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Wie der Wert einer Immobilie ermittelt wird - und wann sich ein Gutachten lohnt

22.1.2024, 05:51 Uhr
Den echten Immobilienwert eines Hauses zu ermitteln ist nicht einfach, oft kommen zu dem Kaufpreis noch hohe Sanierungskosten hinzu.

© Kirsten Neumann/dpa/dpa-tmn Den echten Immobilienwert eines Hauses zu ermitteln ist nicht einfach, oft kommen zu dem Kaufpreis noch hohe Sanierungskosten hinzu.

In diesem Artikel:

Ist dieses Haus sein Geld wirklich wert? Diese Frage dürften sich angesichts des angespannten Marktes viele Immobilienkäufer stellen. Die Antwort ist gar nicht so einfach.

In diesem Text erfahren Sie, wie der Wert einer Immobilie ermittelt wird, wofür ein Sachverständiger hilfreich sein kann - und ob sich ein formelles Wertgutachten wirklich lohnt.

Immobilienexperte Alexander Krolzik von der Verbraucherzentrale Hamburg wird oft gefragt: Was ist der angemessene Preis für eine bestimmte Immobilie? "Aber das ist aus unserer Sicht problematisch. Der Markt entscheidet darüber." Der Preis kann vom Wert abweichen.

Folgende Bewertungskennzahlen sind gängig:

  • Marktwert
  • Verkehrswert
  • Zeitwert
  • Kaufpreis
  • Beleihungswert

Das mag verwirrend klingen. Aber es ist eigentlich recht einfach:

"Marktwert und Verkehrswert sind ein- und dasselbe", sagt Klaus Edenharter aus München. Er ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Bewertung von Immobilien. Mit dem Zeitwert sei umgangssprachlich auch nichts anderes gemeint als der Marktwert zu einem bestimmten Stichtag.

Zwischenfazit: Im Grunde meinen alle drei Begriffe das Gleiche.

Etwas anders ist es mit dem Kaufpreis: In stark steigenden Märkten wie in den vergangenen Jahren bis 2022 lagen die Kaufpreise dem Sachverständigen zufolge oft über den Verkehrswerten.

Ein Grund: "Käufer hatten sich damals aktiv um Objekte bemühen müssen. Um einen Zuschlag zu erhalten, musste man das Gebot des Mitbewerbers übertreffen, obwohl dieses eventuell nicht ganz vernünftig war", sagt Edenharter. Das sei heute ganz anders.

Mit der Zinswende bestimmen nun tendenziell nicht mehr die Verkäufer den Preis, sondern die Käufer. "Heute muss sich in aller Regel der Verkäufer aktiv darum bemühen, um ein Objekt zu seinen Preisvorstellungen loszubekommen", sagt Edenharter.

Der Beleihungswert ist für Immobilienkäufer nur bei der Finanzierung wichtig. Hier geht es letztlich darum, welches Objekt man sich leisten kann. Dieser Wert ist vor allem für die Risikoabwägung von Banken und Versicherungen von großer Bedeutung.

Fazit: Für einen Immobilienkäufer kommt es zunächst einmal darauf an, zu welchen Preisen Wohnungen und Häuser am Markt angeboten werden.

Verbraucherschützer Alexander Krolzik rät erst einmal dazu, sich auf den gängigen Online-Portalen über vergleichbare Angebote zu informieren. "Hier geht um die Frage: Was kostet ungefähr wie viel?"

Und es geht auch um die Frage: Was kann ich mir überhaupt leisten?

"Das ist natürlich keine Einzelbewertung, weil der Zustand eines konkreten Objekts nicht berücksichtigt wird", sagt Krolzik. "Aber so bekommen Sie einen Eindruck, was vergleichbare Immobilien kosten."

Bevor man sich für eine Immobilie entscheidet, ist es ratsam, sich in Online-Portalen über vergleichbare Angebote zu informieren.

Bevor man sich für eine Immobilie entscheidet, ist es ratsam, sich in Online-Portalen über vergleichbare Angebote zu informieren. © Christin Klose/dpa-tmn

Wichtig zu wissen: Als Laie sieht man auf Online-Plattformen nur die Angebotspreise, aber keine tatsächlich bezahlten Kaufpreise. Die können in überhitzten Märkten am Ende sogar noch höher liegen.

Ein weiteres hilfreiches Instrument, um einen Eindruck von den Preisen zu bekommen, sind die Ergebnisse der Gutachterausschüsse.

Sachverständiger Klaus Edenharter erklärt: Jeder Stadtkreis und jeder Landkreis in Deutschland hat einen Gutachterausschuss. Bei jedem Erwerb und Verkauf einer Immobilie erhalten diese Ausschüsse eine Ausfertigung des Vertrags vom Notar.

"Die Ausschüsse sammeln die Verträge und werten sie aus. Wir bekommen dann einen Preisspiegel", sagt Edenharter. Dieser sei wichtig für die Ermittlung des Grundstückswerts und des Bodenrichtwerts, aber auch für die Preise von Eigentumswohnungen und Häusern.

Tipp: "Die Bodenrichtwerte bekommen sie auch als Privatperson", sagt Edenharter. Sie seien für jeden zugänglich. Man zahle in der Regel 30 Euro bis maximal rund 50 Euro. Teilweise sind sie sogar kostenlos.

Darüber hinaus erstellen die Ausschüsse auch nützliche Marktberichte mit Aussagen zum Immobilienmarkt. "Manchmal gibt es die sogar online umsonst, zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen", sagt Edenharter. Woanders kosteten die Berichte etwa 60 bis 80 Euro. "Mit diesem Instrument kann man sich ein sehr gutes Bild machen." Allerdings nicht überall. Die Qualität schwankt.

"Viele Gutachterausschüsse gerade im ländlichen Raum sind personell schwach besetzt, da bringen die Marktberichte im konkreten Einzelfall relativ wenig", sagt Klaus Edenharter.

Es gebe aber auch sehr gute Berichte - etwa mit Auswertungen, zu welchem Preis Eigentumswohnungen in bestimmten Lagen einer Stadt aus einer ganz konkreten Baujahresgruppe veräußert wurden, inklusive Mittelwerte und Spannen.

Fazit Edenharter: "Das ist dann schon mal eine gute Richtschnur, in welchem Preisbereich man sich grundsätzlich bewegt."

"Bei gut miteinander vergleichbaren Objekten kann man sich den Wert im Prinzip selbst ausrechnen - zumindest näherungsweise", sagt Edenharter. Solche Objekte sind zum Beispiel:

  • Eigentumswohnungen
  • unbebaute Grundstücke
  • teils auch Reihenhäuser oder Doppelhaushälften, allerdings nur unter der Bedingung, dass es genügend Vergleichspreise gibt

"Das aber ist seit einigen Jahren das Problem", sagt Edenharter. "Es gibt zu wenig Objekte am Markt und sie sind schnell wieder weg." Eine Immobilie sei eben anders als ein Auto, von dem 100 000 Exemplare hergestellt werden. "Besonders die Lage ist sehr individuell."

"Immobilienkäufer müssen vor allem herausfinden, welche Sanierungen sie machen müssen und welche eher nice to have sind", sagt Alexander Krolzik. "Sie müssen wissen, welche Kosten hier auf sie zukommen."

Hierbei kann ein Sachverständiger oder Immobiliengutachter helfen. Diese stehen dem Käufer meist beratend zur Seite - laut Klaus Edenharter ein weites und immer wichtigeres Feld.

Eine exakte Wertermittlung findet im Rahmen dieser Beratung noch nicht statt. Dafür braucht es ein formelles Wertgutachten - ob und wann sich das wirklich lohnt, erfahren Sie weiter unten.

"Die meisten Interessenten wollen wissen, ob das Haus wirtschaftlich saniert werden kann, ob die Immobilie überhaupt sanierungsfähig ist", erklärt Dirk Rohrbach, Immobiliensachverständiger aus Bochum. "Sie wollen in der Regel überschlägig die Kosten wissen. Der Wert der Immobilie interessiert sie dann nicht mehr."

Das liegt auch am derzeitigen Immobilienmarkt. "Wenn Sie hier bei uns in der Region ein frei stehendes Einfamilienhaus haben, dann gibt es 100 Bewerber, die sich gegenseitig überbieten", sagt Rohrbach.

Die Folge: Der Verkäufer bestimmt den Preis. "Was wir errechnen und was am Markt passiert, liegt teilweise weit auseinander."

Wichtig ist, dass Hauskäufer herausfinden sollten, welche Renovierungen sie benötigen und welche nur der Ästhetik dienen.

Wichtig ist, dass Hauskäufer herausfinden sollten, welche Renovierungen sie benötigen und welche nur der Ästhetik dienen. © Jens Schierenbeck/dpa-tmn

Der Fachmann oder die Fachfrau begleitet Immobilienkäufer meist nicht beim ersten Termin, wo es eher um die Frage geht: Kommt das Objekt überhaupt in Frage? Sie kommen mit zur zweiten Besichtigung.

"Der Immobiliengutachter sucht nach Bauschäden und gibt eine Einschätzung zu nötigen Sanierungen und auch zum mittelfristigen Sanierungsbedarf", erklärt Dirk Rohrbach.

Vor der Begutachtung lassen sich die Fachleute zum Beispiel auch Unterlagen und Installationspläne zukommen. Vor Ort prüft ein Gutachter dann klassische neuralgische Punkte. Beispiele:

  • Technik und Ausstattung
  • die Heizung
  • die Elektrik
  • das Dach
  • Bäder und Fußböden
  • eventuelle Feuchtigkeitsschäden
  • die Dämmung und den energetischen Zustand

Gerade das Erneuern der Elektrik kann dem Fachmann zufolge Kosten verursachen, die Käufer anfangs nicht richtig abschätzen können. Man müsse unter Umstände alle Wände öffnen, neue Leitungen legen und am Ende alles wieder schließen, verputzen und streichen.

Immobiliengutachter suchen nach Bauschäden und bewerten notwendige Sanierungen sowie den mittelfristigen Sanierungsbedarf.

Immobiliengutachter suchen nach Bauschäden und bewerten notwendige Sanierungen sowie den mittelfristigen Sanierungsbedarf. © Christin Klose/dpa-tmn

Auch andere Schäden können hohe Kosten verursachen, wenn sie übersehen werden. Rohrbach nennt hier etwa Schäden an einer Holzbalkendecke. Beobachtet der Experte etwa gerissene Silikonfugen und gesprungene Fliesen im Bad, kann er vermuten, dass Feuchtigkeit in die Balken gezogen ist. "Ein Laie erkennt so etwas nicht."

Wo sind die Grenzen der Immobilienbegutachtung?

"Wir nehmen keine Bauteilöffnung vor", sagt Dirk Rohrbach. Das heißt etwa: "In einen geschlossenen Dachstuhl können wir nicht reinschauen. Also können wir auch nicht erkennen, ob dort Schäden sind."

Fazit: Ein Gutachter kann beratend dabei helfen, den realistischen Sanierungsbedarf zu ermitteln. So wissen Immobilienkäufer, welche Kosten noch auf sie zukommen, wenn sie ein Haus kaufen.

Das ist grundsätzlich möglich und manchmal auch hilfreich. "Wenn Sie einen Bauingenieur oder Architekten im Bekanntenkreis haben – umso besser", sagt Verbraucherschützer Alexander Krolzik.

Allerdings sollte der Freund oder Bekannte auch Expertise haben. "Wenn mir derjenige dann rät, bei einer Immobilie eher aufzupassen, kann ich immer noch einen Gutachter einschalten", rät Krolzik. "Ein Architekt dürfte sonst qualifiziert genug sein, um zu sagen: Das kann ich nicht beurteilen, das kann ich nicht einschätzen."

Ein Verkehrswertgutachten zu erstellen, ist aufwendig. Das Ganze braucht Zeit und hat seinen Preis. Es gibt verschiedene, standardisierte Verfahren. "Unter 3000 Euro werden sie heute kein qualifiziertes Gutachten bekommen", sagt Klaus Edenharter.

Aus Sicht von Verbraucherschützer Alexander Krolzik lohnt sich das eher nicht. "Das ist in der Regel nicht das Geld wert. Wenn es nicht zwingend sein muss, würde ich kein Gutachten in Auftrag geben."

Klaus Edenharter bestätigt: "Im Privatbereich kommt es eher nicht so oft vor, dass ein Käufer ein Wertgutachten beauftragt."

Ein Grund: Qualifizierte Gutachter haben oft lange Bearbeitungszeiten. "Da geht es oft um Monate Wartezeit. Bis dahin ist ein Objekt in der Regel schon längst verkauft."

In einigen besonderen Fällen kann ein Gutachten aber doch sinnvoll sein.

Einige Beispiele aus der Praxis:

  • Die Immobilie soll verrentet werden.
  • Es gibt eine Auseinandersetzung ums Erbe.
  • Es kommt bei einer Scheidung zu Streit.
  • Aufwendiger Sanierungsrückstau soll ermittelt werden.

Doch auch in solchen Fällen hat man durch ein Gutachten nicht immer etwas gewonnen. Selbst bei einer Scheidungsauseinandersetzung sei es fraglich, ob ein Gutachten lohne, sagt Krolzik.

Das liegt am Wesen des Gutachtens. Einige Merkmale:

  • Ein Gutachten hat keine Verbindlichkeit.
  • Auch bei Gutachten ist viel subjektive Bewertung im Spiel. Klaus Edenharter sagt: "Den Wert einer Immobilie kann man nicht bis auf die dritte Nachkommastelle ausrechnen."
  • Gutachten sind immer stichtagsbezogen und daher nur eine Momentaufnahme. Sanierungskosten etwa können sich später erhöhen, wenn Material- und Arbeitskosten weiter steigen.

Ergebnis: Bei einem Streit ums Erbe oder einer Scheidung hat man im Zweifelsfall zwei Gutachten mit unterschiedlichen Ergebnissen. "Wenn man sich streitet, ist das nichts wert", sagt Krolzik.

"Gutachter schulden kein bestimmtes Ergebnis", bestätigt Edenharter. Natürlich muss alles handwerklich korrekt und fehlerfrei sein. Aber: Beim Auftraggeber kann es zu Enttäuschungen kommen. "Deshalb machen wir immer Vorkasse nach der erfolgten Besichtigung vor Ort."

Falls Sie sich aus bestimmten Gründen für ein Gutachten entscheiden - hier kommt am Ende immer ein finaler Objektwert heraus. "Auf den schauen natürlich alle am meisten", sagt Edenharter.

Hohe Verkaufspreise, dazu Renovierungskosten: Der wahre Wert eines Eigenheims ist nicht leicht zu ermitteln.

Hohe Verkaufspreise, dazu Renovierungskosten: Der wahre Wert eines Eigenheims ist nicht leicht zu ermitteln. © Kirsten Neumann/dpa-tmn

Folgende Aspekte - offensichtlich und eher weniger augenscheinliche - spielen hier unter anderem eine Rolle:

  • Bauschäden, die den Wert der Immobilie mindern
  • Bausubstanz und Modernisierungsgrad der technischen Anlagen wie Heizung, aber auch der gesamten Ausstattung (Bäder, Böden und mehr)
  • energetischer Zustand (gewinnt zunehmend an Bedeutung)
  • Belastungen im Grundbuch
  • Baurechtspotentiale (zum Beispiel eine Ausbaureserve im Dachgeschoss oder Anbaumöglichkeiten)
  • die Lage des Objekts (Anbindung an den Nahverkehr, Kindergärten und Schulen in der Nähe, Einkaufsmöglichkeiten)
  • Grundriss und Zuschnitt, bei Wohnungen etwa die Zimmerzahl und bei Reihenhäusern die Hausbreite
  • Ausrichtung: "Ein Balkon nach Norden hat nicht die gleiche Qualität wie ein Balkon nach Süden", sagt Edenharter.
  • das Stockwerk (bei Eigentumswohnungen): Von unten nach oben wird es zunehmend teurer, weil man weiter weg vom Lärm ist.
  • Fenster und Belichtungssituation (Lochfassade oder bodentief?)

    Abgesehen davon, dass das Objekt wohl längst weg ist, wenn das Gutachten vorliegt - nein, der Spielraum ist gering.

    "Es kann schon sein, dass Privatleute sich davon beeinflussen lassen", sagt Krolzik. "Aber es hilft weniger, als die meisten glauben. Denn es hat keine Verbindlichkeit."

    Edenharter sagt: "Je angespannter der Markt, umso geringer die Chance, mit einem Gutachten den Kaufpreis zu reduzieren."

    Und auch ein Käufer legt derzeit häufig keinen so großen Wert darauf. "Je heißer der Markt, umso mehr negative Eigenschaften werden einem Objekt verziehen", sagt Edenharter. "Wenn ich überhaupt die Chance bekomme, für ein Objekt in bester Lage ein Angebot abzugeben, kümmert mich der Bauzustand oft nicht so sehr. Hier ist es dann auch egal, wenn der Gutachter den Finger in die Wunde legt."