Unabhängig von Zeit und Ort auf Schatzsuche
8.5.2020, 20:38 UhrUnzählige Kuppeln und Fensterchen, Baldachine und Balustraden, Türmchen und Zierrat: Wer das berühmte Sebaldusgrab von oben betrachtet, dem gehen angesichts der filigranen Details fast die Augen über. Besuchern des Schreins in der Sebalduskirche bleibt die Ansicht freilich völlig verwehrt. Sie können das Werk von Peter Vischer d.Ä. und seinen Söhnen nur von den Seiten aus betrachten.
Im Virtuellen Museum Nürnberg steigen die Kunstinteressierten in die Luft: Per Leiter und Drohne und mit guter Beleuchtung fertigten mehrere Fotografen Ansichten aus den unterschiedlichsten Perspektiven. "Da offenbart sich ein Blick, der sonst nie möglich ist. Man kann sich richtig in das Kunstwerk versenken", schwärmt Theo Noll, der das Virtuellen Museum mit konzipiert hat und pflegt.
Etwa 1000 Kunstwerke und 250 Künstler sind auf der übersichtlich programmierten Internetseite bislang zu finden. "Das Angebot wird permanent erweitert", sagt Noll. Der Web-Auftritt sei bewusst bildlastig, die Informationen kurz und präzise, so der 51-Jährige, der in Marburg Kunstgeschichte, Grafik und Malerei studiert hat. Man wolle so das Nürnberger Künstlerlexikon ergänzen. Der Kunstsammler und Galerist Manfred H. Grieb veröffentlichte unter Mitarbeit zahlreicher Fachleute im Jahr 2007 das mehrbändige Werk. In rund 10 000 Einträgen erfährt man dort nahezu alles über die Musik- und Kunstgeschichte der Noris vom 14. bis ins 20. Jahrhundert. Allerdings sind die Bücher nicht bebildert. "Hier kommt das Virtuelle Museum ins Spiel", sagt Noll.
Stationäres Museum war nicht realisierbar
Griebs ursprünglicher Plan war es, ein Kunsthistorisches Museum in Nürnberg zu eröffnen. Dafür versammelte er Mitstreiter in einem Verein. Seinen Traum konnte der 2012 verstorbene Kunstliebhaber indes nicht mehr realisieren. Und auch für die Zukunft ist die Umsetzung eher unwahrscheinlich, räumt Noll ein.
Deshalb entschieden sich die Mitglieder des "Fördervereins Kulturhistorisches Museum Nürnberg" bereits vor Jahren für die Museums-Variante im Internet. Diese biete unabhängig von Zeit und Ort interessierten Laien, Studierenden, aber auch Wissenschaftlern in aller Welt die Möglichkeit zur Recherche. Bei vielen aktuellen Ausstellungs-Projekten habe es bereits einen Austausch von Bildern und Informationen zwischen Kuratoren und den Machern des Virtuellen Museums gegeben, berichtet der 51-Jährige. Die meisten Fotos stammen von Theo Noll und seinem Partner Pablo de la Riestra, einem promovierten und habilitierten Architekturhistoriker. Das Paar, das zuvor in Marburg lebte, fand Nürnberg so schön, dass es sich 2007 in der Altstadt niederließ und seitdem das Virtuelle Museum intensiv weiterentwickelt.
Nürnberg sei ein riesengroßer Schatz an Kunst. Mit dem Internet-Angebot könne man das breite Spektrum zeigen. Nicht nur Nürnberger Künstler sind verewigt, sondern auch auswärtige Kunstschaffende, die an der Pegnitz wirkten. Viele einzigartige Gebäude, Brücken und Skulpturen aus dem öffentlichen Raum sind zu sehen. Aber auch Kunstgegenstände, die sonst nicht zugänglich sind, etwa weil sie in Privatsammlungen hängen oder in den Depots der Museen lagern.
So etwa das Gemälde "Kaiserstraße/Obere Wörthstraße" des Malers Hermann Thomas Schmidt, das in Privatbesitz ist. Die 1953 entstandene Ansicht zeigt, wie sich ein von Wilhelm Schlegtendal in der Nachkriegszeit entworfenes Gebäude wunderbar in die Gassen der Altstadt einfügt. "Er baute modern, fand aber für den Ort die passende Lösung", findet Noll. Von Schlegtendal, der in der städtischen Bauverwaltung tätig war und 1994 verstarb, stammen auch die Pläne für das Plärrer-Hochhaus und zahlreiche Kirchen in Nürnberg.
Anders als ein stationäres Museum bietet das Virtuelle Museum unerschöpfliche Erweiterungsmöglichkeiten – für historische Schätze, aber auch für Zeitgenössisches. Einer der jüngsten Einträge ist das von Volker Staab entworfene Neue Museum.
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