Standard-Spezialist Kiyotake und seine Helfer
22.2.2013, 06:53 UhrIn der Winterpause der Saison 2009/2010 musste Dieter Hecking eigentlich von vorn anfangen. Der damals neue Trainer des Bundesliga-Rückkehrers 1. FC Nürnberg spazierte von einer internen Baustelle zur nächsten, es knarzte ja praktisch überall. Zwölf Punkte hatte die Mannschaft nur geschafft in der Vorrunde und genauso wenig Tore erzielt. Zwei davon infolge einer sogenannten Standardsituation.
Dabei kommt gerade den planbaren Abschlüssen eine wachsende Bedeutung zu im modernen Fußball. Wenn sich zwei Mannschaften aufgrund ihrer jeweils gewählten Taktik weitestgehend neutralisieren, kann eine zuvor einstudierte Variante entscheidend sein. Also machte sich Hecking daran, seinen Club dafür zu sensibilisieren. Und siehe da, es wurde tatsächlich besser.
Mittlerweile sind die Nürnberger ganz weit oben zu finden in der betreffenden Statistik. Besonders nach Eck- und Freistößen herrscht im gegnerischen Strafraum höchste Alarmstufe; neun ihrer 22 Treffer erzielten sie, nachdem der Ball zuvor mit den Händen hingelegt wurde. Meistens von Hiroshi Kiyotake, dessen Hereingaben schwer zu verteidigen sind. Weil die Kugel von ihm meist zentimetergenau und mit viel Effet in den Strafraum getreten wird.
„Standard-Spezialist“ nennt ihn sein Trainer Michael Wiesinger deswegen auch ehrfürchtig; das Geheimnis sei die unglaubliche Präzision der Ausführung. „Wenn der Kiyo den Ball an den kurzen Pfosten haben will“, erklärt Wiesinger, „dann schlägt er ihn dahin.“ Seine außergewöhnliche Schusstechnik sollte sich der Japaner patentieren lassen, das können nicht viele in der Bundesliga so wie er.
Sechs Spieler über 1,90 Meter
Dass er oft einen Abnehmer findet für seine Flanken, hängt auch mit der physischen Qualität der Gruppe zusammen. Gleich zehn Nürnberger im 18-köpfigen Aufgebot für die morgige Partie in Stuttgart (wohin der Club ohne Rekonvaleszent Timo Gebhart fahren wird) sind über 1,85 Meter lang, immerhin sechs sind mindestens 1,90 Meter. Nicht durchweg Kopfball-Ungeheuer, aber hin und wieder reicht es eben doch für einen Kontakt. Wie am Sonntag gegen Hannover, als Timm Klose (1,93 Meter) den Ball vor dem 1:1 leicht touchierte.
Gute Gene allein genügen allerdings nicht, darauf wies Wiesinger gestern nochmals hin. „Das kommt nicht von ungefähr“, so Wiesinger, Standardsituationen „sind ein wichtiger Trainingsinhalt“. Meistens unter Ausschluss der Öffentlichkeit, man kann schließlich nicht vorsichtig genug sein. Mögliche Spione müssen ja nicht alles mitkriegen, zumal ständig neue Varianten eingeübt werden. Einlaufwege, Verlängerungen et cetera. „Wir wissen, dass wir da eine Stärke haben“, sagt Wiesinger, „aber wir wollen die Stärke weiter ausbauen.“
Auch den VfB Stuttgart möchte Wiesingers Club morgen vor unlösbare Rätsel stellen. Wobei es ihnen letztlich egal sein dürfte, wie die angepeilten Torerfolge zustande kommen. Nachholbedarf haben die Nürnberger so oder so; nach den vergangenen zwei Partien gegen die Schwaben stand offensiv jeweils die Null. Trotz etlicher Standardsituationen.
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