Stepinski: Beim Club gescheitert - nun für Polen bei der EM
11.6.2016, 16:01 UhrMariusz Stepinski ist dabei. Die EM in Frankreich könnte auch seine Bühne werden. Für Unterhaltung auf dieser sind in Polens Angriff natürlich erst einmal andere zuständig. Vor allem Robert Lewandowski, der vielleicht beste Stürmer der Welt. Und doch gibt es im Nachbarland nicht wenige, die Stepinski etwas zutrauen. Menschen, die sich vorstellen können, dass er beim Kontinentalturnier für Deutschlands Gruppengegner wertvoll wird.
"Ein fantastischer Junge"
Roman Kolton gehört auch zu diesen Menschen. Im Sommer 2013 - wenige Tage, bevor der FCN Stepinski nach Nürnberg holte - hatte der Sportjournalist diesen im kicker als "fantastischen Jungen mit unglaublichen Fähigkeiten" beschrieben. Und damit vielleicht auch etwas hineingelegt in den mit Vorschusslorbeeren prall gefüllten Korb, den Stepinski nach seiner Ankunft beim Club zu tragen hatte. Im Alter von 16 Jahren, sechs Monaten und 15 Tagen hatte dieser für Widzew Lodz in Polens Eliteliga debütiert. Kurz darauf war die gewiefte Offensivkraft der jüngste Torschütze der Ekstraklasa.
Abschlussqualitäten hatte Kolton, der seit 1995 für das Fachmagazin über den polnischen Fußball berichtet, dem Youngster schon damals attestiert. "Der Torinstinkt war da. Das hat er zu dieser Zeit in den polnischen Junioren-Nationalmannschaften gezeigt", sagt der kicker-Korrespondent nun, wenn er sein Stepinski-Statement spiegelt. Als aufgehender Angriffsstern hatte dieser vor seinem Club-Engagement für die polnische U21 in zwei Spielen zweimal getroffen. Spätestens als der Jungspund Anfang 2013 auch bei den Großen - der Hauptvertretung der Bialo-Czerwoni - randurfte, schien der Weg für eine Traumkarriere geebnet.
Entsprechend erwartungsfroh begrüßten sie den Stürmer also auch in Nürnberg. Den gerade erst 18-Jährigen, der alle Nachwuchsnationalmannschaften der weiß-roten Landesauswahl durchlaufen hatte, den Superknaben, Mariusz Stepinski. Sportvorstand Martin Bader rühmte den jungen Mann als "hochinteressanten Spieler" und zählte ihn zu den "drei größten Talenten Polens". Einer Nation, die von Zbigniew Boniek bis Robert Lewandowski stets ausgezeichnete Angreifer hervorgebracht hatte.
Anspruch und Wirklichkeit
"Die Bundesliga ist eine großartige Herausforderung für mich", sagte Stepinski damals selbst. Die Bundesliga - so der Plan - sollte mittelfristig seine Bühne werden. "Ich will mich durchsetzen und zeigen, dass ich Qualität habe", übersetzte Torwarttrainer Adam Matysek nach Dienstbeginn seines Landsmanns. Doch über Testspiele mit der 1. Mannschaft kam der Hochbegabte beim Club einfach nicht hinaus. Kein Einsatz in der Bundesliga bis zum endgültigen Abschied im letzten Sommer. Lediglich in Nürnbergs Regionalliga-Team durfte Stepinski sein Können andeuten. Aus Erwartungen wurden Enttäuschungen.
"Er war nicht vorbereitet auf Deutschland, auf das was kommt. Von der Physis und vom Behauptungsvermögen her war er zu klein und weich." Darum wurde es für Stepinski (vorerst) nichts mit der Bühne Bundesliga, erklärt Kolton heute. Die Ekstraklasa heißt zwar Ekstraklasa - Extraklasse hätten Teams und Spieler deswegen aber noch lange nicht, ergänzt der renommierte Fußballkommentator. Auf der Leihstation Wisla Krakau wurde Stepinskis Weiterentwicklung noch nicht so deutlich. Auch weil der Noch-Nürnberger im rechten Mittelfeld eingesetzt wurde. Aus Konkurrenzgründen und weil der Trainer ihm die Mittelstürmerrolle, die Nummer neun, nicht zutraute.
Oberwasser in Oberschlesien
Auf der nächsten Station sollte es dann aber endlich passen. "Der Wechsel zu Ruch Chorzow hat Stepinski richtig gut getan", erzählt Kolton. Der Verein hätte dem jungen Angreifer - im Vergleich zu den Branchenführern Legia, Lech oder auch Wisla - eine vergleichsweise "freundlichere Umgebung geboten", sagt der 46-Jährige, welche Stepinski auch für sich nutzte.
Beim Altmeister aus Oberschlesien spürte der Ex-Nürnberger wieder das Vertrauen. Von seinem Trainer, von Waldemar Fornalik, der in seinem Team eine gute Mischung zwischen alten und jungen Spielern habe und interessanten Fußball spielen lässt, wie Kolton erklärt. Und so wurden aus Enttäuschungen wieder Erwartungen.
Beeindruckende Leichtigkeit
Stepinski "machte als Mittelstürmer Tore, wich auf die Außen aus, bereitete vor und konnte im Zentrum auf einmal auch den Ball verteidigen". Der Lohn: Mit 15 Toren war er in der zurückliegenden Saison der beste polnische Stürmer der Ekstraklasa. Der 1. FC Köln ist auf Stepinski aufmerksam geworden. "Besonders die Leichtigkeit, wie er seine Tore machte beeidruckte. Und auch die Weiterentwicklung dahigehend, dass er nun regelmäßig traf". So sei es "kein Zufall gewesen", dass sich Nationalcoach Adam Nawalka für ihn und nicht etwa Hannovers Artur Sobiech entschied.
"Als optimale Ergänzung im 4-4-2 oder einem System mit einem Angreifer", glaubt Kolton. Gesetzt sind freilich Superstürmer Lewandowski und Ajax-Knipser Arkadiusz Milik, der analog zu Stepinski deutlich weiter ist als in seiner Zeit in Leverkusen und Augsburg. Beim Club ist Stepinski gescheitert. Für Polen sagt Kolton könne er "als Joker wichtig und eine der positiven Überraschungen im Turnier werden. Jemand, den Nawalka in dessen Verlauf noch brauchen kann".
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