Von Bord
22.5.2020, 18:05 UhrDie Nachricht von der Pandemie hat sie auf Kuba erreicht. "Wir hatten eine Schiffsversammlung und der Kapitän hat uns erklärt, was los ist", erinnert sich Ben Schanda. Der 15-Jährige ist einer von 34 Schülern, die in den vergangenen sechs Monaten auf der "Thor Heyerdahl" von Kiel in die Karibik und zurück gesegelt sind.
Mehr Sorgen als um sich selbst haben sich die Schüler um ihre Familien zu Hause gemacht. "Wir wussten von ein paar Familien, die zu Hause in Quarantäne bleiben mussten, weil sie in Österreich im Urlaub waren", sagt Schanda. "Das hat die Stimmung schon erst einmal getrübt."
Wirklich Zeit zum Trübsal blasen hat an Bord aber keiner. Die Schüler müssen auch kochen, putzen und waschen, den Motor ölen, den Kompass polieren und die Segel setzen. Das "Klassenzimmer unter Segeln" ist ein Projekt der Universität Erlangen-Nürnberg. Nürnberger Pädagogen begleiten die Schüler und
erforschen mit ihrer Hilfe neue Unterrichtsformen. Auf Teneriffa steht Vulkanismus auf dem Stundenplan. Auf Panama leben die Teilnehmer in Gastfamilien und lernen Spanisch. An Bord lernen sie, anhand der Sterne zu navigieren.
Während die eine Hälfte Vokabeln paukt, steuert die andere das Schiff. Eine Stammmannschaft mit etwa 15 Personen zeigt ihnen wie. Zwei Mal auf der Reise übernehmen die Schüler das Schiff komplett und wählen einen Kapitän aus ihren Reihen.
Neue Vorräte und Diesel
Von Deutschland ging die Route über Marokko und Teneriffa nach Grenada, Panama und Kuba, dann zu den Bermudas, Azoren und durch den englischen Kanal zurück nach Kiel. Die längste, geplante Etappe auf See sind dabei eigentlich 20 Tage. "Wir haben vor den Azoren geankert, aber durften nicht an Land, das war wirklich komisch", erzählt Schanda. "Wenigstens konnten wir neuen Proviant und Diesel bunkern." So heißt es, wenn das Schiff neu beladen und betankt wird.
Wenn die Schüler dann nach ihrer großen Reise wieder zu Hause ankommen, feiern sie sonst das Wiedersehen. Eltern, Freunde und frühere Teilnehmer stehen am Pier und singen Lieder. Es gibt einen gemeinsamen Brunch und eine feierliche Verleihung der Seemannszeugnisse. "Unsere Ankunft war komplett anders", bedauert Schanda.
Jeder durfte nur einzeln von Bord. Die Eltern mussten zueinander Abstand halten – sie konnten aber immerhin überhaupt nach Kiel reisen, um ihre Kinder in Empfang zu nehmen. "Die Behörden in Schleswig-Holstein haben uns unglaublich unterstützt", erzählt Projektleiterin Ruth Merk vom Institut für Erziehungswissenschaft in Nürnberg. Die Eltern durften sogar in Hotels übernachten, weil sich das Segelschiff wegen starkem Gegenwind einen Tag verspätete. "Wir wussten bis zuletzt nicht, wie das ablaufen soll", sagt Bens Mutter Annika Schanda. "Aber wir sind sehr froh, dass alle gesund nach Hause gekommen sind, das ist ja dann die Hauptsache." Während der Reise hat sie das digitale Logbuch der Kinder verfolgt. "Wir wussten, dass sie gut aufgehoben sind."
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