Totale Gänsehautstimmung bei Erlanger Judoka
1.6.2016, 12:01 UhrDie erste Halbzeit ist fast vorbei, es steht 3:3 – unentschieden. Den entscheidenden Kampf bestreitet Kilian Tschöpe für Erlangen, in der Gewichtsklasse bis 66 Kilogramm. Tschöpe kann seinen Gegner mit einer Kontertechnik zu Boden bringen und erhält die zweitgrößte Wertung, einen Waza-ari. Sein Gegner, Julian Eurich, kämpft tapfer dagegen an. Dann setzt Tschöpe zum Tai-otoshi an, einem Körperseitwurf, und zieht voll durch. Das war der zweite Waza-ari, und damit insgesamt ein Ippon – voller Punkt für ihn. Tschöpe siegt und Erlangen gewinnt die erste Halbzeit.
Die Halle tobt. Mannschaftskollegen jubeln, springen auf und ab, und trommeln wie verrückt. Der „Underdog“ Erlangen führt als Neuling in der ersten Bundesliga nach Hälfte eins. Abteilungsleiter Klaus Lohrer kommentiert den aktuellen Kampfstand. „Hitchcock ist ein Kinderspielfilm gegen das, was hier passiert. Die Jungs machen es so spannend.“
Auf der blau-gelben Judomatte werten ein Hauptkampfrichter und zwei Nebenkampfrichter. Für die Zuschauer wird der Kampf gleichzeitig auf einer Leinwand auf der Bühne übertragen. Es ist dunkel im Raum und nur die Kampffläche ist hell erleuchtet. Vor Beginn der zweiten Halbzeit formen beide Mannschaften jeweils einen Kreis, um sich gegenseitig zu motivieren. Sie stoßen Kampfschreie aus und bringen sich in Stimmung. Dann geht es weiter. In der Rückrunde treten die Kämpfer in denselben Gewichtsklassen erneut gegen die Rüsselsheimer an.
Kai Brandes geht für Erlangen im Schwergewicht (+100kg) an den Start. Brandes kann seinen Gegner zu Boden bringen und mit einer Haltetechnik, Kata-gatame, festhalten. Er ist deutlich schwerer als sein Kontrahent — Rüsselsheim hat keine Chance. Im nächsten Kampf erliegt Jonas Weinen nach drei Minuten einer perfekten Schultertechnik des Gegners. Teamkollege Manuel Ilschner geht es im dritten Kampf ähnlich. Respektvoll klatschen nicht nur deren Teamkollegen, sondern auch die Erlanger. Gute Leistungen werden hier auch von gegnerischen Teams entsprechend gewürdigt.
Die Zuschauer brüllen
Es steht 5:5 als Friedemann Schneider für Erlangen die Matte betritt. Er versucht es zunächst mit einem Fußfeger, kommt damit jedoch nicht weiter. Es folgt eine Wertung für Rüsselsheim. Die Zeit spielt gegen Schneider. In der letzten Kampfminute gelingt ihm ein Haltegriff, doch der Gegner kann sich wieder befreien und die Zeit ist um.
Die Erlanger lassen sich durch diesen Rückstand nicht aus dem Konzept bringen. Bis 100 Kilogramm kämpft Roman Tolksdorf gegen den Rüsselsheimer Robin Kist. Nach 2:22 Minuten konnten beide eine Waza-ari-Wertung erzielen, die Kämpfer sind auf einem Niveau. Den Judoka geht die Kraft aus, doch dafür sind die Fans da. Die Spannung in der Halle ist fast mit Händen zu greifen. Die Zuschauer brüllen: „Auf geht’s Roman, auf geht’s.“ Tolksdorf setzt zum Körperseitwurf Tai-otoshi an. Er kann sein Bein nicht mehr rechtzeitig in die richtige Wurfposition bringen, aber zieht trotzdem durch. Das ist der zweite Waza-ari und damit ein voller Punkt für Erlangen.
Zum vorletzten Kampf steht es zum wiederholten Male unentschieden. Konstantin Ustinov verliert durch ganz kleine Wertungen des Gegners. Damit ist die Chance vertan, an diesem Tag als Sieger zu gehen.
"Die Stimmung war so super"
Kilian Tschöpe konnte seiner Mannschaft in der ersten Halbzeit den entscheidenden Punkt bringen. Jetzt versucht er, mit seinem zweiten Kampf in der Rückrunde, noch ein Unentschieden einzuhandeln. Durch eine Abtauchtechnik gelingt ihm eine größere Wertung. Doch dann kommt es anders, als erwartet. Der Gegner kann ihn lang genug mit einer Haltetechnik auf dem Boden festhalten. Der Punkt geht an Rüsselsheim. Der dritte Kampftag endet mit 6:8, Erlangen verliert erneut knapp.
Die Mannschaften stehen sich gegenüber, als der Kampfrichter das Siegeszeichen gibt. Sie verbeugen sich erst vor dem anderen Team, dann vor den Zuschauern. Die Judoka schütteln ihren Gegnern die Hände, bedanken sich für die Kämpfe und umarmen sich. Dann verlässt das gegnerische Team die Kampffläche.
Mannschaftskapitän Heiko Koch nimmt seine Jungs an die Hände und läuft mit ihnen über die Matte. Sie feiern sich, obwohl sie verloren haben. Und die Fans feiern mit.
Mit diesem Turnier haben die Kämpfer den dritten von fünf Bundesliga-Kämpfen verloren. Zwei Chancen gibt es noch. Für Roman Tolksdorf hat sich der Tag trotzdem gelohnt. Er trug der Mannschaftswertung zwei Einzelsiege bei. „Die Stimmung war so super. Wenn alle jubeln, bekommt man einfach Gänsehaut. Schon allein das ist ein Grund, hier mitzukämpfen.“
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