Trotz Fachkräftemangel: Der Weg zur Erzieherin kann steinig sein
30.08.2012, 08:15 Uhr
Lara und Jakob quengeln schon. Nicht etwa, weil ihnen nach zwei Stunden Kinderbetreuung im „Gesundheitsstudio Lifestyle“ in Röthenbach langweilig wäre, wo ihre Mütter gerade ihr Fitnesstraining absolvieren. Die beiden Zweijährigen sind noch gut beschäftigt: Lara schlägt mit einer Plastikgabel auf ein Spielzeugauto und freut sich höllisch über das klackernde Geräusch. Ihr Spielgefährte Jakob inspiziert mit einer Rassel in der Hand das bunte Zelt auf der geräumigen Dachterrasse des Fitnessstudios. Ob Betreuerin Sabine Klug etwa dort die heiß begehrten Tierstempel versteckt hat? Denn ohne Stempel auf der Hand wollen die beiden nicht nach Hause gehen.
Nur Tamara fühlt sich zu alt für einen Stempel. Die Siebenjährige ist bereits in der Schule, geht aber in den Ferien gern mit ihrer Mutter zum Training. „Aber nur, wenn sie weiß, dass ,Biene‘ da ist“, wie Mutter Dagmar Dechant erzählt, die gerade vom Yoga-Training kommt. „Schon als Tamara vier Jahre alt war, ist sie zu Sabine Klug in die Kinderbetreuung gekommen – und war begeistert.“
Dass die 45-Jährige aus Stein leidenschaftlich gern Kinder betreut, berichten nicht nur die Mütter. Sabine Klug hat auch eine ausführliche Referenz einer Steiner Kirchengemeinde, wo sie jahrelang Kleinkinder betreute. Darin wird ihr bescheinigt, dass sie als Mutter von vier Kindern auch eine sehr geschätzte Ratgeberin für junge Mütter ist. Auch ihre ansteckend fröhliche Art wird hervorgehoben, mit der sie jungen Familien in schwierigen Phasen oder mit Erziehungsproblemen Mut machte. Eine Auszeichnung des Präventionsvereins „1-2-3“ des Landkreises Fürth hat sie ebenfalls erhalten. Sie hat mit Kindern mit Down-Syndrom oder Aufmerksamkeits-Defiziten gearbeitet. Und sogar für die Tagespflegebörse Nürnberg künftige Tagesmütter geschult.
„Mein Pech ist, dass ich als Jugendliche nicht Erzieherin gelernt habe"
„Mein großes Pech ist nur, dass ich als Jugendliche nicht gleich Erzieherin, sondern Rechtsanwaltsgehilfin gelernt habe“, sagt sie. Sie hatte seinerzeit den nach der mittleren Reife gelernten Beruf aufgegeben, vier eigene Kinder großgezogen – und daran viel Freude gehabt. Nun aber, wo die jüngste Tochter 15 Jahre alt ist, möchte sie sich beruflich neu orientieren – beziehungsweise das, was sie seit 15 Jahren ehrenamtlich oder in Form freiberuflicher Kinderbetreuungs-Jobs tut, professionalisieren und Erzieherin werden. So wie ihre älteste Tochter Kristina (22), die vor zwei Jahren die fünfjährige Ausbildung abgeschlossen hat.
Im Alter von 45 Jahren aber noch einmal fünf Jahre lang die „Schulbank“ zu drücken – das kann sich Sabine Klug schwer vorstellen. Dass es angesichts des eklatanten Erziehermangels in Bayern auch eine andere Möglichkeit geben muss, in einem Kindergarten zu arbeiten, findet sie schon lange. Doch in den Kindergärten, wo sie gerne arbeiten würde und die Interesse an einer Einstellung geäußert hätten, habe man ihr wenig Hoffnung gemacht. Zwar könne sie theoretisch als sogenannte Ergänzungskraft arbeiten, und es gebe sogar zwei Kindergärten, die sie engagieren würden. Allerdings hätten beide Leiterinnen gesagt, dass das Prozedere kompliziert sei, eine Sondergenehmigung von Stadt oder Landkreis ist erforderlich. „Und diese Genehmigung wird erst erteilt, wenn auch die letzte arbeitslose Erzieherin von der Straße ist.“
Außerdem würde Klug lieber vollwertige Erzieherin werden und nicht nur Helferin sein. Auf einen Brief, den sie an Bayerns Familienministerin Christine Haderthauer schrieb, erhielt sie von einem Ministerialrat unter anderem zur Antwort, dass sie die Externenprüfung an einer Berufsfachschule für Kinderpflege absolvieren könnte. Dann müsste sie sich das Wissen, das Kinderpflegerinnen – eine Vorstufe zur Erzieherin – in zwei Jahren an der Schule erwerben, selbst aneignen und die Prüfung bestehen.
Von der Regierung von Mittelfranken, wo sie sich daraufhin mit ihrem Anliegen hinwandte, um Informationen zur Externenprüfung zu bekommen, erhielt sie nur ein Merkblatt.
Enttäuscht, aber lange noch nicht entmutigt, wandte sie sich an die NZ: „Ich fühle mich gerade wie die Katze, die sich in den eigenen Schwanz beißen will“, sagte sie. Einerseits werde sie von den Schlagzeilen über Erziehermangel verfolgt, auf der anderen Seite gebe es Menschen wie sie, die seit langer Zeit nach Möglichkeiten und Wegen suchten, in einer Kindertagesstätte zu arbeiten.
Frank Fischer, Schulleiter der staatliche genehmigten Fachakademie für Sozialpädagogik der Gemeinnützigen Gesellschaft für soziale Dienste in Nürnberg, hat „sehr gute Erfahrungen mit Quereinsteigerinnen gemacht“, wie er der NZ sagte. Er versprach, den Fall in einem Gespräch mit der Interessentin zu prüfen. Bei Vorliegen aller Voraussetzungen – unter anderem mittlere Reife und vier Jahre eigene Kindererziehung – könne die Schule bei der Regierung von Mittelfranken eine Ausnahmegenehmigung beantragen. Dann müsste Klug nicht die vollen fünf Jahre der Erzieher-Ausbildung inklusive der zweijährigen Ausbildung zur Kinderpflegerin absolvieren, sondern könnte im ersten Jahr der Fachakademie für Erzieher einsteigen. „Es wäre wunderbar, wenn das klappen würde“, schwärmt Klug. Um ihren Traumberuf zu erlernen, würde sie sich auch auf eine zweijährige Schulzeit mit anschließendem Einjahrespraktikum einlassen und noch einmal die „Schulbank“ der Fachakademie drücken – und das, obwohl sie seit über 25 Jahren nicht mehr in der Schule war.
Aber wie steht es mit der Finanzierung? Hier rollt schon das nächste Problem auf die engagierte Frau zu. Denn derzeit ist sie in einem Teilzeitjob sozialversicherungspflichtig versichert und damit nicht arbeitslos, so dass sie von der Arbeitsagentur auf keine Umschulung hoffen kann – es sei denn, ihr Job wäre akut bedroht, wie eine Sprecherin der Arbeitsagentur Nürnberg sagte. Und selbst dann könnte sie nur die Schul- und Fahrtkosten ersetzt bekommen, aber keine Hilfe zum Lebensunterhalt, den dann ihr Mann allein bestreiten müsste.
Viel besser erscheint aber ohnehin eine andere Möglichkeit: das Meister-Bafög für Studentinnen einer Fachakademie, bei dem sie im günstigsten Fall mehrere Hundert Euro für die Lebenshaltungskosten bekommen könnte, ein Teil davon allerdings als KfW-Kredit.
Kurz bevor Klug mit ihrer Familie in den Urlaub gefahren ist, hat sie sich deshalb beim Nürnberger Amt für Ausbildungsförderung die nötigen Formulare besorgt und begonnen, auszufüllen – „ein ganzer Stapel und ein großer Bürokratie-Akt“, wie sie sagte. Aber sie will es anpacken und hofft, dass ihr Traum, eine der dringend gesuchten Erzieherinnen zu werden, so bald wie möglich in Erfüllung geht.
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