Auch in Nürnberg: Lieferdienste boomen - trotz Kritik
26.9.2017, 11:47 Uhr"Sie haben sich noch nie etwas liefern lassen? Das müssen Sie unbedingt einmal ausprobieren!" Werner Behringer klingt fast erstaunt, denn für den Nürnberger Gastronomen gehören Lieferdienste mittlerweile fest zum Bewirtungsgewerbe dazu. Tatsächlich sieht man immer öfter auf den Straßen die Lieferautos oder Fahrradkuriere von Lieferando, Foodora oder Lieferheld.
Der Inhaber der Gaststätten "Bratwursthäusle", "Goldenes Posthorn" und "Bratwurst Glöcklein" arbeitet mit verschiedenen Lieferdiensten – und hat gute Erfahrungen gemacht: "Das funktioniert tadellos." Auch früher, sagt Behringer, habe man Bestellungen von Kunden angenommen – die wurden dann per Taxi zugestellt. Als die Lieferdienste bei ihm angeklopft haben, hat der Gastronom sich darauf eingelassen. "Ich bin ja eher konservativ", gibt er zu, "aber ich kann das eigentlich nur empfehlen."
+++ Die wichtigsten Fakten zu den Lieferdiensten in der Region +++
Behringer sieht in den Zustelldiensten keine Konkurrenz für Restaurants, sondern eine Ergänzung, um die man heutzutage gar nicht mehr herumkomme. "Es ist ja auch eine gewisse Werbung, denn vielleicht kommt der eine oder andere Besteller auch einmal zum Essen ins Restaurant." Ins Rotieren bringt der Service sein Küchenpersonal nicht, sagt Behringer: "Die Nachfrage ist unterschiedlich stark. Und wenn es eng wird, muss man eine Bestellung notfalls ablehnen oder verschieben."
Auch beim Hotel- und Gaststättenverband Dehoga sieht man das Liefergeschäft positiv bis gelassen. "Man kann heute nicht mehr nur darauf warten, dass der Gast ins Restaurant kommt", sagt Gerhard Engelmann, Dehoga-Geschäftsführer für Mittelfranken. "Das Essen kommt zum Kunden, wenn der Kunde nicht zum Essen kommt." Und einen Vorteil sieht Engelmann außerdem: Während Speisen, die im Lokal verzehrt werden, mit 19 Prozent Umsatzsteuer zu Buche schlagen, sind Außer-Haus-Speisen mit sieben Prozent deutlich günstiger. Über Lieferdienste könnten Gastronomen davon profitieren.
"Ich arbeite doch nicht für umsonst"
Das sei aber auch der einzige Vorteil, meint Michael Höllerzeder, Inhaber der "Albrecht-Dürer-Stube". "Ich arbeite doch nicht für umsonst", sagt er. Mindestens 30 bis 32 Prozent Provision hätten die Lieferdienste, die bislang bei ihm angefragt haben, verlangt. "Das mag etwas sein, wenn man schlecht ausgelastet ist. Ich persönlich konzentriere mich lieber auf den zahlenden Gast im Restaurant."
Die 30 Prozent bestätigt Lieferando-Sprecherin Janina Scarlet Fisher. Das verlange das Unternehmen, wenn es die Lieferlogistik stelle. Für die Vermittlung restauranteigener Lieferservices fallen zehn Prozent an. Konkurrent Foodora lässt sich vom Kunden eine "geringe Liefergebühr" bezahlen und vom Restaurant eine Provision, sagt Sprecher Vincent Pfeifer.
Unterschiedliche Bewertungen
Das "Essen auf Rädern" in der Stadt scheint gut zu funktionieren. Der Verbraucherzentrale Nürnberg wurden bislang jedenfalls keine Beschwerden zugetragen. Die Kritiken der Kunden, die im Internet kursieren, fallen unabhängig von Restaurant oder Lieferdienst aber unterschiedlich aus. Von "Essen kam schnell und war richtig frisch" über "Wann das Essen ankommt, ist ein Glücksspiel" bis hin zu "Lieferung katastrophal" und "Essen kalt" reicht die Palette. Die Erfahrung hat Werner Behringer auch schon gemacht, zeigt aber Verständnis: "Es sind halt nicht immer gelernte Zusteller."
Kein Verständnis hat dafür Norbert Straub, Inhaber des Fürther Restaurants "Zur Hardhöhe": "Das fällt doch auf uns zurück." Für ihn sind Lieferdienste keine Option. "Es ist sicher der Trend der Zeit, aber wir wollen unsere Qualität halten", sagt er. "Wir wollen unsere Kunden im Lokal gut bedienen." Auch Catering und Straßenverkauf liefen sehr gut, gerade Stammkunden würden ihr Essen gerne vorbestellen und abholen.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund sieht noch ein ganz anderes Problem. "Ich weiß nicht genau, in welchem Arbeitsverhältnis die Kuriere beschäftigt sind", sagt der Nürnberger DGB-Regionssekretär Alexander Eglmaier. Viele der Fahrer seien nicht fest angestellt, fürchtet er. Mindestlohn oder gewerkschaftliche Organisation seien deshalb kaum umzusetzen, Probleme würden nicht benannt. Dazu gehöre auch, dass bei den großen Lieferdiensten jeder Kunde – und damit auch der Arbeitgeber selbst – per App live überwachen kann, wo sich der Fahrer mit dem Essen gerade befindet.
Knapp über dem Mindestlohn
Das Problem beginnt aber schon bei der Zuständigkeit der Gewerkschaften: Die Sparte Nahrung-Genuss-Gaststätten verweist an ver.di und die an den DGB. Keiner sieht sich in der Verantwortung für die Fahrer – zumindest in der Region. Auf Bundesebene fühlt sich ver.di schon zuständig, hat aber die gleichen Probleme: "Wir haben keinen flächendeckenden Einblick", sagt Sprecher Jan Jurczyk. Punktuell kenne man Verträge von Foodora, fest angestellte Fahrer würden dort knapp über Mindestlohn bezahlt und müssten teils das Fahrrad selbst mitbringen.
Das könne keinem Vollerwerb dienen, sagt Jurczyk, den es ärgert, dass sich die Unternehmen hinter einem Start-up-Bonus versteckten: "Das ist hanebüchen, da stehen Risikokapitalgesellschaften dahinter." Lieferando gehört zur niederländischen Aktiengesellschaft Takeaway.com, das Tochterunternehmen in neun europäischen Ländern hat. Foodora ist Teil der börsennotierten Berliner Delivery Hero AG.
Foodora beschäftige nur fest angestellte Fahrer, sagt Sprecher Pfeifer. 2500 in ganz Deutschland und 75 in Nürnberg – und seit Mitte 2016 oberhalb des Mindestlohns. Als die Mitarbeiter im Sommer 2016 in Berlin aufbegehrt haben, hat das Unternehmen laut Tagesspiegel auch zugesagt, Kosten für Verschleiß und Reparatur der Fahrräder zu übernehmen. Lieferando beschäftigt in Nürnberg keine angestellten Fahrer. Andernorts liege die Bandbreite zwischen fest angestellt, Teilzeit, Minijob oder freiberuflich, heißt es. Man wolle dem Bedürfnis der Fahrer nach Flexibilität gerecht werden und zahle zudem Mindestlohn.
13 Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen