Eine Stunde in der Kabine

"Seelische Wunden": Wie Fürth das 1:7 in Leverkusen verarbeitet

Michael Fischer

Nürnberger Nachrichten

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5.12.2021, 13:01 Uhr
„Die Jungs bestärken in ihrem Tun“: Fürths Trainer Stefan Leitl (Mitte) versucht, seine Spieler (in Blau) anzutreiben. Es half nichts. Endstand: 1:7.  

© Sportfoto Zink / Wolfgang Zink, Sportfoto Zink / Wolfgang Zink „Die Jungs bestärken in ihrem Tun“: Fürths Trainer Stefan Leitl (Mitte) versucht, seine Spieler (in Blau) anzutreiben. Es half nichts. Endstand: 1:7.  

Am Samstagabend machte sich Stefan Leitl keine Freunde in Leverkusen. Als der Trainer des Kleeblatts zur obligatorischen Pressekonferenz erschien, war das Spiel, über das er sprechen sollte, schon seit fast eineinhalb Stunden beendet. Während beim Topspiel der Bundesliga in Dortmund gerade zwei Tore fielen, nahm Leitl auf dem Podium Platz. Endlich. "Entschuldigung, dass es so lange gedauert hat", sagte er einleitend, "aber wir mussten ein paar Wunden lecken in der Kabine."

Es war ein Satz, der nachhallte. Es hatte sich ja glücklicherweise kein Fürther ernsthaft verletzt in den 90 Minuten auf dem Rasen, zumindest nicht körperlich. Mental aber war dieses 1:7 der Spielvereinigung Greuther Fürth bei Bayer Leverkusen ein sehr schmerzhaftes Spiel, es seien deshalb auch "seelische Wunden" gewesen, um die sich Doktor Leitl erst einmal kümmern musste, wie er auf Nachfrage konkretisierte.

Angekratzt, aber auch gefasst

Die Krankenakte seiner Patienten war in den vergangenen Monaten ja immer dicker geworden. Seelisch wurde es mit jeder Niederlage ein bisschen schwerer, sich die Freude am Fußball zu bewahren - der doch eigentlich so viel Spaß machen soll. Doch so schlimm die zwölf Niederlagen zuvor waren, dieses Spiel war noch ein bisschen schlimmer. Es war: ein Desaster. "Was sagt man nach einem 1:7?", fragte Leitl sich selbst und alle Menschen, die da gerade zuhörten. "Es ist schwer, die passenden Worte zu finden."

Stefan Leitl aber ist ein Mensch, der selbst nach solch traurigen Stunden die Ruhe bewahrt. Er wirkte zwar angekratzt, aber auch gefasst. Er sei "zufrieden mit der ersten Hälfte" gewesen, "gute Abläufe" und "gute Momente im Spiel gegen den Ball" wollte er erkannt haben. "In meinem Empfinden gab es zwei Entscheidungen, die ich nicht nachvollziehen kann", sagte der Fürther Trainer. Nachdem Amine Adli Leverkusen nach zwölf Minuten in Führung gebracht hatte, traf Maximilian Bauer zwei Minuten später zum vermeintlichen Ausgleich.

Der Linienrichter hob aber sofort die Fahne, auch nach VAR-Eingriff verweigerte der Schiedsrichter dem Tor die Anerkennung. "Da erkenne ich kein Abseits und kein aktives Eingreifen von Max Christiansen", kritisierte Leitl - sein Spieler sollte, im Abseits stehend, den Laufweg eines Leverkuseners blockiert haben. Stattdessen traf Leverkusen kurz darauf zum 2:0, das die Fürther Defensive desaströs verteidigte. Zuvor aber war Branimir Hrgota von Patrick Schick eindeutig gefoult worden, "einen Ringkampf" nannte es Leitl, "da kann man auf Foul entscheiden".

Es gehört zur Wahrheit, dass die Fürther zwar sehr schlecht verteidigten, aber auch zweimal eindeutig vom Schiedsrichter benachteiligt wurden. Nicht zum ersten Mal in dieser Saison. Jeremy Dudziak verkürzte noch einmal auf 1:2, doch weil die Defensive des Kleeblatts keine Lust auf vehementes Verteidigen hatte, durfte Piero Hincapie noch vor der Pause das 3:1 erzielen. In der Kabine nahmen sich die Fürther vor, das Spiel möglichst lange offenzuhalten und womöglich noch einmal zurückzukommen - doch dazu kam es nicht.

In der 49. Minute unterlief Barry ein erschreckender technischer Fehler, kurz darauf begannen die Patrik-Schick-Festspiele. In nur 27 Minuten ließen die Fürther den Leverkusener Angreifer vier Tore erzielen, sodass bereits eine Viertelstunde vor Schluss ein 7:1 auf der Anzeigetafel stand. Danach hatten sowohl Bayer als auch der Schiedsrichter ein Einsehen, nach 90 Minuten und zehn Sekunden Nachspielzeit war Schluss. Noch immer: Sieben zu Eins.

Nach dem Schlusspfiff ging Stefan Leitl sofort in die Kabine - und kam erst einmal eine Stunde lang nicht mehr raus. Am Sonntagmorgen nahm sich der Trainer nochmal Zeit, um über die Zeit mit seiner Mannschaft zu sprechen. Was er beim Blick in die Gesichter seiner Spieler sah? Angst? Schock? So schlimm sei es nicht gewesen, erzählte Leitl. "Es steht über allem, dass es unheimlich wehtut." Seine Spieler hätten natürlich kaum Selbstvertrauen mehr, "sie machen sich ihre Gedanken, weil sie in einer Liga angekommen sind, die brutal ist, die jeden Fehler bestraft".

Es gehe jetzt darum, die "Jungs zu bestärken in ihrem Tun", wie Leitl es formulierte. Sie nach diesem bitteren Nachmittag wieder aufzurichten. "Es ist besser, dass man sich nach so einem Spiel gleich direkt austauscht und alles offen anspricht."

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