Weibliche Straßennamen für Nürnberg: Historikerin will Vorschläge sammeln
30.12.2020, 05:47 Uhr
Wir suchen gemeinsam nach Frauennamen für Nürnberger Straßen, so lautete der Aufruf der Historikerin Nadja Bennewitz. Eine Wunschliste. Über 30 Meldungen sind bislang eingegangen - von Bürgerinnen, aber auch einige Männer meldeten sich zu Wort.
Unter den Vorschlägen: Lydia Bayer, die Gründerin des Nürnberger Spielzeugmuseums, oder die unerschrockene Gewerkschafterin Gisela Kessler, die 2014 in Nürnberg gestorben ist. Auch die Nürnberger Schriftstellerin und Satirikerin Gisela Elsner, deren letzte Lebensjahre ihr Sohn Oskar Röhler mit (der ihr nicht verwandten) Hannelore Elsner in der Hauptrolle verfilmte, steht auf der Liste. Sie erhielt 1991 - ein Jahr vor ihrem Tod – den Großen Kulturpreis der Stadt Nürnberg. Unter den bislang 42 Preisträgern befinden sich übrigens nur fünf Frauen.
Auf Rekordjagd: Das ist Nürnbergs längste Straße
Das Straßenbild ist "sehr einseitig"
Warum eine Wunschliste für Straßennamen? „Ich wollte mit der Aktion die Nürnberger zum Nachdenken anregen und zugleich dafür sensibilisieren, wie ungleich hier das Verhältnis immer noch ist“, sagt Bennewitz. Das Straßenbild und auch die Denkmäler seien extrem männlich und weißhäutig, „also in geschlechtlicher und ethnischer Hinsicht sehr einseitig“, kritisiert sie. Hier müsse Abhilfe geschaffen werden, fordert die Historikerin.
Wie rassistisch sind Nürnbergs Straßennamen?
„Erinnerung hat auch immer etwas mit gegenwärtigen Fragen zu tun und ist identitätsstiftend“, fährt Bennewitz fort. „Frauen sollten das Bewusstsein entwickeln, dass sie eine Geschichte haben. Deswegen muss sich die städtische Landschaft ändern.“ Zudem sei es eine wichtige politische Frage: „An wen möchten wir uns erinnern?“
1324 nach Personen genannte Straßen, darunter 44 Frauen
Ein Blick auf die Zahlen: Im Jahr 2018 tragen von den 1324 nach Personen genannten Straßen in Nürnberg lediglich 44 Namen bedeutender Frauen. Wirtschaftsreferent Michael Fraas räumt ein: „Der Stadtverwaltung und dem Stadtrat ist bewusst, dass zu wenig Straßen in Nürnberg nach Frauen benannt sind.“ Zum Amtsbereich von Fraas gehört das Amt für Geoinformation, das für die Straßennamen zuständig ist. Er verweist darauf, dass in der Sitzung des Verkehrsausschusses vom 15. November 2018 einmütig bekundet wurde, dass mehr Straßen nach Frauen benannt werden müssen.
Tatsächlich hat sich etwas getan: Von den seit 2018 bis heute beschlossenen 27 Straßenbenennungen erfolgten 18 nach Personen – davon zehn nach Frauen und acht nach Männern. „Betrachtet man das Jahr 2020, wurden fünf Straßen nach Personen benannt, davon wiederum zwei nach Frauen und drei nach Männern“, so Fraas.
Dabei handelt es sich um zwei Schwimmerinnen: die Eva-Mötch-Straße und die Maria-Haas-Straße in Langwasser. Neu in diesem Jahr sind ferner die nach dem Künstler benannte Richard-Lindner-Gasse in der Altstadt, der Dr.-Helmut-Kohl-Platz beim „Tafelhofpalais“ nahe dem Hauptbahnhof und jetzt im Dezember der Peter-Schönlein-Platz - zwischen dem Germanischen Nationalmuseum und der Klaragasse.
Dr.-Helmut-Kohl-Platz macht Fortschritt zunichte
„Ein zarter Fortschritt“, kommentiert Bennewitz, „der mit dem Nürnberger Dr.-Helmut-Kohl-Platz zunichte gemacht wurde.“ Sie bezeichnet diese Namensvergabe als „vollkommen überflüssig“. Denn der Alt-Bundeskanzler habe mit Nürnberg nichts zu tun. Zudem gebe es bereits deutschlandweit zig nach ihm benannte Straßen und Plätze. Da hätte man lieber einer Nürnbergerin der Vortritt lassen sollen, moniert die Historikerin.
Ein Blick in die Zukunft: Fraas kündigt an, dass die Straßen in dem Wohnungsneubaugebiet im nördlichen Teil des ehemaligen Südbahnhofs an der Brunecker Straße die Namen von Menschen aus dem Widerstand gegen das NS-Regime tragen sollen. Frauen wie Männer.
Straßennamen nach Wissenschaftlerinnen
Dagegen werden die Straßen auf dem künftigen Gelände der neuen Technischen Universität Nürnberg, also im südlichen Teil des ehemaligen Südbahnhofs, ausschließlich nach Wissenschaftlerinnen benannt. Und die im Tiefen Feld entstehenden Straßen erhalten Namen von Astronomen und Astronominnen. „Ursprünglich war angedacht, dass diese Personen regionalen Bezug haben müssen“, informiert er. „Darauf verzichten wir nun, gerade damit mehr Frauen in Betracht kommen.“
Für die Auswahl macht das Frauenbüro der Stadt gemeinsam mit Nadja Bennewitz entsprechende Vorschläge. Die Entscheidung über die Straßennamen trifft dann der Verkehrsausschuss des Stadtrats – voraussichtlich allesamt im Jahr 2021.
Wer einen Vorschlag für die Wunschliste hat: Mail an BZ-Info@stadt.nuernberg.de, Stichwort: Frauenstraßennamen.
44 Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen
Korrekturleser
Und wenn Du denkst, es geht nichts mehr, kommt jemand mit einer noch größeren Schnapsidee daher: Jetzt hat tatsächlich jemand den Vorschlag gemacht, Dörfer umzubenennen obwohl die schon länger so heißen als das gleichlautende Wort die Bedeutung hat, wegen der ihm später die Eigenschaft als Schimpfwort angedichtet wurde:
https://www.welt.de/vermischtes/article223465962/Sauerland-Debatte-ueber-Ortsnamen-Neger-Umbenennung-gefordert.html
G_Noergel
@jochen_nue:
„Wer stämmt sich denn dagegen, dass künftig Frauen stärker berücksichtigt werden?“
Lesen Sie doch einfach mal die Diskussionsbeiträge, dann können Sie sich die Frage selbst beantworten.
„Oder meinen Sie mit fortschrittlich, dass knapp die Hälfte aller männlichen Straßennamen sofort zugunsten weiblicher Persönlichkeiten. weichen soll?
Für dieses Thema die "lange Sicht" zu bemühen, ist einfach nur lächerlich.“
Nein, meine ich nicht. Ja, das wäre lächerlich.
Bei der „langen Sicht“ ging es mir um die grundsätzliche Veränderungen in der Haltung der Gesellschaft - bspw. also weg von patriarchalen, heteronormativen und ähnlichen Denkmustern.
Korrekturleser
All cops are beautiful schrieb am 30.12.2020, 11:08
Prinzregent geht gar nicht weil damit der Monarchie gehuldigt würde und das darum demokratiefeindlich wäre.
Warten wir noch ein paar Jahre, dann geht das Gschmarri los, dass sämtliche Kaiser-Wilhelm-, Maximilian-, Merowinger-Straßen / Plätze usw. umbenannt werden müssen.
Gut finde ich den letzten Absatz dieses 6 Jahre alten Artikels:
https://www.nordbayern.de/region/forchheim/forchheims-held-ist-erlangens-verbrecher-1.4050855
Zitat:
Eine neue Straße würde wohl nicht mehr nach ... heißen. Für eine Umbenennung allerdings reicht es nicht... „Wenn wir so hohe moralische Maßstäbe ansetzen würden, müssten wir in xxx so manchen Straßennamen ändern.“
luwa
Meine Güte, wo ist das Problem? Es heißt doch „Die“ Straße und „Der“ Platz. Und da es weitaus mehr Straßen als Plätze gibt sollte hiermit der Weiblichkeit genug gehuldigt sein. :)
Probleme haben manche Menschen.....
Optimist64
In Zeiten einer Pandemie, geht es dann doch darum, dass Strassen nach Frauen benannt werden. Ok. Ich persönlich, habe seit einem knappen Jahr, ganz andere Sorgen.