Entwicklung des Kleeblatts

Zweite Spielzeit unter Zorniger: Fortschritt oder Stagnation? Ein Rückblick auf die Saison 2023/2024

Johannes Lenz

Nordbayern-Redaktion

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25.6.2024, 16:48 Uhr
Eines der Highlights der Saison 2023/2024: Der Derbysieg im Februar, den Mannschaft und Trainer mit den Fans bejubeln. Insgesamt betrachtet war es eine wechselhafte Saison mit vielen Höhen, aber auch Tiefen. 

© IMAGO/Sportfoto Zink / Wolfgang Zink Eines der Highlights der Saison 2023/2024: Der Derbysieg im Februar, den Mannschaft und Trainer mit den Fans bejubeln. Insgesamt betrachtet war es eine wechselhafte Saison mit vielen Höhen, aber auch Tiefen. 

Sonntag, der 19. Mai 2024: Die Spielvereinigung empfängt am 34. Spieltag der 2. Bundesliga den FC Schalke 04. Es läuft bereits die fünfte Minute der Nachspielzeit, als Julian Green einen missglückten Klärungsversuch des Schalker Torhüters abfängt und Maß nimmt - der Ball klatscht an den Pfosten. Aus Sicht der Spielvereinigung der letzte Aufreger der Saison, denn kurz danach pfeift Schiedsrichter Patrick Schwengers die Partie ab. MIt dem 2:0-Sieg gegen Schalke endet für das Kleeblatt eine Spielzeit, die auf den ersten Blick äußerst unspektakulär wirkt: 50 Punkte, Platz acht in der Tabelle, gleichermaßen weit entfernt von Abstiegssorgen und Aufstiegsambitionen. Doch ganz so einfach ist die Sache nicht.

Wäre die Kleeblatt-Saison 23/24 ein Gemälde, glich es am ehesten wohl einem expressionistischen Farbfeuerwerk: in der Palette fände sich das tiefe Schwarz des Tabellenkellers ebenso wieder wie das euphorische Sonnengelb eines Aufstiegstraumes, der letztlich im matten Grau des tabellarischen Niemandslandes zerplatzte. Denn von Platz sechzehn bis Platz zwei war alles dabei für die Mannschaft von Alexander Zorniger - das oft bemühte Bild der Achterbahnfahrt ist fast unvermeidlich. Nur dass die Fahrt dermaßen turbulent war, dass nicht nur den Insassen, sondern auch den Zuschauern vom bloßen Hinsehen schwindlig wurde. Am Ende stellt sich die Frage, was überwiegt: der Rausch des Adrenalins oder das flaue Gefühl in der Magengegend?

Für Alexander Zorniger ist die Sache eindeutig: "Ich finde, es war eine richtig gute Saison", ließ der Fürther Trainer schon auf der Pressekonferenz vor dem letzten Spiel gegen Schalke verlauten. Für eine Saison der Prädikate "super" oder gar "überragend" hätten zwar ein paar Punkte gefehlt, dennoch fällt das Fazit des Coaches positiv aus. Rachid Azzouzi, Geschäftsführer Sport beim Kleeblatt, schließt sich dieser Einschätzung an: "Wir haben in der oberen Tabellenhälfte abgeschlossen, uns auch im Vergleich zur vergangenen Saison weiterentwickelt und in dieser wirklich engen Liga nie größere Sorgen haben müssen."

Zornigers zweite Spielzeit: Stagnation statt Aufbruch?

Aber lassen sich diese Einschätzungen objektiv belegen? Beim Blick auf die nackten Zahlen lautet die unbefriedigende Antwort: jein. In der Vorsaison hat das Kleeblatt 41 Punkte eingefahren und Platz zwölf belegt - in dieser Hinsicht stellt die vergangene Spielzeit tatsächlich eine Verbesserung dar. Doch beim Vergleich mit der Saison 2022/23 darf nicht vergessen werden, dass die Spielvereinigung mit dem Schweizer Marc Schneider als Trainer startete - und Alexander Zorniger erst zum 14. Spieltag mit der Hypothek von gerade einmal zehn Zählern und dem letzten Tabellenplatz die Geschicke an der Seitenlinie übernahm.

In den 21 Spielen, die Zorniger in der Saison 2022/23 betreute, holte das Kleeblatt 31 Zähler - im Durchschnitt rund 1,48 pro Partie. In der abgelaufenen Spielzeit, der ersten kompletten Saison unter Zornigers Regie, lag der Punkteschnitt bei 1,47. Zumindest in dieser Hinsicht ist keine Verbesserung festzustellen. Eine solche zeigt sich dafür bei Betrachtung der erzielten Tore: In der Vorsaison traf die Spielvereinigung unter Zorniger 1,38 Mal pro Partie, in der abgelaufenen Spielzeit waren es 1,47 Tore pro Spiel. Hinsichtlich der Gegentore geht der Trend in die andere Richtung: 1,19 Gegentreffer kassierte das Kleeblatt seit Zornigers Amtsantritt 2022/23 im Schnitt, 2023/24 waren es durchschnittlich 1,44 Gegentore.

Junge Spieler nehmen gute Entwicklung

Doch die Leistung eines Trainers wird nicht nur in Punkten und Toren gemessen, auch an der Entwicklung der einzelnen Spieler sind der Übungsleiter und seine Assistenten maßgeblich beteiligt. Besonders auf das Fördern junger Akteure legen die Verantwortlichen bei der Spielvereinigung großen Wert - beim Blick auf die vergangene Spielzeit dürften Rachid Azzouzi & Co. mit Zornigers Arbeit in dieser Hinsicht zufrieden sein.

Mit drei jungen Leihspielern ist das Kleeblatt in die Saison 2023/24 gestartet. Jonas Urbig, Robert Wagner und Tim Lemperle überzeugten allesamt und haben sich zu Stammspielern und Leistungsträgern entwickelt. Auch wenn alle drei in der kommenden Saison nicht mehr für das Kleeblatt auflaufen werden, kann der Verein von ihren Leistungen auch über die Spielzeit hinaus profitieren. Schließlich sehen auch andere Nachwuchsspieler, welche Möglichkeiten sich in Fürth zur sportlichen Entwicklung bieten. Und den Vereinen aus Deutschlands höchster Spielklasse bleibt nicht verborgen, dass ihre jungen Talente bei der Spielvereinigung die nächsten Schritte gehen können.

Doch nicht nur für die Leihspieler war die abgelaufene Spielzeit eine erfolgreiche, auch andere Kleeblatt-Akteure haben beachtenswerte Fortschritte gemacht. Allen voran Armindo Sieb, der mit zwölf Treffern zum erfolgreichsten Fürther Torschützen avancierte und sich im internen Konkurrenzkampf gegen den erfahrenen Dennis Srbeny klar durchsetzen konnte. Auch Maximilian Dietz überzeugte, der 22-Jährige entwickelte sich in seiner ersten kompletten Saison als Profi zum Stammspieler in der Innenverteidigung. Seinem Beispiel dürfen Dennis Pfaffenrot und Philipp Müller folgen, beide haben in der abgelaufenen Saison ihre ersten Profiverträge unterschrieben und durften erste Einsatzminuten in der 2. Bundesliga sammeln.

Nicht alle gehen den nächsten Schritt

Doch nicht alle Spieler, auf denen Hoffnungen ruhten, haben sich so prächtig entwickelt. Beispielsweise Kerim Calhanoglu: Der 21-Jährige sollte Oussama Haddadi auf der linken Abwehrseite herausfordern. Obwohl Haddadi sich im Saisonverlauf immer wieder teils schwerwiegende Fehler leistete, kam Calhanoglu nicht am Routinier vorbei - lediglich elf Einsätze standen letztendlich zu Buche, nur einer davon über die komplette Spielzeit. Zuletzt ließ Zorniger sogar lieber Stürmer Tim Lemperle auf der linken Schiene spielen. In den letzten sechs Saisonspielen stand Calhanoglu gar nicht mehr auf dem Rasen, zweimal sogar nicht einmal mehr im Kader. Gut möglich, dass sich die Wege noch vor der Saison 2024/2025 trennen könnten.

Über die gesamte Saison hinweg betrachtet hat auch Lukas Petkov enttäuscht. Der bereits in der Winterpause der Vorsaison aus Augsburg ausgeliehene Offensivspieler absolvierte in der abgelaufenen Spielzeit zwar 29 Spiele, die meisten davon aber nur als Joker. Lediglich zweimal stand Petkov über 90 Minuten auf dem Platz, bei den torlosen Niederlagen gegen Osnabrück (0:2) und Rostock (0:1). Erst in den letzten Spielen der Saison konnte Petkov Eigenwerbung betreiben - zu spät, um die Verantwortlichen von einer Weiterverpflichtung zu überzeugen. Nur ein Tor und eine Vorlage gelangen dem 23-Jährigen, der vor dem Spiel gegen den FC Schalke 04 deshalb auch offiziell verabschiedet wurde.

Die "Täler" wurden tiefer - Balance fehlte zu oft

Nicht nur die Entwicklung der einzelnen Spieler, auch die der Mannschaft als Ganzes gilt es am Ende einer Saison zu betrachten. Hinsichtlich der Konstanz lässt sich im Vergleich zur Vorsaison leider keine Verbesserung feststellen: Bereits in der Saison 2022/2023 hatte das Kleeblatt immer wieder mit Leistungsschwankungen zu kämpfen, nur selten gelangen der Mannschaft mehrere überzeugende Auftritte am Stück. Ein Problem, das sich auch in der abgelaufenen Saison zeigte: Nach durchwachsenem Saisonbeginn startete die Spielvereinigung zwischen dem 11. und dem 19. Spieltag zwar eine beeindruckende Serie von neun Spielen ohne Niederlage, blieb dafür aber in den darauffolgenden neun Partien achtmal ohne Sieg.

Natürlich wäre es vermessen, von einer derart jungen Mannschaft konstant Topleistungen zu erwarten. Aber einige Auftritte in der Spielzeit 2023/2024 geben Anlass zur Sorge - allen voran das 0:5 in Berlin, das 0:4 in Karlsruhe und das 1:4 zu Hause gegen die SV Elversberg. In allen drei Partien offenbarte das Kleeblatt in der Defensive regelrechte Auflösungserscheinungen. Alarmierend waren auch die Niederlagen in Rostock (0:1) und Osnabrück (0:2), in denen die Spielvereinigung äußerst harmlos vor des Gegners Tor agierte und gleichzeitig große Schwächen in der Abwehr offenbarte.

Zudem fällt auf, dass die Mannschaft wie schon in der Vorsaison Probleme hatte, die Balance aus Defensive und Offensive zu finden. Besonders gut zu sehen war das am 31. und am 32. Spieltag, als Alexander Zorniger sein System offensiver ausrichtete und von einer Fünfer- auf eine Viererkette umstellte: Das Kleeblatt schoss in den beiden Partien gegen Wehen Wiesbaden und Eintracht Braunschweig acht Tore, kassierte dafür aber auch sechs Gegentreffer. In der kommenden Saison ist Alexander Zorniger deshalb gefordert, einen Mittelweg zu finden - also die Abwehr zu stabilisieren, ohne dass die Offensive darunter zu sehr leidet, und umgekehrt.

Zornigers dritte Spielzeit in Fürth: Wohin geht die Reise?

Mit der Saison 2024/2025 beginnt Zornigers zweite komplette Amtszeit bei der Spielvereinigung. Schon jetzt lässt sich sagen: Nach dem Abstieg aus der Bundesliga und dem Missverständnis Marc Schneider war er es, der die Mannschaft in der Saison 2022/2023 stabilisierte und letztlich zum Klassenerhalt führte. Dass es auch anders hätte laufen können, zeigte das sportliche Schicksal des damaligen Mitabsteigers Arminia Bielefeld. In der abgelaufenen Saison schwebte das Kleeblatt nie ernsthaft in Abstiegsgefahr, nur zu Beginn der Saison fand man sich einen Spieltag lang auf Relegationsrang 16 wieder. Dass es am Ende "nur" für einen Mittelfeldrang reichte, liegt vor allem an der fehlenden Konstanz der Mannschaft.

Auch für Zorniger ist es von großem Vorteil, dass die Mannschaft für die kommende Saison um die Leistungsträger Julian Green und Branimir Hrgota herum aufgebaut werden kann, die beide über langfristige Verträge in Fürth verfügen - keine Selbstverständlichkeit in Fürth. Zeigt Rachid Azzouzi ein ähnlich glückliches Händchen bei der Verpflichtung junger Spieler wie in den Jahren zuvor, hat Zorniger zumindest beste Voraussetzungen, seine Ideen in der kommenden Spielzeit umzusetzen. Gelingt es ihm, der Mannschaft zu konstanteren Leistungen zu verhelfen und den Spagat zwischen defensiver Stabilität und offensiver Durchschlagskraft zu bewältigen, kann die Saison 2024/2025 eine äußerst erfolgreiche werden. Dann vielleicht sogar eine, die das Prädikat "super" oder gar "überragend" verdient hat.

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