Experte warnt
"1. Juni könnte dramatisch werden": Tankstellenbetreiber rechnen mit fehlendem Sprit
20.5.2022, 09:10 UhrDer Vorsitzende des Bundesverbands Freier Tankstellen, Duraid El Obeid, ist besorgt. In einem Interview mit der Wirtschaftswoche spricht er über das Öl-Embargo, das die EU gegen Russland verabschiedet hat: "Die Raffinerien in Schwedt und Leuna würden zumindest zeitweise definitiv weniger Mineralöl liefern können. Das träfe auch uns." Kein Wunder – immerhin wird dort ausschließlich russisches Öl raffiniert. Gleichzeitig hat El Obeid für seine eigene Tankstellenkette "Sprint" mit 140 Standorten bereits Vorkehrungen getroffen und Transportkapazitäten gesichert, darunter Binnenschiffe und Kesselwagen auf der Schiene.
"Das würde es uns erlauben, Mineralöl etwa aus Hamburg nach Berlin zu transportieren. So wollen wir sicherstellen, dass unsere Sprint-Tankstellen in und um Berlin dauerhaft Kraftstoffe verkaufen können. Solche Vorsorgepläne sind ein echtes Novum." Obeid ist sicher: Auch wenn Putin die Öl-Lieferungen sofort stoppt, könne die nötige Menge an Kraftstoff andernorts eingekauft werden. Allerdings bringen die neuen Transportwege über das Meer und auf der Schiene neue Probleme mit sich: "Das Tanklager etwa in Seefeld bei Berlin ist via Pipeline an die PCK Raffinerie in Schwedt angebunden. Auf einen Ansturm von Zügen, Schiffen und Tankwagen ist das Lager gar nicht vorbereitet. Vor allem der 1. Juni könnte richtig dramatisch werden", so Obeid.
Dann führt die Bundesregierung den Tankrabatt ein – die Energiesteuer wird für drei Monate gesenkt. Bei Benzin reduziert sich der Steuersatz laut Finanzministerium um 29,55 Cent pro Liter, bei Diesel um 14,04 Cent. Der Tankstellen-Experte prognostiziert: "Die Leute werden daher Ende Mai darauf verzichten, ihre Autos vollzutanken, sie kommen dann am 1. Juni. In dieser Zeit brauchen alle Tankstellen noch mehr Kraftstoff. Der Run auf die Tankstellen wird historisch."
Kleinere Betriebe unter Druck
Gerade Kleinunternehmer könnten dabei in Schwierigkeiten kommen. Ohne Einkaufsmacht bei den großen Händlern und Konzernen seien sie darauf angewiesen, was sie am Markt bekommen können. "Es wird in nächster Zeit sicher einige Tankstellen geben, die vorübergehend entweder nicht ausreichend oder nicht rechtzeitig Mineralöl auf dem Markt werden einkaufen können", so Obeid. Er geht davon aus, dass betroffene Filialen die Preise anheben – ob sie gar kein Benzin mehr verkaufen können, sei noch nicht absehbar.
Der Vorsitzende geht davon aus, dass die Preise langfristig steigen werden – trotz Tankrabatt: "Allein die Logistikkosten machen Mineralöle teurer. Wenn die Kraftstoffe künftig via Tankwagen von weiter her angeliefert werden müssen, dann wird sich das natürlich in den Preisen niederschlagen." Er rechnet mit einem Anstieg auf "vielleicht 2,20 Euro pro Liter".
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