufiger ist unser Ansprechpartner nicht nur die Marketing-, sondern auch die Personalabteilung", sagt der Kaufmännische Vorstand des 1. FC Nürnberg. Auch das sportliche Aushängeschild der Region "muss sich stetig neu erfinden", wie es Rossow formuliert. "Als Club ist es nicht schwer in die Zimmer der Entscheider zu kommen", sagt er, sie von einem Engagement zu überzeugen, dass im überhitzten Fußball-Geschäft weiterhilft, dagegen schon. Ein Platz auf der Stadionbande allein reicht nicht mehr. "Die Unternehmen sind anspruchsvoller geworden", sagt Rossow.
Im besten Fall werden die Unterstützer zu Fans. So wie Jochen Scharf. Ansprechpartner ist häufig nicht mehr die Marketingabteilung. Das ist symptomatisch für das, was hier schief läuft.
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