Vom Neuzugang zum Abwehrchef: Mössmer ist eine Autorität
23.1.2015, 06:00 UhrDer Sitzplatz vor dem Hotel gefällt Jürgen Mössmer, ausgezeichnet sogar. Über ihm eine Palme, das Meer in Sichtweite, der Himmel ist blau, so lässt es sich aushalten. Wenn er die Sonne mal über einen längeren Zeitraum nicht zu sehen bekommt, „bin ich richtig schlecht drauf“. Deshalb ist er jetzt richtig gut drauf. In Belek ist es frühlingshaft warm, in den Winterferien besuchte er kürzlich die Eltern in Nairobi/Kenia.
Sein Vater arbeitet dort als Ingenieur und stellt für eine indische Molkerei unter anderem Käse für den ostafrikanischen Markt her, eine spannende Aufgabe, wie Jürgen Mössmer findet. Auch Südamerika kennt er bestens. Seine Mutter ist Brasilianerin, geboren und aufgewachsen ist er allerdings in Deutschland.
Ein kleines Missgeschick
Mit 17 zog Mössmer hinaus in die große Fußball-Welt, mitten in Frankfurt hatte ihm die Eintracht eine kleine Wohnung besorgt. „Da lernt man ganz automatisch, auf den eigenen Füßen zu stehen“, sagt Mössmer, den alle nur Junior rufen, er ist in wenigen Monaten erwachsen geworden. Mit 25 hat er bereits viel Lebenserfahrung. Als Innenverteidiger schaffte es der ganz junge Mössmer bei der Eintracht bis in Friedhelm Funkels Profikader, zum Einsatz kam er dort nie.
Mössmer selbst fühlt sich etwas zu klein für die Position, die er seit ein paar Wochen auch beim Club innehat, an der Seite von Even Hovland. Bevor die beiden im Zentrum für Ordnung sorgten, haben die Nürnberger pro Spiel im Durchschnitt über 1,8 Gegentore kassiert, danach nur noch rund 0,6. Eines der insgesamt vier seit dem Trainerwechsel besorgte: Mössmer. Beim 2:1 gegen 1860 München missriet ihm ein Rettungsversuch, der Ball kullerte ins eigene Tor.
Derlei Unglücke sah man nicht viele vom neuen Abwehrchef, der längst eine feste Größe ist. Mössmer ist sogar ausgesprochen wichtig für seinen Club, auf und neben dem Rasen, seine Meinung ist gefragt. Ungefragt musste sich Niclas Füllkrug einiges anhören im Test gegen Jeju United; als es der Kollege nicht für nötig hielt, den in Bedrängnis geratenen Hintermann zu unterstützen, fuhr ihn Mössmer an: "Fühl dich doch mal verantwortlich!" Kritik, findet Mössmer, müssten gerade die Jüngeren aushalten können, "aber ich trenne strikt zwischen Arbeit und Freizeit, später ist das wieder vergessen".
Vorsichtig aus Erfahrung
Ein paar Minuten nach seinem Wutausbruch ließ sich Mössmer vorsichtshalber auswechseln; seit knapp zwei Wochen spürt er hin und wieder Schmerzen im linken Knie. Das ist keine dramatische Verletzung, aber doch eine, die ihn beeinträchtigen kann, gerade auf dem verhältnismäßig harten Trainingsplatz in Belek.
Und Mössmer ist da lieber vorsichtig, aus Erfahrung. Früher bremste ihn häufig das rechte Knie - als er drauf und dran war, endlich durchzustarten. Mössmers größte Stärke ist seine Ruhe am Ball, was er macht, hat Hand und Fuß. Das ist selten spektakulär, aber oft hilfreich. Seine Pässe kommen normalerweise auch genau da an, wo er sie hinhaben will, zudem erkennt er als ehemalige Mittelfeldkraft blitzschnell Lücken im Defensivverbund.
Seine Anweisungen sind präzise, jeder hört auf ihn. Wohl auch deswegen durfte er sich in der Hinrunde ein paar Mal die Kapitänsbinde überstreifen. „Gute Jungs“ nennt er die anderen, er hält auch sportlich viel von seinem Club: „Wir haben große Qualität im Kader.“
Ob die Qualität auch reicht, um noch weiter vorzustoßen, möchte er nicht ausschließen. An der Tabelle interessiert ihn jedenfalls bloß die obere Hälfte wirklich, die nach dem 19. Spieltag kennt er sogar auswendig. Ingolstadt hat 40 Punkte, Karlsruhe, Darmstadt und Braunschweig haben jeweils 33, der Club 27. "Natürlich muss man nach oben schauen", findet Mössmer, erst recht als 1. FC Nürnberg.
Und er kennt ja auch Ingolstadts Trainer Ralph Hasenhüttl, der auch lange sein Trainer war beim VfR Aalen. "Ich glaube", sagt Mössmer, "dass die noch lange nicht durch sind." Soll es noch etwas werden mit der Aufholjagd, müssen aber zunächst eigene Siege her, sehr viele sogar, vorher macht auch er sich wenig Gedanken über die nächsten Monate. Die Zeit danach wird Jürgen Mössmer aber wahrscheinlich wieder für eine Fernreise nutzen. China, vielleicht Neuseeland, mal schauen. Hauptsache, die Sonne scheint.
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