Protest für mehr Lohn

175 Textilfabriken in Bangladesch vorübergehend dicht – drohen Engpässe bei großen Modeketten?

sam

15.11.2023, 19:22 Uhr
Knapp vier Millionen Menschen – überwiegend Frauen – arbeiten in den rund 3500 Fabriken im Land (Symbolbild). 

© K M Asad/dpa Knapp vier Millionen Menschen – überwiegend Frauen – arbeiten in den rund 3500 Fabriken im Land (Symbolbild). 

Protestierende haben Fabriken, Busse und Geschäfte in den industriellen Distrikten Gazipur und Ashulia in der Nähe der Hauptstadt Dhaka beschädigt, sagte ein Polizeisprecher der "Deutschen Presse-Agentur" Anfang November.

Im Norden der Hauptstadt Dhaka setzte die Polizei nach eigenen Angaben bereits Tränengas ein, um rund die 3000 Protestierenden auseinanderzudrängen. Drei Protestierende seien festgenommen worden. Der Präsident der "Bangladesh Garment Manufacturers and Exporters Association", Faruque Hassan, rief die Regierung auf, die Sicherheit in den Fabriken zu verstärken. Bangladesch gilt nach China als zweitgrößter Kleiderproduzent der Welt.

Gewerkschaften fordern dreifachen Lohn

Hintergrund der Proteste sind die derzeit im Land stattfindenden Verhandlungen zwischen Vertretern der Gewerkschaften und Fabrikbesitzern über eine anstehende Gehaltserhöhung. Zuletzt schlugen Fabrikbesitzer ein Mindestgehalt von 10.400 Taka pro Monat vor – umgerechnet 89 Euro. Die Gewerkschafter forderten jedoch angesichts steigender Lebenskosten knapp das Doppelte.

Seit 2018 gilt ein Mindestgehalt von 8000 Taka (69 Euro). Eine von der Regierung eingesetzte Kommission hatte am Dienstag eine Mindestlohnerhöhung um 56,25 Prozent auf 104 Euro ab Dezember angekündigt, heißt es im "Manager Magazin", welches sich auf Informationen der Nachrichtenagentur "Afp" beruft.

Die Gewerkschaft der Textilarbeiter wies dies als "inakzeptabel" zurück. Die Lohnerhöhung sei nicht mit den steigenden Kosten für Lebensmittel, Wohnungsmieten, Gesundheitsversorgung und Schulgebühren vereinbar. In den vergangenen Tagen kam es erneut zu heftigen Protesten, bei denen eine Frau getötet wurde – der dritte Todesfall seit Beginn der Demonstrationen, heißt es in dem Bericht. Außerdem soll es vergangene Woche zu gewaltvollen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Plünderungen in mehreren Fabriken gekommen sein.

Knapp vier Millionen Menschen – überwiegend Frauen – arbeiten in den rund 3500 Fabriken im Land. Die Textilbranche ist die wichtigste Einnahmequelle. Von dort werden die Textilien vor allem in westliche Länder exportiert, darunter auch viele in Deutschland beliebte Ketten wie Gap, H&M oder Aldi.

H&M äußert sich

Wirkt sich der Streik auch auf das Angebot hierzulande aus? Die international erfolgreiche schwedische Modekette H&M teilt unserer Redaktion schriftlich auf Nachfrage mit, dass die H&M Gruppe keine eigenen Fabriken in Bangladesch besitze, sondern mit unabhängigen Lieferanten in vielen verschiedenen Märkten zusammenarbeite. "Wir sehen aufgrund der Proteste keine Auswirkungen auf unsere gesamte Produktion oder Lieferkette", so eine Sprecherin von H&M.

Zudem wollten wir wissen, inwiefern H&M sich dafür einsetzt, die Proteste friedlich zu beenden. Das Unternehmen beruft sich in ihrer Mail auf ein gemeinsames Schreiben, den sogenannten "ACT Letter to the RMG Minimum Wage Board" welches belegen soll, dass H&M sowie 18 weitere internationale Marken (darunter auch Lidl, Asos und C&A), sich für einen neuen Mindestlohn aussprechen, der die Lebenshaltungskosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie ihrer Familien deckt. Eine genaue Zahl wird in dem Schreiben jedoch nicht genannt.

Das sagt ALDI Süd

Auch Aldi haben wir mit den gleichen Fragen konfrontiert. Die Pressestelle von Aldi Süd teilt uns schriftlich mit: "Die Unternehmensgruppe ALDI SÜD beobachtet die Situation mit Sorge und Anteilnahme. ALDI SÜD spricht sich klar für eine friedliche Lösung aller Parteien mittels Dialog und offener Zusammenarbeit aus und unterstützt die Forderung für höhere Mindestlöhne in Bangladesch, welche nicht nur die Grundbedürfnisse der Arbeiter decken, sondern auch ein darüber hinausgehendes Einkommen ermöglichen. Um das Bekenntnis zu bekräftigen, unterzeichnet ALDI SÜD einen Brief der Fair Labor Association (FLA) an den Premierminister Sheikh Hasina".

Auch in diesem Brief, der auch von Marken wie Gap, Puma und Adidas unterzeichnet wurde, wird sich für einen höheren Mindestlohn ausgesprochen, konkrete Zahlen werden allerdings auch hier nicht genannt. In Sachen Waren-Engpässe gibt Aldi Süd keine Auskunft: "Wir bitten Sie um Verständnis, dass wir zu unserer aktuellen Geschäftstätigkeit keinen Kommentar abgeben. Was die Verfügbarkeit unserer Produkte betrifft, so können wir festhalten, dass wir alles daransetzen, für unsere Kund:innen stets Produkte in bester Qualität anbieten zu können", heißt es in der Mail.

Puma und Adidas: So äußern sich die mittelfränkischen "Big Player"

Adidas betont in einer schriftlichen Stellungnahme auf unsere Fragen, dass sich momentan nur einer von rund 380 Zulieferern des Konzerns in Bangladesch befindet. Dennoch verfolge man "die Entwicklung aufmerksam". Das Unternehmen hat sich ebenfalls gemeinsam mit anderen Marken in einem an Bangladeschs Ministerpräsidenten adressierten offenen Brief zur Situation geäußert. Konkrete Zahlen werden darin aber nicht genannt.

Die internen Arbeitsplatzstandards des Unternehmens würden Zulieferer dazu verpflichten, "die Vergütung der Arbeiter*innen und deren Lebensstandard durch eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Entlohnungssysteme, Zusatzleistungen, Sozialprogramme und andere Leistungen fortschreitend zu steigern." Das Einkommen der Arbeiter in den Zulieferbetrieben des Konzerns liege "in aller Regel" über dem jeweiligen gesetzlichen Mindestlohn. Zu möglichen Lieferengpässen äußerte sich Adidas nicht.

Auch Puma antwortete auf unsere Anfrage. Das Unternehmen gibt zu, "dass der angekündigte Mindestlohn in der Textilfertigungsindustrie deutlich unter einem existenzsichernden Lohn liegt." Zudem bedauere man die Gewalt gegenüber Arbeitern während der Demonstrationen in Bangladesch "zutiefst". Puma verweist auf denselben öffentlichen Brief an Bangladeschs Premierminister, an dem auch Adidas beteiligt war. Dabei habe das Unternehmen anerkannt, eine Rolle bei der Ermöglichung einer "signifikanten Erhöhung des Mindestlohns" zu spielen. Allerdings vermeidet auch Puma ein Bekenntnis zu den konkreten Forderungen der Arbeiter und nennt ebenfalls keine Zahlen bei der Forderung nach fairen Löhnen.

Durch die Umsetzung "verantwortungsbewusster Einkaufspraktiken" müsse das Unternehmen verpflichtet bleiben, diese Rolle auch zu erfüllen. Um über die Lage in Bangladesch informiert zu bleiben, führe man eine offene Kommunikation mit allen Lieferanten. Auf die Lieferzeiten hätten die Streiks "keine Auswirkungen".