760 Jobs in Franken betroffen: Siemens will Stellen streichen
24.7.2019, 06:00 UhrKein Aus für den Siemens-Standort, doch 166 Stellen könnten wegfallen. In Erlangen umfasst das Sparziel umgerechnet sogar 600 Jobs. Donnerstag verhandeln Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite über den Schrumpfkurs.
Die komplette Energiesparte soll zudem aus dem Konzern herausgelöst und als eigenständiges Unternehmen an die Börse gebracht werden. Über das bereits seit 2018 laufende Sparprogramm hinaus sollen weitere 500 Millionen Euro eingespart werden, um "vor dem Hintergrund des Marktumfelds die Kosteneffizienz deutlich zu verbessern", so die Firmenvorgabe.
Nicht nur im Trafowerk reagierte die Belegschaft geschockt auf diese Grundsatzentscheidung des Managements. "Die Krise erfasst uns alle sieben Jahre", sagt heute der Betriebsratsvorsitzende Thomas Pfann. Er arbeitet seit 1985 im Werk. Zwei Jahre später feierte die Fabrik 75 Jahre ihres Bestehens mit damals 1900 Mitarbeitern. Heute sind es noch 900 Beschäftigte, fast alle künftig der Sparte Gas & Power zuzuordnen. Pfann hört bei jeder Krise immer wieder dieselben Begründungen der Firmenleitung: Überkapazitäten auf dem Weltmarkt, Preisverfall, schlechte Prognosen für die Auslastung.
Kürzlich traf ein Neuauftrag ein: Siemens darf im Irak Teile eines Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerks im Gesamtwert von 280 Millionen Euro bauen. Im Frühjahr hatte Brasilien eine Order im Volumen von einer Milliarde Euro gemacht. Doch zum Leidwesen der Siemens-Kraftwerksparte kommen solche Bestellungen spärlicher als früher herein. Die Folgen bekommen Siemensianer in Nürnbergs Südstadt zu spüren. Das Trafowerk muss Stellen einsparen – wieder einmal. Denn es baut große Leistungstransformatoren, genau: für Kraftwerke.
Für das Trafowerk, meint Rudi Lutz von der IG Metall Nürnberg, sehe die Auslastung ganz und gar nicht schlecht aus. "Der Gesamtbereich hat ein Problem, aber nicht das Trafowerk." Der Auftragsbestand in Nürnberg belaufe sich auf 350 Millionen Euro, das bedeute eine Auslastung für rechnerisch eineinhalb Jahre. Das Vorsteuerergebnis sei zweistellig, die Ertragslage also keineswegs dramatisch. Und schon gar nicht gebe sie Anlass, sich von 23 Prozent der Belegschaft der Neufertigung zu trennen. "Das ist Personalabbau ohne Not."
Beim Werksbesuch zeigen sich durch und durch moderne Produktionsanlagen, hier entsteht Hightech für hocheffiziente Stromerzeugung. Das Trafowerk hat allerdings das Pech, der sich neu formierenden Energiesparte zugeschlagen worden zu sein. Und das Glück, nicht an asiatische Konkurrenten verkauft worden zu sein, was auch eine Option gewesen war. Zum nächsten Januar wird dieses riesige Geschäftsfeld mit 88.000 Beschäftigten in einer GmbH verselbstständigt und möglicherweise später an die Börse gebracht.
In der großen Montagehalle an der Katzwanger Straße werden Transformatoren zusammengebaut. Optisch besonders beeindruckend: das Prüffeld. Ein Mitarbeiter klettert eine extrem hohe Leiter herauf. Der Trafo wird getestet, ob er zum Beispiel Überspannung und Blitzeinschläge verträgt. Große Leistungstransformatoren dienen dazu, die Generatorspannung auf die nötigen Spannungen umzuwandeln.
In einer anderen Halle wird die Verschalung des Trafos hergestellt. Diese Isolierteilefertigung ebenso wie die Kupfer-Alu-Vorfertigung könnten dem Werk abhandenkommen. Denn auch die Siemens-Fabrik im österreichischen Weiz hält solche Spezialabteilungen vor, was läge da näher als eine Zusammenlegung. Gewerkschafter Lutz riecht Gefahr im Verzug. Die Isolierteilefertigung sollte schon vor sieben Jahren abgezogen werden. "Sie ist ganz wichtig, deshalb haben wir sie damals verteidigt und werden es jetzt wieder tun." Würde sie geschlossen, stünde es schlecht um das weltweite "Leitwerk" für Hochspannungsgleichstromübertragungssysteme (HGÜ), denn als Nächstes könnte die Entwicklung dem Rotstift zum Opfer fallen. "Die Aussicht bringt mich zur Verzweiflung. Das hat mit unternehmerischem Handeln nichts zu tun", sagt der IG-Metaller.
Nur noch reines Montagewerk?
Würde der Verlagerungsplan umgesetzt, schließt Pfann an, falle es schwerer, die Innovationen voranzutreiben. "Wir brauchen die Fertigung als vollständigen Prozess. Unsere Konstrukteure probieren aus, wie es bei neuen Modellen mit Machbarkeit und Funktionalität aussieht. Sonst droht uns, zu einem reinen Montagewerk abzusacken."
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