Mit Bambule kann er umgehen
Zirndorfs Schiri-Boss Müller: Gefängniswärter und Aytekin-Assistent
29.9.2021, 12:49 Uhr"Bambule" ist laut dem Duden ein Begriff der Gaunersprache, der einen Protest in Form von Krawallen, besonders von Häftlingen, bezeichnet.
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Das Wort hat es seit geraumer Zeit auch in den Fußball geschafft, vor allem Fan-Randale oder Ausschreitungen auf den Amateurplätzen der Republik sind meist gemeint – mitunter spricht man von Bambule aber auch, wenn im Stadion einfach gepöbelt wird oder die Atmosphäre besonders stimmungsvoll ist. Die Grenzen sind im Fußball fließend.
Sebastian Müller kennt Bambule von beiden Seiten. Der Obmann der Zirndorfer Schiedsrichter ist seit 1993 an der Pfeife – und Beamter in der Justizvollzugsanstalt Nürnberg. Beides Aufgaben, in denen es gilt, Menschen zu kennen, sie in Stresssituationen richtig einzuschätzen und stets die richtigen Worte zu finden.
Der 51-Jährige weiß um den Erfahrungsschatz, den er in seiner Freizeit gesammelt hat: "Ein Schiedsrichter braucht Menschenkenntnis und Durchsetzungsvermögen. Natürlich haben mir meine Erfahrungen als Schiedsrichter auch in der Arbeit geholfen, mit ihnen reift die Persönlichkeit, das ist eine Schule fürs Leben."
Auch im Gefängnis gibt es ständig Konfrontationen
Auch ein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn sei wichtig: "Das ist ein Riesenvorteil. Sowohl im Gefängnis als auch auf dem Platz gibt es ständig Konfrontationen, da muss man genau abwägen und wissen, wie man mit jemandem umgeht."
Doch zum Pfeifen ist Müller in den vergangenen Jahren selten gekommen, als Obmann der Zirndorfer Schiedsrichtergruppe blieb dafür nur selten Zeit. Im Grunde sei ein solches Amt eher als Halbtagsjob zu sehen, meint der Club-Fan: "Es ist eine immense Aufgabe, man muss fast immer zur Verfügung stehen, natürlich auch am Wochenende. Viele Funktionäre sind dazu nicht mehr bereit und hören nach einer Wahlperiode nach vier Jahren wieder auf."
Sebastian Müller ist mittlerweile seit 15 Jahren der Capo in Zirndorf, dafür gab es nun vom Bayerischen Fußball-Verband die Silberne Ehrennadel für Funktionäre. Schon an der Tatsache, dass neben Müller bayernweit nur vier weitere Männer die Nadel erhalten haben, erkennt man: Hier herrscht Nachholbedarf.
Und auch in Zirndorf steht demnächst der Wechsel an, denn der Nürnberger hört zum 4. Oktober auf. "Meine Kinder sind quasi ohne mich aufgewachsen, unter dem Ehrenamt hat auch die Familie gelitten. Meine Frau hat mich da immer toll unterstützt, aber Corona hat mir vor Augen geführt, dass es noch ein Leben nach dem Fußball gibt. Es war extrem aufreibend über all die Jahre. Dafür kann ich mich jetzt auch wieder aufs Pfeifen konzentrieren."
Ohrfeige für einen 15-Jährigen
Bis zur Kreisklasse darf Müller aktuell pfeifen, will aber darüber hinaus auch als Mentor für Nachwuchsschiedsrichter dienen: "Gerade bei jugendlichen Schiris ist es gut, wenn am Anfang jemand mit Erfahrung als Linienrichter dabei ist. Das gibt Sicherheit und gerade in brenzligen Situationen ist diese Unterstützung wichtig."
Denn auch hier gebe es die Tendenz, dass Anfänger schnell wieder das Handtuch werfen, auf 60 Prozent aller Neulinge schätzt Müller die Abbrecherzahl.
"Wenn dir als 15-Jähriger ein Spieler eine Ohrfeige gibt, überlegst du es dir zweimal", gibt der Mann vom STV Deutenbach Einblick in die weniger schöne Seite des Amateurfußballs. Wobei Probleme mit Spielern selten und gar nicht das Hauptproblem seien: "Der Umgang mit Vereinen und Spielern ist meist freundschaftlich, gerade in Bayern, auch wenn es Ausnahmen gibt. Anfeindungen kommen meistens von den Eltern am Spielfeldrand, das ist ganz schlimm. Dass der eigene Nachwuchs etwas falsch machen könnte, ist ja quasi ausgeschlossen. Manche wälzen da ihren gesamten Frust ab. Dann ist Bambule."
Bis zur Junioren-Bundesliga
Gerade in solchen Situationen hilft die geballte Erfahrung aus fast drei Jahrzehnten an der Pfeife. Zeitweise sogar als Linienrichter an der Seite eines echten Schiri-Promis: Fifa-Referee Deniz Aytekin. "Das war die schönste Zeit. Bis zur Bayernliga und der Junioren-Bundesliga ging es damals hoch, wir waren in ganz Deutschland unterwegs, zum Teil vor mehreren Tausend Zuschauern."
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Einem Vorurteil widerspricht Sebastian Müller aber: nämlich dem, dass es Schiedsrichter am liebsten ruhig im Stadion haben. "Einmal haben wir das Chamer Derby in der Landesliga gepfiffen, da war keiner mehr zuhause. Das war eine solch fantastische Stimmung, dass man fast erschrocken ist. So macht es richtig Spaß."
Da war richtig Bambule. Aber so wie Sebastian Müller es sich wünscht. Denn mit Bambule kann er umgehen.
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