Roh, pink, in Bratensoße

Genuss pur: Die 10 größten Schokoladen-Trends

27.7.2023, 16:00 Uhr
Bei der Ruby-Schokolade werden die Bohnen anders fermentiert, so entstehen die Farbe und die fruchtige Note. Bisher konnte sie sich allerdings nicht durchsetzen.

© via www.imago-images.de Bei der Ruby-Schokolade werden die Bohnen anders fermentiert, so entstehen die Farbe und die fruchtige Note. Bisher konnte sie sich allerdings nicht durchsetzen.

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Schokolade liegt vermutlich immer im Trend. Doch Schokolade ist nicht gleich Schokolade. Nicht alles, was wirklich gut ist, bekommen Sie im Supermarkt um die Ecke. Und es muss auch nicht süß sein. Das sind die aktuellen Trends auf dem Schoko-Markt - für Naschkatzen und Neugierige:

Kennen Sie den Film "Chocolat" mit Juliette Binoche und Johnny Depp? Nein? Das ist schade, der Film ist wirklich gut. Und genau dieser Film schaffte es zur Jahrtausendwende, einen Keim der Faszination für das Thema Schokolade zu pflanzen. Bis dato musste Schokolade vor allem eins sein: süß und billig.

Ein paar Jahre später begann der Boom – und damit das goldene Zeitalter der Schokolade. Von 2005 bis 2007 öffneten jedes Jahr Hunderte Schokoladenläden, sagt Oliver Rohlf, Inhaber von Schokovida in Hamburg. Viele würden allerdings nach wenigen Jahren wieder aufgeben, sagt Christine Luger, die seit 20 Jahren ihr House of Cacao am Münchner Viktualienmarkt betreibt.

Der Grund: Die Kunden verstünden oft nicht den Unterschied zwischen einer Schokolade für 6 Euro und einer anderen für 1,50 Euro.
Trotzdem: "Der Schokoladenmarkt mit seiner beeindruckenden Vielfalt und der oft sehr hohen Qualität war noch nie so interessant wie heute", schreibt Georg Bernardini, Mitbegründer der Confiserie Coppeneur, in seinem Buch "Schokolade – das Standardwerk". Alle Konventionen würden über Bord geworfen. "Und es wird auf Teufel komm raus experimentiert."

Vegane Ernährung, also Lebensmittel ohne Inhaltsstoffe tierischen Ursprungs, sei ein großes Thema - nicht nur bei Studenten, sagt Oliver Rohlf. "Es ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen." Selbst altehrwürdige Firmen wie Lindt, Katjes oder Ritter Sport fahren auf dem veganen Zug mit.

Die Sorten klingen wie Hipster-Bingo:

  • Mandel Quinoa
  • Caramel Seasalt
  • Oat Cookies

Dabei ist vegane Schokolade im Grunde ein alter Hut. Jede dunkle Sorte ohne Milchpulver war schon immer rein pflanzlich. Neu sind aber vegane Milchschokoladen, die nun überall in den Regalen der Supermärkte liegen.

Sie werden mit Reis-, Hafer- oder Mandelmilchpulver hergestellt – und schmecken dadurch anders. "Pflanzliche Fette haben natürlich eine geschmackliche Wucht und Länge", erklärt Rohlf.

Von der Bohne bis zur Tafel übernimmt der Hersteller hier alle Produktionsschritte. "Die aktuelle Bean-to-Bar Revolution ist ein Phänomen, das eigentlich niemand für möglich gehalten hat", schreibt Georg Bernardini. Der Boom begann nach der Finanzkrise von 2008. "Innerhalb weniger Jahre entstanden weit über 100 neue Bean-to-Bar-Unternehmen."

Die oft kleinen Hersteller kaufen rohe Bohnen und übernehmen die einzelnen Produktionsschritte selbst:

  1. Rösten
  2. Walzen
  3. Conchieren
  4. Verpacken

So können sie ihre Qualität kontrollieren und für Transparenz bürgen, sagt Rohlf: "Die Hersteller wollen zeigen, dass sie keine Pestizide benutzen und schlechte Bohnen aussortieren."

Ermöglicht wurde das Gründerfieber durch kleine, günstige Melangeure aus Indien. Ihre Granitwalzen mahlen in der Heimat eigentlich Gewürzpasten. Sie eignen sich aber auch perfekt für Kakao. "Mit wenigen Mitteln kann eigentlich jeder Schokolade von der Bohne weg herstellen", schreibt Bernardini.

"In den USA gibt es in fast jeder Stadt einen Bean-to-Bar-Chocolatier", sagt Finn Heidak von der Berliner Schokoladen Manufaktur 31 Grad. "Wir in Deutschland sind zehn Jahre hinterher." Oliver Rohlf schätzt die Zahl der Bean-to-Bar-Hersteller hierzulande auf weniger als 50. Natascha Kespy, Inhaberin von Winterfeldt Schokoladen in Berlin, sogar nur auf 20. Bean-to-Bar bleibe ein Nischenthema, sagt Kespy. Denn mit großen Maschinen ließe sich diese Qualität nicht herstellen.

Kleine Chocolatiers sortieren zum Beispiel verschimmelte Bohnen meist per Hand aus. "Die Industrie aber kann es sich nicht leisten, jeden Sack zu öffnen", sagt Kespy.

Viele vermeintliche Bean-to-Bar-Hersteller seien allerdings auch nur "Umfüller", kritisiert der österreichische Chocolatier Josef Zotter auf der Schokoladen-Testseite Chclt.net. Die Produkte würden von großen Betrieben hocheffizient industriell produziert und am Ende nur umgefüllt. "Und - schwuppdiewupp - ist das plötzlich das seltene Nischenprodukt, das es nur sieben Mal auf der Welt gibt."

Noch einen Schritt weiter gehen Produzenten, die sich ihre eigene Plantage kaufen. Das Schokoladenhaus Rausch in Berlin baut seinen Edelkakao seit 2014 an einem Vulkan in Costa Rica an. Zwei Biologinnen forschen dort in recycelten Seefracht-Containern an Hybriden.

Selbst der Konzern Ritter Sport lässt seit zehn Jahren Kakao auf einer eigenen Plantage in Nicaragua anbauen. Auf der 2500 Hektar großen Farm El Cacao ernten 350 Angestellte pro Jahr 600 Tonnen Edelkakao. Im Jahr 2025 soll die Farm bis zu ein Viertel des Kakaobedarfs decken, erklärt das Unternehmen.

Investoren aus Nordamerika, Europa und Asien wie 12Tree kaufen gerade überall auf der Welt Plantagen auf. Die Produktion der Schokolade und damit der größte Teil der Wertschöpfung bleibt allerdings in der Regel in Europa.

"In einem Entwicklungsland Schokolade herzustellen, noch dazu in den Tropen mit Luftfeuchtigkeit und Hitze, das ist noch einmal eine ganz andere Herausforderung", sagt Zotter. Vor jedem, dem dabei Schokolade von hoher Qualität gelingt, ziehe er den Hut.

Das gilt wohl besonders für Claudio Corallo. Der Italiener lebt seit den 1990er-Jahren auf Sao Tomé und Príncipe, ein Inselstaat vor der Westküste Afrikas. Er stellt dort aus den Bohnen seiner eigenen Plantage vor Ort eine eigenwillige Spitzenschokolade her.

Fair Trade und Nachhaltigkeit

Fairafric kopiert diesen Ansatz nun in großem Maßstab: Das Münchner Start-up hat seinen kompletten Maschinenpark nach Ghana verschifft.

Seit Ende 2020 stellen 80 Angestellte in einer solarbetriebenen Fabrik bei Tema, 25 Kilometer östlich der Hauptstadt Accra, Bio-Schokolade her.

Das Einstiegsgehalt sei der 3,8-fache ghanaische Mindestlohn, erklärt Michael Pollock, bei Fairafric zuständig für Logistik und Bio-Zertifizierung. Die Angestellten seien kranken- und sozialversichert. Viele sorgten mit ihrem Lohn für die ganze Familie.

Die Rezepturen der elf Sorten wie Boabab und Moringa oder Tigernuss und Mandel sind ebenso "made in Ghana" wie die bunten Verpackungen.

Ein astreiner Tree-to-Bar-Hersteller ist Fairafric allerdings nicht. Denn der Kakao kommt von Yayra Glover, der ersten bio-zertifizierten Genossenschaft in Ghana. Dieser bezahle Fairafric 600 US-Dollar Prämie pro Tonne, sagt Pollock. Das Ziel: 10 000 klimafreundliche Arbeitsplätze in Afrika schaffen.

Dass sich gute Schokolade auch ohne europäisches Know-how oder Kapital herstellen lässt, zeigt Pacari. Der ecuadorianische Hersteller produziert im Land. Alle Zutaten sind biologisch angebaut.

Sogenannte Herkunfts- oder Ursprungsschokolade stammt aus einer einzelnen Region. Sie soll die besondere Charakteristik des dortigen Bodens und Klimas unverfälscht wiedergeben – so wie ein Lagenwein sein Terroir spiegelt.

Wie eine Region genau definiert ist, sei allerdings oft schwammig, sagt Kespy. Berühmt ist beispielsweise die Gegend Chuao an der Küste Venezuelas, wo Criollo-Bohnen lange vollkommen geschützt gewachsen sind. Nur wenige Hersteller bieten sie an.

Diese Schokoladen treiben die Exklusivität auf die Spitze. Ihre Kakaobohnen stammen von einer einzigen Plantage. So sollen nicht nur das Terroir, sondern auch lokale Techniken zum Beispiel bei der Fermentation schmeckbar werden.

Der französische Chocolatier Michel Cluizel schloss Exklusivverträge mit einer Handvoll Plantagen weltweit, die ihm für einen hohen Kaufpreis Bioqualität, Verzicht auf Pestizide und faire Arbeitsbedingungen garantieren mussten. Die Schokoladen tragen den Namen der jeweiligen Plantage und haben eine sehr eigenständige Aromatik. Auch die Firma Åkesson bietet einige Single-Plantation-Schokoladen aus Bali, Brasilien und vor allem Madagaskar an.

Die wohl spannendste und umstrittenste Innovation der letzten Jahrzehnte spaltet die Schokoladenwelt: Raw Chocolate. Die einen schwärmen von Superfood und der gesündesten Schokolade. Die anderen lästern über den miesen Geschmack der zähen Rohkost-Schokolade. Manche bezweifeln, dass es sie überhaupt gibt.

Denn damit alle wertvollen Bestandteile der Kakaobohne wie Polyphenole oder Antioxidantien erhalten bleiben, darf die Temperatur bei der Herstellung von Raw Chocolate nicht zu hoch steigen.

Manche sehen die Grenze bei 42 Grad, andere bei 47 oder 48 Grad. Bei der Fermentation aber klettere die Temperatur schnell auf mehr als 50 Grad, sagt Finn Heidak von der Berliner Schokoladen Manufaktur 31 Grad. Und viele Hersteller hätten nicht die Möglichkeit, die Temperatur zu überwachen.

Was ist Schokolade ohne Fermentation?

Manche Firmen wie Edelmond lassen deshalb nicht nur das Rösten der Bohnen, sondern auch das Fermentieren weg – mit üblen Folgen für den Geschmack, wie Experten kritisieren.

"Woher, bitteschön, soll denn das Aroma kommen", fragt Georg Bernardini. Schon die Maya hätten fermentiert und geröstet, damit ihr Kakaotrunk besser schmeckte.

"Unfermentierte Kakaos sind um einiges bitterer", sagt Finn Heidak. "Erst durch die Fermentation entstehen eigentlich die Vorstoffe für den Kakao-Geschmack." Außerdem fehlen natürlich Röstaromen.

Da Raw Chocolate meist weniger oder gar nicht conchiert wird, fehlt ihr auch der Schmelz, den so viele Schokoladenfans lieben. Und sie bleibt rau und körnig. "Sie schmeckt einfach anders", sagt Natascha Kespy, "nach Wald und erdigen Aromen, weniger fein, ursprünglicher."

Viele vergleichen sie deshalb mit unfiltriertem Naturwein. Beide haben hohe Wellen geschlagen und hitzige Diskussionen in der Branche ausgelöst. Beide haben ihre Nische gefunden. Aber die Masse werden sie wohl nie ansprechen.

"Das sind noch Underdogs", sagt Christine Luger. Nur wenige ihrer Kunden fragen nach Rohschokolade. Die meisten hätten noch nie davon gehört.

"Um das Jahr 2010 gab es eine Welle, als der größte ecuadorianische Bean-to-Bar-Hersteller Pacari damit warb", erzählt Kespy. Mittlerweile kaufen aber nur noch Rohkostler und ein paar Liebhaber in ihrem Laden Raw Chocolate. Selbst die berüchtigte Schokolade aus 100 Prozent Kakao verkaufe sich besser.

Ein Strohfeuer blieb rosa Schokolade. Die Bohnen werden dabei anders fermentiert, so entstehen die Farbe und die fruchtige Note. Das Verfahren ließ sich der Konzern Barry Callebaut 2015 patentieren, der Ruby als größte Schokoladen-Innovation seit 80 Jahren anpreist.

"Ein genialer Marketing-Gag", sagt Luger. "Die fünfte Dimension der Schokolade haben sie es genannt." 20 Jahre sei daran gearbeitet worden. "Aber es schmeckt wie Yogurette und kostet ein Vermögen."

Mittlerweile gibt es Ruby-Schokoriegel, Ruby-Eis und Ruby-Frappuccino. Im Fachhandel werde das aber kaum nachgefragt, sagen die Inhaber übereinstimmend.

Kein Wunder: "Ruby ist technisch gesehen eine Milchschokolade, geschmacklich eher eine Weiße Schokolade mit Zitronengeschmack und allenfalls einer Prise Kakao", schreibt Peter Berger auf Chclt.net.

"Die Kombination aus Wein und Schokolade kann völlig neue Genusswelten eröffnen", schreibt Claudia Stern im Buch "Schokolade – das Standardwerk".

  • Mit Portwein könne man nichts falsch machen. Er passe vor allem zu Schokoladen mit gerösteten und karamellisierten Nüssen.
  • Auch Dessertweine seien immer eine gute Wahl. "Fast immer gilt, dass der Wein etwas süßer als die Schokolade sein sollte."
  • So harmoniere Vollmilch-Schokolade gut mit restsüßen Weißweinen wie Auslesen.
  • Eine Schokolade mit Säurenoten passe dagegen nicht zu einem trockenen Wein. "Sauer und bitter verstärken sich unangenehm."
  • "Vor allem 'Barrique gereifte' Weine unterstützen die schokoladigen Aromen und laufen zur Hochform auf", schreibt die Sommelière Natalie Lumpp im Buch "Kochen mit Schokolade" von Eberhard Schell.
  • "Zartbitterschokolade mit einem höheren Kakaoanteil mag kräftige und opulente Rotweine", erklärt Stern. Und zu 99-Prozent-Schokolade gehe nur ein Süßwein wie Sherry.
  • Oliver Rohlf serviert seine weiße Schokolade mit Tonkabohnen, Kardamom und schwarzem Pfeffer zusammen mit Weißwein.

"Erst wird der Wein verkostet, dann die Schokolade, und dann wird der Wein nochmal hinterhergekippt", erklärt er. "So merkst du, wie sich der Wein durch den vorherigen Genuss der Schokolade verändert."

Wer einmal durch Mexiko gereist ist, kennt Schokolade nicht nur als Dessert, sondern auch als Hauptgericht. Die Mole poblano ist dort ein Nationalgericht, sie veredelt Gerichte mit Hühnchen- und Schweinefleisch.

Für die Königin der Schokosoßen werden traditionell Kakao, Chili, Nüsse und ein gutes Dutzend weiterer Zutaten vermischt und stundenlang eingekocht. Heute gibt es Mole als Paste oder Pulver fertig zu kaufen.

Aber auch auf Sizilien gibt es alte Rezepte von Kaninchen mit Schokosoße. Und die Teig-Halbmonde Mpanatigghi Modicani sind mit Rindfleisch und Schokolade gefüllt. Die Katalanen essen Rindsragout mit Schokolade.

"Schon seit Jahrhunderten ist es die Tradition, Schokolade und Gewürze zu vereinen", schreibt Eberhard Schell in seinem Buch "Kochen mit Schokolade".

Grundprinzipien beim Kochen sind demnach:

  • nicht mit zu hoher Temperatur arbeiten
  • die Schokolade erst kurz vor Garzeitende hinzuzufügen, da sich sonst die Aromen verändern

Faustregel: "Je käftiger die Speise, desto kräftiger darf auch die Schokolade sein", schreibt Schell.