Zum Abschluss zieht Fitnesstrainerin Marlen Kindler noch einmal das Tempo an. "Und acht, und sieben, und sechs", kommandiert sie, während sie im seitlichen Stütz den Ellenbogen zum Knie zieht. 48 Menschen schwitzen mit, aus den Boxen dröhnt Musik. So wie sonst auch, wenn der Fitnessgymnastik-Kurs in einer der Erlanger Turnhallen stattfindet.
Nur dass die im Corona-Lockdown momentan geschlossen sind. Und so findet der Kurs virtuell statt, der TV 48 Erlangen nutzt dafür seit dieser Woche die Videokonferenz-Software Microsoft Teams. Auch manche der Teilnehmerinnen haben ihre Kamera an, so sehen sie sich gegenseitig in ihren Wohnzimmern verrenken. Die meisten haben sie jedoch aus, auch anonym mitmachen ist möglich.
Die Fitnessgymnastik mit Kindler ist nicht nur für Mitglieder offen, sondern für alle – und die Teilnahme ist kostenlos. Seit Montag bietet der TV 48 insgesamt 25 solcher Kurse von Montag bis Freitag online an, das Angebot reicht von "Rücken fit" über Ski-Gymnastik und Ballett bis zu Sport in und nach der Schwangerschaft. Weitere Kurse für Kinder aus der Ballschule des Vereins kommen noch hinzu (das komplette Programm des TV steht auf der Vereins-Webseite).
Aus einem eigenen Studio
Der TV hat dafür extra ein zweites Studio eingerichtet, in dem die Trainerinnen gefilmt und dann live ins Internet gestreamt werden können. Für das Online-Angebot des vereinseigenen Fitnessstudios TV Vital gab es bereits eines. "Wir hatten schon viele Übungsleiterinnen, die das von zuhause gemacht haben und die Teilnehmer selbst eingeladen haben. Nun haben wir ein offenes Angebot mit viel größerer Reichweite", sagt Günther Beierlorzer, der sportliche Leiter des Vereins.
Jeder, der einen Computer oder ein Smartphone zuhause hat, kann sich in die Kurse hineinschalten und -schnuppern. Zu Beginn der Stunde ist es über Teams möglich, sich mit der Übungsleiterin zu unterhalten und Fragen zu stellen. Erst wenn der Kurs beginnt, werden die Teilnehmer stumm geschaltet.
"Es ist ein Übergangsangebot"
"Es ist ein Übergangsangebot, um möglichst vielen Leuten Bewegung zu ermöglichen"; sagt Beierlorzer. Die Hoffnung des Vereins ist dabei nicht nur, langfristig neue Mitglieder zu gewinnen, in einer Zeit, in der das kaum möglich ist. "Unsere Mitglieder sollen mitbekommen, dass ihr Verein in solchen Zeiten da ist und wir uns den Bestand erhalten können", sagt Beierlorzer.
Dass der Lockdown immer scheibchenweise verlängert wird, frustriert viele in den Sportvereinen. Das zunehmende Online-Angebot ist auch eine Reaktion darauf, dass kaum jemand Hoffnung hat, vor den Osterferien in die Sporthallen zurückkehren zu können.
Yoga und Zumba beim ASV Niederndorf
Auch der ASV Niederndorf hat reagiert. Über die Video-Plattform Zoom, die ebenfalls ein Interagieren zwischen Trainerinnen und Teilnehmern ermöglicht, bietet die Gymnastikabteilung am 15. Februar und am 1. März zwei jeweils 60-minütige Online-Kurse an: Yoga um 14.30 Uhr und Zumba um 19.15 Uhr (Zugangsdaten über anita.joost@asv-niederndorf.de). Bereits zuvor gab es vereinsinterne Videokurse für Mitglieder zum Faszientraining, aber auch in der Tanzsportabteilung. Die beiden Yoga- und Zumba-Kurse sind nun kostenlos und offen für alle Interessierten. Geleitet werden sie von den Trainerinnen, die das in normalen Zeiten im Niederndorfer Sportheim auch tun.
"Wir haben uns das auch als Werbung für den Verein gedacht, für Mitglieder, aber auch für alle anderen. Vielleicht entscheidet sich dann ja jemand, mitzumachen, wenn wir wieder dürfen", sagt Abteilungsleiterin Anita Joost. Noch habe es in der Abteilung keinen großen Mitgliederschwund gegeben, doch die Befürchtung ist groß, dass der kommen könne, wenn die Vereine ihren zahlenden Mitgliedern über weitere Wochen und Monate nichts bieten können.
Schon jetzt spüre man Ungeduld und teilweise auch Frust. "Die bisherigen Teilnehmer klagen, wann es endlich weitergeht", sagt Joost.
Auf YouTube ins TV-Vital
Schon seit dem ersten Lockdown im März bieten Vereine wie der TV 48 und der Turnerbund Erlangen Online-Fitnesskurse als Video auf YouTube an, seit November auch im Livestream. Interaktiv ist das allenfalls bedingt über die Kommentarfunktion, mitmachen kann man aber immer.
Youtube, sagt Fitnesstrainerin Susanne Faria, die viele der Kurse der beiden Vereine leitet und sie auch organisiert, habe aber einen großen Vorteil. Wegen der guten Bild- und Tonqualität sei der Dienst besonders für Smart-TVs mit großem Bildschirm geeignet. "Das ist schon ein Luxus, wenn man im Wohnzimmer alles wegräumt und vor dem Flachbildschirm mitturnt. Das ist etwas anderes, als wenn man vor dem Laptop oder PC sitzt", sagt Faria.
Strenge Beschränkungen
Bis November konnte sie mit einer jungen Kollegin noch zu zweit vor der Kamera stehen, nun ist das aufgrund der strengeren Beschränkungen nicht mehr möglich: Faria muss die Kurse alleine leiten. Die Auflagen für die Vereine sind hoch, anfangs war in Bayern aufgrund der pauschalen Schließung aller Sportstätten dort nicht einmal erlaubt, dass sich ein einzelner Übungsleiter in der leeren Halle filmen lässt. Das ist mittlerweile anders.
Der Frust sitzt bei aller Umtriebigkeit dennoch tief. "Das bisschen, was wir dürfen, ist wie ein Gnadenstoß. Ich ärgere mich immer, wenn ich den Profisport im Fernsehen sehe, wo sich die Leute abklatschen und umarmen. Und wir im Amateursport dürfen fast gar nichts und müssen noch dankbar sein, dass sich einer vor die Kamera stellen kann", sagt Faria.
Wachsendes Unverständnis
Auch unter den Teilnehmern spüre man ein wachsendes Unverständnis über die strikten Verbote im Breitensport. Immerhin: Abreagieren kann man sich mit den Youtube-Videos der Vereine gut. Das Angebot ist in den vergangenen Monaten stetig gewachsen Von "Body Combat"-Training über Rückengymnastik bis Langhantel-Workout ist alles dabei.
Der Youtube-Kanal des Turnerbundes heißt "TB TV" zu finden, der des TV 48 heißt "Turnverein 1848 Erlangen e.V."
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