Aiwanger fordert Öffnung von Hotels und Skiliften
22.1.2021, 17:04 UhrEs dürfte für Hubert Aiwanger eine neue Erfahrung gewesen sein. Da legt er sich ins Zeug für Gastronomie, Hotellerie und Liftbetreiber, verspricht kühn eine schnelle Öffnung. Doch seine Ansprechpartner wollen das nicht hören. Obwohl selbst betroffen, teilen sie Aiwangers überbordenden Optimismus nicht.
Verpflichtende Homeoffice-Regeln: Wirtschaftsminister Aiwanger ist dagegen
Der Verband der bayerischen Wirtschaft (vbw) hat zum Tourismus-Gipfel geladen. Es geht um eine Branche, die der Lockdown hart trifft, um Gaststätten, Hotels, Kurbäder und alle, die noch am Tourismus hängen. „Dreiviertel der Betriebe bangen um ihre Existenz“, sagt vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Ein Viertel denke ans Aufgeben.
„Uns geht langsam die Puste aus“, bestätigt Jakob Portenlänger, Jung-Gastronom aus München. Das liege auch daran, „dass die Novemberhilfen großteils immer noch nicht angekommen sind.“ Er und seine Kollegen, berichtet Portenlänger, versuchten sich mit kreativen Ideen über Wasser zu halten, mit „Kochen für Helden“ beispielsweise, mit Kochboxen oder in der Weihnachtszeit mit einem „Christkindlmarkt-Drive-in.“
Der Branche fehlt die Perspektive
Auch Angela Inselkammer, bayerische Chefin des Hotel- und Gaststättenverbandes dehoga und selbst Hotelier, verlangt Perspektiven. „Wir brauchen einen gewissen Vorlauf“, sagt sie. „Wir können unsere Betriebe nicht einfach an- und abschalten.“
Eigentlich müsste ihnen also allen gefallen, was Bayerns Wirtschaftsminister verkündet. Die Lifte, sagt er, müssten sofort wieder öffnen, Österreich mache es vor, wie es geht. Und dass die Hotels noch geschlossen sind, „dafür sehe ich überhaupt keinen Grund mehr“. Die könnten also ebenfalls sofort aufmachen. Für die Gastronomie sieht er es zwar genauso; er wisse aber, sagt der Politiker der Freien Wähler, dass das manche etwas „kritischer“ beurteilten. Spätestens Mitte Februar müsse es aber auch da wieder losgehen.
Die in der Runde sitzen, hören zu. Und widersprechen vorsichtig. „Wenn wir öffnen“, sagt Angela Inselkammer, „dann muss das auch stabil sein. Das Allerfurchtbarste wäre, wenn wir nach vier Wochen wieder schließen müssten.“ Dann doch lieber später, aber dafür von Dauer. Brossardt, der zuvor Aiwangers Tatendrang über den grünen Klee gelobt hat, schreckt ebenfalls zurück. „Lieber Hubert“, sagt er, wenn überhaupt, dann könne das nur „mit Gottes Hilfe“ gelingen. „Dann laufen wir nach Altötting“, den bayerischen Wallfahrtsort. „Sportlich“ nennt er Aiwangers Forderung freundlich „Mein Bauch sagt mir, dass es noch etwas länger dauert.“
Es ist erstaunlich, wie sehr sich Aiwangers Wunschvorstellungen von dem unterscheiden, was die Praktiker vor Ort sagen. Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König beispielsweise. König beschreibt, wie hart der Lockdown vor allem die Nürnberger Hotellerie getroffen hat, die fast drei Viertel ihres Umsatzes mit Geschäftsreisenden generiert. Der Einbruch sei dramatisch, sagt König. Und er sieht nicht, dass die Zahlen sich so schnell wieder erholen werden.
Der Nürnberger CSU-Politiker führt an, dass die Unternehmen so genannte hybride Treffen als Alternative entdeckt haben und aus Kostengründen auch weiter beibehalten werden. „Ein Fünftel der Übernachtungen bricht uns deshalb dauerhaft weg“, sagt König, der frühestens 2023 wieder mit einer Normalisierung der Geschäfte rechnet. Eine These, die Bayern-Tourismus-Geschäftsführerin Barbara Radomski teilt. „Ich glaube nicht, dass wir mittelfristig auf das alte Niveau zurückfinden werden“, sagt sie und führt dafür die Geschäftsreisenden ebenso an wie die ausländischen Touristen, die auf absehbare Zeit fehlen werden.
Situation in Hotels: "Mehr Krise ist nicht vorstellbar"
Solche Sorgen trüben Aiwangers Optimismus nicht. Er verkündet munter, niemand solle jetzt „Trübsal blasen. Wir werden sehr schnell wieder die alten Zahlen haben.“ Noch in diesem Jahr werde das der Fall sein. „Die Hotels werden voll sein, sobald sie öffnen dürfen.“ Und deshalb, sagt er an die Adresse von Nürnbergs OB König, „muss ich gar nicht viel Geld an den Nürnberger Tourismus überweisen. Der läuft von allein.“
Hilfe gefordert
Die beim vbw Versammelten wollen sich auf Aiwangers Prognosen nicht verlassen und fordern statt dessen ein Tourismuspaket, bevorzugt vom Bund, notfalls vom Freistaat. Darin enthalten: Nur sieben Prozent Mehrwertsteuer auf Speisen und Getränke auf Dauer, deutlich weniger Bürokratie, vernünftige Arbeitszeitmodelle mit einer Wochen- statt einer Tagesarbeitszeit, eine leistungsfähige digitale Infrastruktur.
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Dass die verbesserungswürdig ist, beweist ausgerechnet Aiwanger, dessen Haus dafür mit zuständig ist. Der Niederbayer ist per Video zugeschaltet. Doch die Verbindung ist so schlecht, dass Aiwanger zwischendurch immer wieder verloren geht.
Dieser Artikel wurde am 22. Januar 2021 um 17.03 Uhr aktualisiert.